Gefühl haben, dass jemand in der Zeit stehen geblieben ist?
Eine Bekannte von mir hat seit einiger Zeit eine neue Nachhilfeschülerin, wobei sie lachend zu mir meinte, dass sie das Gefühl hätte, dass das Mädchen, beziehungsweise ihre Eltern in der Zeit stehen geblieben wären. Sie würde ganz alte Kleidung tragen, die aussehen würde, als hätte sie diese noch von ihrer Mutter geerbt, passend dazu würde sie immer zwei geflochtene Zöpfe tragen. Wie sie von dem Mädchen erfahren hatte, hätten sie zu Hause auch kaum elektronische Geräte und weder Fernseher, noch Computer.
Kennt ihr Leute, bei denen ihr das Gefühl habt, dass sie in der Zeit stehen geblieben sind? Wann würdet ihr sagen, dass jemand in der Zeit stehen geblieben ist?
Ja ich kenne solche Leute aus meinem Bekanntenkreis. Ich würde sagen, dass jemand erst in der Zeit stehen bleibt, wenn er keinen elektrischen Herd besitzt, sondern per Gas. Dies erlebe ich immer wieder als ein Gefühl, dass jemand in der Zeit stehen geblieben ist. Es würde mich auch sehr interessieren, ob dies allgemein auch so empfunden wird.
Da kann ja das Kind nichts dafür. Ich kenne auch eine Frau, die wie ein Hippie umher läuft und dazu noch eine ziemlich komische Einstellung hat. Sie hat aber wirklich auch einen kleinen Knacks, weil sie nicht gerade psychisch gesund ist und man ihr das auch immer wieder anmerkt. Sonst kenne ich aber keinen, höchstens ein paar Menschen, die eine ziemlich altbackene Einstellung haben.
Das Gefühl bekomme ich manchmal, wenn ich mit konservativen Menschen zu tun habe. Wenn beispielsweise jemand der Ansicht ist, dass eine Frau nur als Hausfrau und Mutter taugt und ansonsten nichts zu bieten hat. Da könnte ich echt die Krise kriegen und denke mir dann meinen Teil. Ich bin nur froh, dass ich mit solchen Menschen nichts zu tun habe, die mich dann bremsen und hinter den Herd verbannen wollen würden.
Ich kenne auch so eine Familie. Sie war oft das Gesprächsthema dort im Ort. Ich glaube, dass die Familie aus dem Ausland kam. Sie lebten auch eher, als wäre die Zeit irgendwann stehen geblieben. Die Kinder hatten altmodische Kleidung, ebenso wie die Eltern und die Mädchen eben alle lange Haare. Es sah oft wie eine Art Tracht aus, die sie getragen haben. Ich denke, dass es durch ihren Glauben auch so war. Ich war allerdings nie bei ihnen zu Hause, so dass ich nicht sagen kann, ob es dort einen Fernseher gab und ähnliches.
Ich denke, dass jeder selbst wissen muss, ob er mit der Zeit und der Mode gehen möchte. Generell finde ich es gut, wenn man da sein eigenes Ding macht und sich nicht immer anpasst. Ich denke aber auch, dass es für die Kinder der Familie schwierig war, da sie doch viel gehänselt und auch ausgeschlossen wurden.
Ab einem gewissen Alter entwickeln viele Leute Marotten oder Vorlieben, die noch aus einer anderen Zeit ihres Lebens zu stammen scheinen. Ich werfe da gerne den ersten Stein auf mich selbst. So habe ich überhaupt keine Ahnung, was es in den letzen Jahren in der Musik Neues gab und es interessiert mich auch nicht sonderlich bis absolut gar nicht. Immer wenn ich etwas höre, denke ich nur: Langweilig. Also höre ich Musik, die irgendwann vor über zehn Jahren und deutlich mehr aufgenommen wurde.
In dem Punkt bin ich also in der Zeit stehengeblieben. Und auch in vielen anderen Lebensbereichen sehe oder treffe ich immer mal Leute, wo man alleine aus der Kleidung oder der Einrichtung schlussfolgern könnte, wie alt sie ungefähr sind. Auch da kann ich mich gar nicht immer ausnehmen. Es gibt Häuser und Wohnungen, die noch aus einem Jahrzehnt des letzten Jahrtausends eingerichtet sind, so selten ist das glaube ich gar nicht. Warum auch nicht?
Und bei manchen Frauen müsste ich den Körper oder das Gesicht gar nicht sehen, um zu wissen, dass sie ihre Jugend in den achtziger Jahren verbracht haben. Diesen typischen Look tragen noch heute manche Frauen zwischen 40 und 50. Blaue Jeansjacke zur blauen Hose, große goldene Creolen, Stufenschnitt, schwarzer Kajal auf der Wasserlinie, irisierende Lippenstifte und Solariumsbräune.
Ich glaube, dass es ab einem bestimmten Alter fast normal ist, wenn man ein wenig in der Zeit stehen bleibt und nicht mehr alle Neuigkeiten mitmacht bzw. alte Gewohnheiten beibehält.
