Gefährlich freiverkäufliche Gentests auszuprobieren?

vom 24.02.2020, 13:56 Uhr

Ich wusste gar nicht, dass es frei verkäufliche Gentests gibt. Natürlich ist es interessant zu erfahren, wenn Familienangehörige an bestimmten Krankheiten, wie zum Beispiel Krebs, Diabetes, Herzinfarkt usw. erkranken oder sogar daran gestorben sind. Die Veranlagungen der Krankheiten werden zum Teil auch vererbt und das Nachforschen ist auch wichtig. Ich war immer der Meinung, dass das von Ärzten, wie zum Beispiel ein Humangenetiker in speziellen Zentren durchgeführt wird und nicht von solchen frei verkäuflichen Gentests.

Ich war auch mal bei so einem Test, weil mein Vater und mein Bruder (nie geraucht) im gleichen Alter an einem Herzinfarkt, viel zu früh verstorben sind. Ich glaube man sollte solche sensiblen Untersuchungen von speziell qualifizierten Ärzten durchführen lassen. Man sollte über die Krankheiten die häufig in der Familie aufgetreten sind, seinen Hausarzt informieren, um irgendwelche Vorsorge zu treffen. Bei mir war es damals die Frauenärztin. Was für Gefahren oder Risiken seht ihr denn in solchen freiverkäuflichen Gentests?

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» friedchen » Beiträge: 1313 » Talkpoints: 940,10 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich habe schon häufiger gelesen, dass diese Tests falsche Ergebnisse liefern. Für einen Artikel haben die Journalisten ihr genetisches Material zu verschiedenen Anbietern geschickt und es kamen verschiedene Ergebnisse zurück. Das liegt anscheinend daran, dass man bestimmte Krankheiten gar nicht so einfach über die Gene vorhersagen kann und, dass die Indikatoren, die es gibt, unterschiedlich interpretiert werden.

Man läuft also Gefahr, dass man entweder eine falsche Diagnose bekommt und sich unnötig Sorgen macht oder, dass man eine Diagnose nicht bekommt, obwohl Risikofaktoren vorliegen, die mit den Genen überhaupt nichts zu tun haben. Deine Gene können zum Beispiel kein Risiko für Diabetes Typ 2 zeigen, dein Arzt würde aber sehr wohl ein Risiko sehen wenn du starkes Übergewicht hättest.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ich habe von meinem Sohn zum Geburtstag einmal ein Testkit von 23andMe geschenkt bekommen. Da kann ich mein komplettes Genmaterial online einsehen. Ich weiß nun, wo meine Vorfahren ungefähr herkommen. Ich bin hauptsächlich französisch, deutsch, skandinavisch und ein bisschen osteuropäisch.

Natürlich kann man jetzt fragen, warum man dies wissen sollte. Ich finde es aber aus reinem Wissensdurst interessant. Das Ganze hat nur ungefähr 100 Dollar gekostet.

Mein Sohn hat noch ein bisschen Ashkenazi Jüdisch in seinen Genen. Ich habe mehr Neanderthal in mir als mein Sohn. Auch die Wege, wie meine Vorfahren nach Europa gekommen sind, kann ich nachvollziehen. Neben den aufbereiteten Informationen kann man auch die Rohdaten sehen. Seitenlang sowas: # rsid chromosome position genotype
rs4477212 1 82154 AA
rs3094315 1 752566 AA
rs3131972 1 752721 GG

Damit kann ich natürlich nichts anfangen, trotzdem finde ich es interessant, dass diese Zahlen und Buchstaben mich darstellen.

Ich finde das faszinierend und weiß ehrlich gesagt nicht, warum davor gewarnt wird. Vielleicht, weil man durch Anfälligkeiten für bestimmte Krankheiten in Panik gerät. Aber das heißt ja nicht, dass man diese Krankheiten bekommt. Mein Sohn ist genetisch zum Beispiel prozentual etwas empfänglicher für irgendeine Herzkrankheit. Aber es ist ja gut, dass er das weiß und motiviert ist, etwas Ausdauersport zu machen.

Es ist mein Körper und wenn ich darüber informiert werden möchte, sollte mir das keiner verbieten.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich sehe die "Gefahr", wenn man so will, auch hauptsächlich darin, relativ viel Kohle dafür hinzulegen, dass mir Bullshit erzählt wird. Ich habe nämlich auch schon gehört, dass unterschiedliche Anbieter ganz unterschiedliche Ergebnisse liefern, zumindest was die geografische Herkunft der Interessenten angeht. Dass gerade in den USA, wo jeder zu 1/64 eine Cherokee-Prinzessin ist, oder zu 3/8 irisch, für die Leute interessant ist, zu erfahren, wo ihre Vorfahren vermutlich hergekommen sind, verstehe ich schon.

