Für welchen Personenkreis wäre Klarnamenpflicht ein Problem?
Die Klarnamenpflicht im Internet ist aktuell ja wieder ein Thema. Speziell um gegen Hass und Hetze im Netz vorzugehen wärmt Bundestagspräsident Schäuble den alten Vorschlag der Klarnamenpflicht im Netz wieder auf. Jeder solle nur unter seinem echten Namen in den sozialen Netzwerken auftreten. Teilweise wurde diese Klarnamenpflicht ja auch schon halbherzig von diversen Plattformen wie z.B. Facebook umgesetzt.
Ich frage mich nun was eigentlich wirklich dagegen sprechen würde. Für wen eine solche Klarnamenpflicht tatsächlich ein Problem wäre. Ein Personenkreis der mir dabei einfallen würde wären eventuell Prominente. Ich könnte mir durchaus vorstellen dass manche Prominente unter Pseudonymen im Netz unterwegs sind weil sie dadurch wenigstens ein Stück weit Anonymität erfahren und sie sich so auch ein Stück weit wie ein ganz "normaler" Bürger fühlen können. Sie können so in Netzwerken anonym Fragen stellen und Meinungen kund tun die sie als Prominenter in der Öffentlichkeit nie stellen bzw. äußern könnten. In der Realität werden sie ja teilweise auf Schritt und Tritt verfolgt und können oft schon nicht mal unbemerkt einkaufen gehen.
Was denkt ihr für wen so eine Klarnamenpflicht tatsächlich ein Problem wäre? Was haltet ihr von der Forderung des Herrn Schäuble?
Ich denke, dass die Klarnamenpflicht für jeden zum Problem werden könnte. Schaut man sich den Umgang im Internet an, dann hätte ich in manchen Netzwerken echt Angst mit meinem Klarnamen Kritik zu üben. Wenn man zum Beispiel einen seltenen Nachnamen hat, ist man oftmals auch deutlich einfacher zurückzuverfolgen. Wenn ich mir anschaue, dass man beim Bürgeramt für wenig Geld schon Adressen bekommt, dann will ich gar nicht wissen, wie das mit Internetstalking aussehen kann.
Es geht ja nicht nur um die Prominenz, die sich schützen sollte. Spricht man als Bürger mal eine nicht so populäre Meinung aus, damit meine ich weder rassistisches Gedankengut oder kriminelle Gedanken, sondern eher so Dinge wie "Ich mag den Frühchen-Welttag einfach nicht, weil ich ihn für unsinnig halte", dann wird man ja schon regelrecht zerfetzt und niedergemacht. Und wenn man unter Klarnamen schreibt, haben es manche Idioten noch leichter einen zu finden und vielleicht sogar eine Straftat zu begehen, nur weil eine Meinung nicht passt.
Ich wurde leider auch lange gestalkt und ich bin durchaus gegen eine Klarnamenpflicht in sozialen Netzwerken oder zumindest gegen eine Anzeige des Klarnamens, wenn man es nicht wünscht. Ich bin in einigen Foren angemeldet, in denen ich meinen Klarnamen hinterlegen musste, aber kann unter einem Pseudonym posten. Das finde ich nicht schlecht und es schützt mich auch irgendwie.
Man muss doch nicht prominent sein um keine Lust zu haben mit seinem vollen Namen im Internet zu stehen. Hättest du zum Beispiel Lust im Internet gestalkt zu werden? Hättest du Lust dich von sämtlichen sozialen Netzwerken zurück zu ziehen und dich nie wieder irgendwo zu äußern wenn du einen eifersüchtigen Ex-Partner hättest?
Und was ist mit den Menschen, die ihren Namen, so wie er im Ausweis steht, einfach nicht (mehr) verwende wollen? Vielleicht weil sie transgender sind und der Vorname nicht zum Geschlecht passt? Oder weil sie aus einer schlechten Ehe kommen und noch nicht geschieden sind? Oder weil die Eltern dachten, dass Matt-Eagle ein passender Vorname sei?
