Geburten im Nachhinein verklären oder verharmlosen

vom 21.11.2018, 14:07 Uhr

Ich habe meine erste Geburt als äußerst brutal empfunden. Ich hatte das nicht erwartet, weil ich hauptsächlich Erzählungen kannte, die die Geburt als tollstes Erlebnis im Leben einer Frau beschreiben. Werden Geburten im Nachhinein oft verklärt oder verharmlost? Ich glaube ja, dass es Frauen gibt, denen eine Geburt leicht fällt. Aber ist das der Normalfall und war ich die Ausnahme mit Saugglocke und Dammriss? Die nächsten Geburten fanden zwar ohne Saugglocke statt, brutal waren sie aber trotzdem.

» anlupa » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Leichte Geburten, bei denen das Baby quasi in Windeseile als schmerzlose Sturzgeburt rausgepresst wird, gibt es natürlich. Aber das ist doch eher die Ausnahme. Ich glaube nämlich schon, dass es in unserer Gesellschaft im Leben von Frauen noch ganz große Verklärungen und Idealisierungen gibt. Das sind neben Hochzeit und Ehe die Familie und die eigenen Kinder und da ganz vorne die Schwangerschaft und Geburt.

Traumatisierung durch die Geburt des Kindes ist immer noch ein Tabu und kaum jemand redet darüber. Dabei gibt es das meiner Ansicht nach sehr viel häufiger als man denkt. Eine meiner Freundinnen war so traumatisiert von einer ansonsten medizinisch unproblematischen Geburt, dass sie Jahre später bei einer neuen Schwangerschaft sofort zur Abtreibung ging. Da ich bekanntermaßen nie Kinder wollte, waren die Frauen in meinem Umfeld mir gegenüber auch alle sehr offen in ihren Erzählungen.

Wörtlich hieß es da einmal, mir könne man es ja erzählen, weil ich da niemals durch muss. Eine total harmlose Geschichte, die man bei der Kaffeetafel erzählt, weil es alles so fluffig war, gab es darunter nicht. Ich glaube aber schon, dass man das auch halbwegs verdrängen kann, gerade, wenn man noch weitere Kinder will.

» Verbena » Beiträge: 4964 » Talkpoints: 2,63 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Ich habe die komplette Schwangerschaft über Horrorgeschichten gehört, was alles so passieren kann und was in meinem Umfeld so passiert ist. Da hatte ich letztendlich richtig Angst und wollte dann auch lieber einen Kaiserschnitt, den ich dann auch aufgrund anderer medizinischer Probleme bekommen habe. Ich hatte also 2 Kaiserschnitte, habe mich selber vorher intensiv belesen und wusste was auf mich zukommt. Beim ersten Mal war ich klar etwas aufgeregt, immerhin hatte ich noch nie eine Operation, aber beim zweiten Kaiserschnitt war ich super entspannt.

Würde mich nun jemand fragen, würde ich da aber auch nichts verharmlosen. Ich hatte Schmerzen und musste Medikamente nehmen, allerdings war das bei mir auch nicht so lange. Es gibt Frauen, die da deutlich geschwächter danach sind, wie mir erzählt wurde. Ich würde das aber schon ehrlich sagen, wie es war. Mag sein, dass viele Frauen dann auch zu viele positive Hormone bekommen nach der Geburt und das deswegen dann nicht mehr als so schlimm empfinden.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich kann die Frage auch nur in der Theorie beantworten, aber wahrscheinlich gäbe es nicht so viele von uns, wenn die Natur nicht dafür sorgen würde, dass die Details des aktiven Kinderkriegens nicht allzu deutlich im Gedächtnis bleiben, solange sie nicht absolut traumatisch waren. Meines Wissens werden ja bei dem ganzen Vorgang auch alle möglichen Hormone ausgeschüttet, die sicher auch dazu beitragen, dass das Ganze zumindest rückblickend betrachtet etwas weniger grauenhaft erscheint.

Dazu kommen dann noch die gesellschaftlichen Konventionen und in meinen Augen auch ein gewisser Gruppenzwang. Wenn andere Mütter überzeugend so tun, als wäre die Geburt ihrer Kinder ein Spaziergang gewesen, bei denen sie nicht einmal hässliche Grimassen gezogen haben, fällt es vielen Frauen schwer zuzugeben, dass sie nicht bei Schmusemusik und gedämpftem Licht ein transzendentes Erlebnis hatten, sondern auf den Behandlungstisch gekackt oder ähnliches.

Und gerade in geselliger Runde ist es auch gerne gesehen, wenn man bei medizinischen Vorgängen aller Art (Geburten eingeschlossen) eher nicht bis auf den letzten Blutklumpen ins Detail geht und auch Fotos erst herumzeigt, wenn alle Beteiligten zumindest nicht mehr mit frischen Körperflüssigkeiten beschmiert sind. So kann ich mir schon vorstellen, dass die öffentliche Darstellung von Geburten eher weichgespült daherkommt.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich kann nun nicht behaupten, dass Mütter in meinem Umfeld von einfachen Geburten, die ein Spaziergang waren, berichtet hätten. Sicher, eine Freundin berichtete beim zweiten Kind begeistert, dass es nur so flutschte. Aber man muss das im Kontext sehen. Mit dem ersten hatte sie 36 Stunden die Hölle im Kreißsaal. Die hat zwei Jahre gebraucht, sich an Nummer 2 zu wagen, obwohl sie eine große Familie gewünscht hat.

Ich hatte dagegen total unkomplizierte Geburten. Das ist kein Wunder, wenn man immer eine bis zum Schluss aufrechterhaltene PDA hat, es keine Komplikationen gibt, drei Presswehen reichen und nichts reißt. Und ich kann nicht behaupten, dass ich so gar keine Ahnung von dem hatte, was kommen könnte. Ich fand den Vorschlag der Uniklinik, nicht den Kaiserschnitt zu machen, den alle Kliniken in der näheren Umgebung wollten, super.

Denn einen Bauchschnitt fand ich nun auch risikoreich und hinderlich. Aber die Idee, die von den Ärzten erwarteten Komplikationen mit einer PDA zu vermeiden und notfalls in Minuten im OP zu sein, das hatte was. Keine Operation und keine Schmerzen, das ist doch ein Angebot. :D

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Die Geburt meiner Kinder war zwar am Ende auch ein Kaiserschnitt. Aber vorher war ich auch um die 8 Stunden mit Wehen im Kreißsaal. Diese Schmerzen war aber lange nicht so schlimm, wie vor 4 Jahren bei meinem Bandscheibenvorfall, der dann als Notoperation endete.

Deswegen würde ich aber nicht behaupten, dass Mütter allgemein die Geburt verharmlosen. Eine frühere Bekannte hatte auch einen Dammriss und hat einfach nur sachlich darüber berichtet. Auch andere Mütter haben da nichts verharmlost. Nur in einer Sache sind sich wohl fast alle Mütter einig. Man ist froh, wenn es vorbei ist und man sein Kind gesund im Arm halten kann.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


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