Für gutes Benehmen heute App als Hilfe benötigen?

vom 18.12.2017, 07:44 Uhr

Ich habe kürzlich von einer neuen App gelesen, die in Japan auf dem Markt gekommen ist. Diese App ist für Schwangere gedacht, die in einer vollen U-Bahn einen Sitzplatz benötigen, sich aber nicht trauen, Fahrgäste anzusprechen. Man registriert sich also als Schwangere aber auch als normaler Fahrgast in dieser App, wenn man seinen Sitzplatz zur Verfügung stellen wollen würde. Wenn eine Schwangere dann die volle U-Bahn betritt, kann sie sich den Sitzplatz anzeigen lassen und ihn direkt ansteuern.

Ich kann verstehen, dass manche U-Bahnen besonders voll sind. Gerade in Tokio sollen täglich fast 8 Millionen Fahrgäste die U-Bahn nutzen. Dass da nicht immer ein Sitzplatz vorhanden ist und man manchmal stehen muss, sollte logisch sein. Aber ist eine App wirklich notwendig, um einer Schwangeren einen Sitzplatz zu verschaffen? Die App ist noch nicht für den deutschen Markt geplant. Meint ihr, dass so eine App auch hier notwendig wäre? Kann man unsere Kultur und Mentalität mit der japanischen vergleichen?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Dir ist schon klar, dass in Tokio extra Mitarbeiter auf dem Bahnsteig stehen, die die Fahrgäste in die Bahn schieben? Wenn du nicht vorab weißt, wo ein freier Platz sein könnte, kommst du da nicht mehr hin. Denn es ist so voll, dass du nicht zwischen den Menschen durchkommen kannst.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Angesichts der Tatsache, dass es bei uns ebenso wie in Japan kaum noch Schwangere gibt, kann ich hier durchaus Parallelen erkennen. Aber davon abgesehen, halte ich es nicht für "gutes Benehmen", einer schwangeren Frau automatisch einen Sitzplatz anzubieten. Bevor jetzt jedoch alle über mich herfallen, ein Wort der Erklärung: :wink: Wenn die Dame quasi drei Tage vor der Niederkunft ebenso breit wie hoch schwer atmend versucht, das Gleichgewicht zu halten, bin ich natürlich die Erste, die aufspringt, und ich fahre auch oft genug Bus und Bahn, um immer wieder beobachten zu können, wie auch andere Mitreisende brav ihre Plätze anbieten. Ich finde also mitnichten, dass "gutes Benehmen" zumindest hierzulande so selten geworden ist wie oft beklagt.

Aber Schwangerschaft ist ja erstens nicht gleichbedeutend mit einer Riesenbeule, die auf 500 Meter allen Mitmenschen signalisiert, dass man sich gerade in einem fragilen Zustand befindet, und zweitens gibt es auch viele Schwangere, denen man ihre "anderen Umstände" zwar durchaus ansieht, die jedoch topfit sind und gerade vom Sport kommen. Woher sollen Mitreisende also wissen, ob eine Frau tatsächlich schwanger ist und tatsächlich einen Sitzplatz benötigt, wenn die Gute vielleicht im vierten Monat ist, eine Winterjacke anhat und/oder den Mund nicht aufbekommt, um höflich zu fragen, ob sie sich vielleicht setzen darf?

Dazu kommt noch, dass ich auch nicht weiß, wie die japanische Kultur mit Schwangerschaften umgeht. Vielleicht ist es ja so, dass man die "Umstände" schamhaft verschweigt und es bei denen drüben eher als "schlechtes Benehmen" gilt, wenn man zu einem Fremden sagt: "Ich bräuchte den Sitzplatz, ich bin schwanger!" Und da die Japaner zumindest nach den gängigen Klischees recht technik-affin sind, kann man so diese eventuell kulturell bedingte Peinlichkeit umgehen, und es ist allen geholfen. Ich sehe hier also weniger ein moralisches Urteil gegenüber Leuten, die Schwangere nicht in Watte packen, sondern eher eine besondere Form der Sitzplatzreservierung. Und dass man die gerade im Tokioter Stadtverkehr gut brauchen kann, glaube ich gerne.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



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