Aber für mich hierzulande finde ich es eigentlich nicht sonderlich spannend, ob und von welchen durchziehenden Söldnertruppen meine Ahnfrauen ins Heu gezerrt wurden. Wie sonst sollten beispielsweise "französische" Gene zu einer Zeit ins ländliche Süddeutschland gekommen sein, als 98 Prozent der Bevölkerung das ganze Leben nicht übers nächste Dorf hinausgekommen ist?

Ich weiß auch gar nicht, ob sich französische, polnische oder deutsche Gene wirklich wissenschaftlich tragbar voneinander trennen lassen, da Erbgut ja keine Nationalität kennt. Wahrscheinlich wird hier nur mit irgendwelchen Wahrscheinlichkeiten gearbeitet und hieb- und stichfeste Ergebnisse sind sowieso nicht zu erwarten. Das ist mir das Geld nicht wert.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Es ging in der Frage ja um medizinische Tests und nicht um diese Abstammungstests, die anscheinend nicht wirklich wissenschaftlich fundiert sind. Bzw. wenn man nach wissenschaftlichen Kriterien vorgehen würde, würden halt völlig unspektakuläre Ergebnisse herauskommen. Es würde aber niemand dafür bezahlen gesagt zu bekommen, dass seine Abstammung Mitteleuropäisch ist, denn das sieht man selber wenn man in den Spiegel schaut.

Gerbera hat geschrieben:Ich weiß auch gar nicht, ob sich französische, polnische oder deutsche Gene wirklich wissenschaftlich tragbar voneinander trennen lassen, da Erbgut ja keine Nationalität kennt.

Das macht auch schon deshalb keinen Sinn weil die Geographie des Geburtsorts nicht dauerhaft mit der gleichen Nationalität verbunden war. Die Grenzen in Europa sind doch eine Folge von Politik und haben sich in den Jahrhunderten auch entsprechend oft geändert. Ich lebe zum Beispiel in einer Region, die unter Napoleon Teil des französischen Kaiserreichs war. Werden potentielle Vorfahren aus der Zeit dann als Deutsche oder als Franzosen gezählt? Oder habe ich vielleicht eher italienische Gene, bei dem ganzen römischen Zeug, das hier herum steht?

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Die Analyse ist sehr umfangreich. Deutsch und Französisch ist nicht getrennt. So sieht das bei mir aus:

European 99.9%
Northwestern European 84.5%
French & German 61.5% British & Irish 5.9%
Scandinavian 3.0%
Broadly Northwestern European 14.1%
Southern European 5.3%
Spanish & Portuguese 1.2% Italian 0.2% Broadly Southern European 3.9% Eastern European 4.9% Broadly European 5.2% Unassigned 0.1% Maternal Haplogroup J1c1 More Neanderthal variants than 90% of customers

Gesundheitsanalyse ist auch dabei. Damals hatte das 99 Dollar gekostet. Jetzt kostet es wohl mit Gesundheitsanalyse 199 Dollar. Ich finde das nicht zu teuer für die Informationen, die man bekommt. Das sieht dann so aus, nur ein sehr kleiner Ausschnitt:
Name Confidence Your Risk Average Risk Compared to Average
Type 2 Diabetes 14.5% 20.7% 0.70x
Age-related Macular Degeneration 4.8% 7.0% 0.68x
Alzheimer's Disease 4.3% 7.1% 0.60x und zig Seiten mehr.

Dazu ausführlichste Erklärungen und auch Warnungen.

Die Auswertung ist wirklich sehr umfangreich. Es wird natürlich auch mit Wahrscheinlichkeiten gearbeitet. Ich habe zum Beispiel rote Haare. Die Wahrscheinlichkeit bei meinen Genen beträgt 80 % und Indizien dafür sind bestimmte Marker auf dem Gen MC1R. Das ist einfach interessant, wenn auch nicht lebenswichtig, dass zu wissen.

Es werden auch permanent neue Erkenntnisse eingepflegt, zur Zeit zu Corona. Natürlich ist man auch Forschungsobjekt, aber das stört mich nicht. Wenn ich der Wissenschaft damit helfen kann ...

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


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