Und dann wären da natürlich noch die Kriminellen, die aus deinem Namen und deinen Aktivitäten eventuell auf deinen Wohnort schließen können und wenn dann auf deinem Instagram Profil Urlaubsbilder auftauchen ist klar, wo man gefahrlos einbrechen kann.
Cloudy24 hat geschrieben:Man muss doch nicht prominent sein um keine Lust zu haben mit seinem vollen Namen im Internet zu stehen. Hättest du zum Beispiel Lust im Internet gestalkt zu werden? Hättest du Lust dich von sämtlichen sozialen Netzwerken zurück zu ziehen und dich nie wieder irgendwo zu äußern wenn du einen eifersüchtigen Ex-Partner hättest?
Also ich stehe bereits mit vollem Namen im Internet - nämlich auf Facebook. Da gab es nämlich mal die "Anweisung" seinen Klarnamen zu verwenden und das habe ich so umgesetzt. Das ist schon seit Jahren so und ich habe damit keine Probleme. Allerdings schreibe und mache ich da auch nichts was mir negativ ausgelegt werden kann oder stelle fragen. Personen die mich "stören" habe ich blockiert. Dafür finden mich auch alle Personen die mich finden sollen wie z.B. alte Jugendbekanntschaften.
Ich habe bei Facebook ein Profil mit Klarnamen und eins mit Pseudonym, welches nur für Spiele vorgesehen ist. Aber wenn man jetzt in jedem Forum, auf jeder Webseite mit Klarnamen posten müsste, fände ich es sehr unangenehm. Ich wurde wegen meiner Meinung nämlich auch schon ganz übel angegangen, weil ich über eine Sache nicht wie manch Anderer dachte. Das hat sich teilweise richtig hochgeschaukelt mit Bedrohung und Ähnlichem. Und es war eine absolut harmlose Sache; es ging um Gewürze. Wenn sich sowas schon so hochschaukelt, dann finde ich die Klarnamenpflicht echt nicht gut. Meinen Namen gibt es zum Beispiel nur 5-mal in Deutschland.
Im Rahmen von Cyberkriminalität kann die Staatsanwaltschaft doch über den Provider herausfinden, welche Person die Straftat vielleicht begangen hat. Das Gleiche gilt für Cybermobbing. Außerdem kann ich mir auch vorstellen, dass potentielle Straftäter im Rahmen der Klarnamenpflicht einfach den Namen einer anderen Person registrieren.
Ich persönlich habe jedoch keine Lust immer nur die Klappe zu halten, wenn mir ein Thema gegen den Strich geht. Hätte ich nicht schon die Erfahrung mit Stalking oder Ähnlichem gemacht, würde ich es durchaus auch mit Klarnamen posten. Hätte ich keinen sehr seltenen Nachnamen, wäre ich auch damit einverstanden. Aber ich heiße nun einmal nicht Lieschen Müller und habe einen sehr ungewöhnlichen Namen und finde es von daher schon sehr gefährlich. Trotzdem möchte ich mich aus den sozialen Medien nicht zurückziehen.
Würde die Klarnamenpflicht sich in Zukunft auch auf Foren wie dieses auswirken, dann würde ich meine Forenaktivitäten komplett einstellen. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass man sich durchaus auch feindselige Reaktionen einhandeln kann, wenn man sich gesellschaftspolitisch so äußert, dass das manchen politischen Strömungen nicht gefällt. Solange ich anonym bleiben kann, muss ich keine konkrete Gefährdung befürchten, aber wenn mein Name allgemein bekannt wäre, hätte ich Befürchtungen, früher oder später mit einem Shitstorm konfrontiert zu werden. Problematisch wäre das auch deshalb, weil meine Vor- und Nachnamen-Kombination nicht allzu häufig ist.
Wurde einmal von meinem Chef angesprochen, wie der Laden meines Namensvetters so laufen würde. War dann schon erstaunt, woher er das wusste. Also hat er im Internet nach meinem Namen gesucht. Das hat er auch zugegeben. Ich frage mich, was er alles noch über mich herausgefunden hat. Seit der Zeit bin ich lieber im Internet mit Pseudonym unterwegs.
