Für Erkrankung schämen und deswegen nicht zum Arzt gehen?
Ich habe vor kurzem von einem Fall gehört, bei dem eine junge Frau unter Wurmbefall litt. Sie schrieb, dass sie schon seit einem Jahr unter Würmern leiden würde und auch schon alles möglichen Hausmittel ausprobiert hätte. Dazu gehören wohl Möhren und auch Knoblauch. Aber bisher wäre sie die lästigen Parasiten nicht los geworden.
Es wäre immer mal so, dass es weniger würde, aber dann auch wieder mehr. Ihr wäre es einfach zu peinlich, damit zu einem Arzt zu gehen. Ich dachte irgendwie, dass ich nicht richtig lese, als ich das sah. Klar, ist es nicht schön, wegen Würmern zum Arzt zu gehen, aber doch notwendig. Immerhin können die Würmer auch erhebliche Schäden im Körper anrichten, wenn sie lange genug dafür Zeit haben.
Auch höre ich häufiger, dass sich Menschen schämen, wenn sie etwas mit dem Po haben. Hämorrhoiden zum Beispiel sind ja recht verbreitet und trotzdem schämen sich viele zu sehr, um damit eben zum Arzt zu gehen. Ich finde es auch bei manchen Dingen sicher nicht schön, wenn ich damit zum Arzt müsste. Aber am Ende ist mir meine Gesundheit doch wichtiger und ich würde über meinen Schatten springen und zum Arzt gehen. Ob es peinlich ist oder nicht, aber ich möchte doch gesund sein.
Könnt ihr verstehen, dass man aus Scham oder weil einem etwas peinlich ist, nicht zum Arzt zu gehen? Hättet ihr da nicht mehr Angst, dass es schlimm sein könnte, als Scham?
Also ein Jahr würde ich mich sicherlich nicht mit etwas rumschlagen. Aber ich kann schon verstehen, dass man es erst mal daheim für sich versucht zu bekämpfen. Das habe ich auch schon getan. Im Internet kann man ja auch viel finden und lange suchen. Wenn es peinlich ist, rennt man eben nicht sofort zum Arzt. Aber sobald ich Schmerzen oder irgendwelche Nebenwirkungen hätte, würde ich zähneknirschend gehen.
Aber grundsätzlich kann ich das schon verstehen. Würmer bereiten im Allgemeinen auch keine Schmerzen. Wenn es mal besser, mal schlechter wird, hat man immer Hoffnung, dass es noch besser wird. Allerdings fände ich es ziemlich eklig, Würmer in meinem Körper zu haben.
Mal ganz abgesehen davon, dass man sich in tropischen Ländern wirklich schnell Würmer einfängt und das für mich definitiv nicht superpeinlich ist. Da gibt es wesentlich peinlichere Dinge. Da erfolgt doch auch keine unangenehme Untersuchung. Man muss bestimmt eine Stuhlprobe abgeben, aber das geht schon noch.
Verstehen kann ich es schon irgendwie, dass es einem bei manchen Beschwerden peinlich ist, einen Arzt aufzusuchen, vor allem wenn man vielleicht noch zu einem Facharzt muss, den man nicht kennt und zu dem man eben auch noch kein Vertrauensverhältnis aufgebaut hat. Aber trotzdem finde ich es schon etwas verantwortungslos, dann so lange selber zu probieren, die Würmer loszuwerden, statt sich einmal Tabletten verordnen zu lassen und dann Ruhe zu haben.
Vor allem sind die Tabletten gegen Würmer so weit ich weiß nicht mal verschreibungspflichtig. Man bekommt sie eigentlich sogar so in der Apotheke. Zumindest hat mir das eine Bekannte erzählt, die sich die Würmer über ihren Hund eingefangen hat.
Und bei Würmern verstehe ich echt nicht, warum man sich da so schämt. Über Haustiere oder über Kinder, die viel mit anderen Kindern zusammen kommen können sich auch die pingeligsten Menschen Parasiten zuziehen, ob das nun Würmer oder Flöhe oder Läuse sind. Peinlich muss einem das nicht sein, auch wenn solche Themen heute sehr mit Tabus behaftet sind, sobald sie den Menschen betreffen. Bei Haustieren mit Parasitenbefall können die Menschen komischerweise völlig ohne Hemmungen zum Tierarzt gehen und darüber reden. So richtig nachvollziehbar finde ich das nicht.
Trüffelsucher, diese Unbefangenheit ändert sich aber sofort, wenn nicht die Tiere, sondern die Menschen betroffen sind. Beim Tierarzt tauchen ziemlich regelmäßig sehr peinlich berührte, unter Scham drucksende Menschen auf und haben große Schwierigkeiten, ihr Problem zu schildern.
Das sind dann die Menschen, die ein Tier für Freunde gepflegt haben, und nun Flöhe oder Vorratsschädlinge in der Wohnung haben, weil das Tier oder sein Futter Mitbewohner hatte. Tiere und Parasiten gehören für Menschen zusammen. Sind die Tiere wieder weg und die Schädlinge noch da, finden sie es hochnotpeinlich.