Auch bei mir kann ich verschiedene solche Anzeichen entdecken. Beispielsweise tendiere ich immer noch zu Barzahlung, kaufe nach wie vor überwiegend in normalen Geschäften statt im Internet, kann mich nicht für Tattoos begeistern, buche nicht bei Airbnb, höre noch immer gern CDs, statt Musik zu streamen, und so weiter. Da hinke ich so manchem Trend hinterher und vermisse es nicht einmal.
So extreme Beispiele kenne ich jetzt nicht, aber bei Kleinigkeiten merke ich oft, dass jemand eine neue Entwicklung nicht mitgemacht hat, aus welchen Gründen auch immer.
Nehmen wir zum Beispiel Mode. Man muss gar nicht aussehen wie auf dem Weg zur 80er Party um stehen geblieben zu sein. Die Frauen, die immer noch konsequent skinny Jeans tragen sind auch stehen geblieben, weil sie die weiteren Hosen der letzten zwei, drei Jahre ignoriert haben.
Musik ist auch ein gutes Beispiel. Bei den meisten ist irgendwann die Zeit vorbei, in der sie sich extrem mit Musik beschäftigen. Wenn man dann keinen Mainstream Geschmack hat weiß man irgendwann nicht mehr was gerade angesagt ist und hört in der Regel eher das, was man früher auch schon gut fand.
Man sieht auch bei manchen Leuten sehr gut wann sie ihr Haus eingerichtet haben, weil sie seither nichts geändert haben. Vor Kurzem war ich in einem Haus, das diese Wandaufkleber in fast jedem Raum hatte und ich dachte mir so "die waren doch irgendwann man total modern".
Bei mir selber würde ich sagen, dass ich bei der Technik zumindest etwas hinterher hinke. Ich habe absolut keine Lust mir irgendwas mit Sprachsteuerung ins Haus zu holen. Eigentlich fand ich als Science Fiction Fan die Idee immer toll, dass man mit seinem Computer sprechen kann, aber in der Realität möchte ich nicht dafür bezahlen dass mich Amazon oder Google oder ein anderer Großkonzern abhören. Mit der Zeit gehen würde wahrscheinlich bedeuten, dass mir das egal ist.
oruspu hat geschrieben:Ich würde sagen, dass jemand erst in der Zeit stehen bleibt, wenn er keinen elektrischen Herd besitzt, sondern per Gas.
Wenn ich die Möglichkeit hätte und wenn Geld keine Rolle spielen würde hätte ich auf jeden Fall zusätzlich noch ein Gaskochfeld, weil sich die Hitze da besser regulieren lässt. Auch geil und noch viel anachronistischer wäre übrigens ein Backofen, der mit Holz geheizt wird. Der schafft Temperaturen, die man mit Strom nicht hin bekommt. Super für solche Sachen wie Brot oder Pizza. Den Unterschied schmeckt man wirklich.
Na ja, also wenn jemand noch Skinny Jeans trägt anstatt weiterer Hosen würde ich das nicht als stehen geblieben sehen, weil es sich ja nur um ein paar Jahre handelt und Skinny Jeans auch heute noch sehr weit verbreitet sind. Man muss ja nicht immer den neuesten Trend mitmachen, nur um nicht als veraltet zu gelten.
Ich trage beispielsweise konsequent seit meiner Jugendzeit nur Bootcut-Hosen. Die waren mal Trend, dann wieder nicht, dann wieder doch - diese Schwankungen der Mode muss man ja nicht mitmachen, Mir gefällt es eben und ich bleibe dabei.
Meine Eltern nutzen auch noch einen Gaskochofen, warum denn nicht? Warum soll man den austauschen, wenn er noch funktioniert? Dafür haben sie in anderen Bereichen neue Anschaffungen. Meine Mutter hat jede Menge neumodischer Klein-Küchengeräte.
Ich finde nicht, dass man in der Zeit stehen geblieben ist, wenn man nur eine oder wenige Sachen beibehält, die aus früheren Zeiten stammen. Nur wenn es das Gesamtbild ist, könnte man behaupten, jemand sei stehengeblieben.
Ich finde es offen gesagt ziemlich dämlich und bescheuert, wenn man nur an materiellen Dingen und dem Eigentum einer Person davon ausgeht, dass diese Person in der Zeit stehen geblieben sein muss. Nach der Logik müssten ja gerade die Liebhaber von Antiquitäten total von "vorgestern" sein. Das Eigentum einer Person hat doch gar nichts damit zu tun wie modern diese Person ist. Meiner Ansicht nach kommt es auf die Einstellung an und nicht auf das Eigentum.
Mein Kollege ist nur wenige Jahre älter als ich, hat aber in seiner ganzen Wohnung keine modernen Möbel, sondern alles Antiquitäten. Er hat sogar Gemälde aus der Zeit von Renaissance und Mittelalter bei sich hängen. Auch Schränke und Porzellan von 1700 sind vorhanden. Ist der jetzt auch in der Zeit stehen geblieben oder was? Die Vorlieben eines Menschen haben doch nichts damit zu tun, ob man rückständig oder in der Zeit stehen geblieben ist oder nicht. Wer das denkt, ist in meinen Augen ziemlich oberflächlich.
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