Allein die Möglichkeit, für alles und jedes, was man einmal vielleicht auch in völlig anderem Sinnzusammenhang spontan in Foren und so weiter geäußert haben mag, in ferner Zukunft "auf's Butterbrot geschmiert" zu bekommen, auch, wenn sich zwischenzeitlich der Wissens- und Kenntnisstand geändert haben sollte, rechtfertigte die Begründung, hier entsprechende Vorsicht walten zu lassen.
Am Anfang war das Internet ja so eine Art Spielwiese für alles und jedes. So etwas wie der CB-Funk damals. Auch hier gab es im Vorfeld Warnungen von Politikern, dem Bürger eine Plattform der unmoderierten Meinungsäußerung zu bieten. Die Zulassungen wurden dann hauptsächlich auch auf Druck der Geräteherstellerlobby erleichtert. Wäre es nur nach den Bedenkenträgern in der Politik gegangen, wäre es niemals dazu gekommen. Die Meinungsbildung sollte ausschließlich auf Zeitung, Rundfunk und Fernsehen basieren.
Eine "Frei-Schnauze-Spontanmeinungsäußerung" für jedermann sollte im Keime erstickt werden. Ja, auch gerade in Westdeutschland damals. Man würde nur Verbrecher bei der Planung, Absprache und Durchführung ihrer kriminellen Tätigkeiten unterstützen, wenn man Funkfrequenzen für den Sprechfunk für jedermann ohne Prüfung zuweisen würde.
Was damals in Zusammenhang mit dem CB-Funk galt, der ja mittlerweile schon jahrelang tot ist, scheint heute in Bezug auf die moderneren Telekommuniukationsmöglichkeiten wieder aufzuleben. Würde nun jeder, der in Internetforen unterwegs ist, zur vollen Namens- und Adressenangabe oder sogar Telefonnummer gezwungen, würde er dafür nicht nur mit Werbepost überquellendem Briefkasten, sondern auch nächtlichen Werbeanrufen "belohnt".
Die Absicht, die Herrn Schäuble vorschwebt ist ja dabei nicht, eine Elite von Meinungsbildnern heranzuzüchten, die sich durch Eloquenz und Beschlagenheit in Tagesfragen als gestandene Seppelhosenträger mit vollem Namen vor anderen protzend, selbstherrlich präsentieren sollen, indem er alle anderen worttot macht, sondern kriminellen Machenschaften einen Riegel vorzuschieben.
Dabei ist der Zug schon lange abgefahren. Ist Herr Schäuble wirklich so uninformiert, oder spiegelt er nur aus taktischen Gründen eine derartige Unkenntnis vor, dass er nicht weiß, dass heute im Dunkelnetz eine Kommunikation nicht nur möglich, sondern von Informanten des eigenen Staates selbst voll ausgenutzt wird. Als Alibiveranstaltung wird dann das "normale" Internet zum Schein verklarnamt.
EngelmitHerz hat geschrieben:Personen die mich "stören" habe ich blockiert.
Und wie würdest du einen Stalker blockieren, der im Internet überhaupt nicht mit dir interagiert? Glaubst du, dass jemand, der zum Beispiel auskundschaften will, wann du nicht zu Hause bist, das auf deinem Facebook Profil verkündet? Und was würde das blockieren bei Facebook überhaupt bringen, wenn man deine Aktivitäten über sämtliche soziale Medien, Foren und so weiter hinweg verfolgen könnte?
Ich denke, dass Resultat wäre sehr gemischt. Verschiedene unerwünschte Kommentare könnte man unterbinden. Allerdings könnten so auch die türkischen Behörden noch einfacher Abweichler verfolgen. Andere ausländische Behörden oder Kriminelle würden sich sicher auch über diese Daten brauchen. Meiner Ansicht nach sollte Herr Schäuble sich erst mal selber ein Facebookkonto zulegen, bevor er anderen etwas darüber erzählen will.
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