Ich kenne jemanden, der Fußpilz hat und sich auch nicht traut, damit zum Arzt zu gehen und es behandeln zu lassen. Er sagt, Fußpilz sei ein Zeichen für mangelnde Hygiene und er möchte sich vor seinem Arzt nicht eingestehen müssen, dass er sich zu wenig pflegt. Es ist ihm peinlich, sodass er sich keinem Arzt oder Apotheker anvertraut.
Ich habe ihm geraten, doch eine Apotheke oder einen Arzt aufzusuchen, der weiter entfernt ist, sodass seine Anonymität auf diese Weise schon etwas gewährt ist. Denn diesen Arzt oder Apotheker würde er dann nur dieses eine Mal sehen und dann fällt es ihm vielleicht leichter, sich diesem anzuvertrauen. Aber er lehnt strikt ab. Ich weiß da auch nicht mehr, was ich machen soll oder wie ich ihm helfen kann. Man kann schließlich niemanden helfen, der keine Hilfe benötigt oder sie abwehrt.
Jeder ist seines Glückes Schmied und muss selber wissen, was er tut. Aber ob man das nun verstehen muss, ist eine vollkommen andere Sache. Man kann sich ja ruhig schämen, das ist eine vollkommen natürliche Sache. Aber erstens ist ein Arzt immer zum Schweigen verpflichtet, und zweitens ist mir noch nie im Leben ein Arzt begegnet, der sich ein moralisches Urteil über eine Krankheit erlaubt hat. Und letztendlich macht er einen ja im besten Fall gesund. Aber wie gesagt, wenn das einer nicht will, wenn er abwägt, dass die eigene Scham wichtiger ist, als seine Gesundheit, dann ist es in Ordnung, wenn er ansonsten Niemanden damit schadet.
Aber nicht, wenn er eine Verantwortung trägt. Was ist, wenn man eine Geschlechtskrankheit hat? Sicher auch ein Grund zur Scham. Aber dann nicht zum Arzt? Kann man ja so entscheiden, aber dann darf man auch keinen Sex mehr haben, denn das wäre ja grob fahrlässig. Oder angenommen man ist diese Frau mit dem Wurmbefall. Darf sie sich leisten nicht zum Arzt zu gehen? Was ist mit Krankheitsausfällen, die ihre Arbeitskollegen mittragen müssen, weil sie sich schämt? Oder was ist, wenn sie Kinder hat? Ist es zumutbar, wenn ihre Angehörigen leiden, weil sie zu feige ist zum Arzt zu gehen? Ich denke bei diesen Dingen hört der Spaß auf.
Manche haben halt andere Hemmschwellen und gehen nicht wegen jedem kleinen Dreck direkt zum Arzt sondern probieren erst einmal herum. Wenn das ganze nicht besser wird und man über Monate versucht hat, dann muss man auch diese Geschichte noch mit dazu erzählen und dann wird es nicht einfacher und daher baut man sich auch noch selbst weitere Scheu auf wenn es mit dem Selbstversuchen nicht besser wird.
Ich komme aus dem medizinischen Bereich und sehe daher einiges anders. Mir ist es komplett egal, ob Herr Müller nun eine Geschlechtskrankheit hat und auch seine Story dahinter habe ich in 5 Minuten wieder vergessen. Ein Arzt sieht das auch Professionell und macht sich darüber keine weiteren Gedanken sondern macht das, wofür er ausgebildet worden ist. Daher mache ich mir darum auch keinen Kopf und gehe zum Arzt mit Fußpilz und anderen Dingen, die manche schon als peinlich finden und sich dafür schämen würden.
Natürlich ist es unangenehm, wenn man mit solchen Sachen zum Arzt muss, aber dieser sieht das doch nicht wie ein Nachbar, dem man das erzählt, sondern sieht das Ganze aus einer professionellen abgeklärten Sicht. Deswegen lohnt es sich nicht sich darüber Gedanken zu machen, was irgendwer deswegen von einem denken könnte. Man muss einfach hingehen, wenn man etwas hat. Es wird ja auch nicht besser, wenn man sich selber versucht.
Etwas peinlich finde ich höchstens Dinge, die ich selber verursacht habe wenn ich es eigentlich besser wissen müsste. Klassisches Beispiel sind Sportverletzungen, weil man meint, dass man auf ordentliches Aufwärmen oder Dehnübungen zum Abkühlen schon mal verzichten kann oder, dass die schwarze Piste doch total machbar aussieht.
In allen anderen Fällen wüsste ich nicht, für was ich mich da genau schämen sollte und die Chance, dass ich mit irgendwas ankommen, dass ein Arzt noch nie zuvor gesehen hat ist eh extrem gering. Wenn ich zur Tür raus bin hat der mich schon wieder vergessen und ist schon mit der Akte des nächsten Patienten beschäftigt.
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