Froh einmal arm gewesen zu sein?

vom 04.01.2018, 19:15 Uhr

In einem anderen Thread ging es darum, wie es ist, wenn man über seine Verhältnisse lebt und sei dies nur als einmalige Sache. Im Zuge dessen bin ich auf den Gedanken gekommen, eigentlich froh zu sein, in einem Elternhaus aufgewachsen zu sein, wo ich materiell jetzt nicht über die Maßen verwöhnt wurde und auch zu wissen, wie es ist, wenn man als armer Student lebt und wirklich absolut gar kein Geld hat.

Natürlich hatte das aus damaliger Sicht einfach nur Nachteile, vor allem, wenn man gesehen hat, dass andere ein Auto finanziert bekommen, in den Skiurlaub fahren, ständig die neueste Kleidung tragen und sich generell keine Sorgen über die nächste fällige und teure Bücherrechnung machen zu müssen. Das waren dann oft aber auch die Leute, die später keinen sonderlich tollen Job bekamen und teilweise immer noch Unterstützung von den Eltern genossen, weil sie überhaupt nicht mit Geld umgehen konnten. Es gab Leute und Kreise, die es einfach gewohnt waren, dass die Eltern das überzogene Girokonto schon ausgleichen werden.

Wenn ich mein Konto überzogen hätte, dann hätte ich schon immer ganz alleine dafür gerade stehen müssen und meine Eltern hätten keine Mark übrig gehabt, mich da irgendwie rauszuhauen. Aus heutiger Sicht hat das aber auch Vorteile, denn ich habe aus dem Ganzen viel und vor allem den richtigen Umgang mit Geld und Finanzen gelernt und weiß, dass ich da vermutlich nicht auf die Nase fallen werde.

Wart ihr schon einmal arm oder zumindest annähernd finanzschwach? Denkt ihr eher mit Schrecken daran zurück oder seid froh über diese Lektion fürs Leben? Oder wart ihr schon arm und es hat euch gar nichts gebracht und die Organisation der Finanzen fällt euch immer noch schwer?

» Verbena » Beiträge: 4943 » Talkpoints: 1,99 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Ich selbst habe die Erfahrung noch nicht machen müssen, dass für das Notwendigste kein Geld übrig war. Wir leben zwar an sich gut, es gibt dennoch Monate wo es mal hier und da höhere ungeplante Ausgaben gibt, die unser Budget dann schon ziemlich in Mitleidenschaft ziehen. Dann heißt es eben in den nächsten Monaten wieder richtig sparen, damit wieder ein gewisser Notgroschen vorhanden ist.

Bei uns ist es eher so gerade, dass jeder Cent in die Fertigstellung des Hauses gesteckt wird. Von dem her können wir, wenn wir bald fertig werden wollen, nicht sehr viel mehr über unsere Verhältnisse leben. Jedes Wochenende weg gehen, Ausflüge oder gar ein Urlaub sind deshalb momentan wirklich nicht drinnen.

Auf jeden Fall bekommt man ein viel besseres Gespür für seine Ausgaben, wenn man die zur Verfügung stehenden Mittel genau in den Augen behalten muss. Wäre immer Geld ohne Ende vorhanden, oder Eltern, die jedes Loch in der Haushaltskasse stopfen, dann würde man nie lernen müssen mit dem Einkommen auszukommen.

Ich finde es wichtig einen gesunden Bezug zu Geld zu haben. Leider fehlt das heutzutage vielen Menschen. Lernt ein junger Mensch den Umgang mit Geld nicht, dann wird er ein Leben lang Probleme damit haben und kann ziemlich schnell in eine Schuldenfalle tappen, die sich gewaschen hat.

Vor allem kann man schnell den Überblick durch Kreditkarte und Co verlieren. Es klingt ja verlockend, das man mit der Karte bezahlt und erst im nächsten Monat dann die Belastung auf das Girokonto kommt. Das das Geld dann bis dorthin aus wirklich auf dem Konto sein sollte, beachten viele nicht und beginnen sich in einer Abwärtsspirale zu drehen.

Ich kenne ebenfalls einige ehemalige Schulkollegen, die immer von Eltern stark finanziell unterstützt wurden. Da hat es unter anderem zum 18. Geburtstag einen neuen Audi gegeben usw. Heute habe diese Personen zum Großteil noch immer keinen Job und hetzen von einer Party zur nächsten. Man hat fast schon Gefühl, sie wollen sich so vor dem richtigen Leben drücken, weil sie den Anforderungen der echten Welt nicht gewohnt sind. Woher denn auch, wenn Papa und Mama immer dafür gesorgt haben, dass es einem an nichts fehlt und man sich selbst überhaupt nichts erarbeiten musste? Solange solche Personen noch Gönner haben, die sie unterstützen funktioniert das bisher bekannte Leben noch tadellos, der große Knall kommt erst, wenn die ewige Geldquelle versiegt.

» Birdy93 » Beiträge: 767 » Talkpoints: 10,23 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich bin bei solchen Aussagen immer vorsichtig, weil Armut gerade von den Bessergestellten gerne romantisiert wird und die tatsächlichen oder vermeintlichen Vorzüge wie "Dankbarkeit" oder die Fähigkeit, mit wenig auszukommen und sich gegenseitig zu helfen, meiner Meinung nach über Gebühr hervorgehoben werden, etwa im Sinne von "Es ist doch schön, nur eine Ein-Zimmer-Wohnung zu haben, da lernt man Minimalismus!" Vergleichbare Aussagen habe ich von den Privilegierteren unter uns schon des Öfteren gehört.

Außerdem ist Armut relativ. Ich musste beispielsweise im Studium auch arg sparen und habe alle möglichen und unmöglichen Nebenjobs angenommen, aber ich wusste eben immer, dass meine Familie zumindest verhindern wird, dass ich obdachlos werde oder ohne Strom und Wasser dastehe. Verglichen mit den meisten Leuten bei mir an der Uni war ich dennoch vergleichsweise "arm", aber ich würde mich hüten zu behaupten, jemals "richtige" Armut kennengelernt zu haben, bei der man wirklich nicht weiß, wann einem wieder der Strom abgedreht wird.

Meine relative Armut hat mir nicht geschadet, da ich auf diese Art etliches an Lebenserfahrung und auch Erlebnissen sammeln konnte, welches den Bessergestellten unter meinen Altersgenossen verborgen blieb und wahrscheinlich bis heute verborgen bleibt. In meinen Augen ist ein allzu behütetes Leben auch langweilig und eintönig, und kann zu einem ausgesprochen engstirnigen Weltbild führen. Am Ende kommen dann die Leute dabei heraus, die vorschlagen, Leute, die kein Brot haben, sollen doch Kuchen essen. :wink: Von daher bin ich schon froh, dass mir der Puderzucker nicht pfundweise eingeblasen wurde, aber als arm kann ich mich nach wie vor nicht bezeichnen.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich sehe in welchem Zustand die Leute sind die auf der anderen Seite meines Schreibtisches Platz nehmen und nein, die sind nicht froh und ich kann mir auch nur sehr schwer vorstellen das dass auch nur auf einen von denen zutrifft. Die wären froh, wenn sie einmal nicht mehr arm wären.

Wie Gerbera schon sagte, es ist ein Unterschied zwischen der Armut eines Studenten und der Armut eines SGB II oder XII Falles. Konto im Minus, Strom abgestellt und eine Vollsanktion für 3 Monate im Briefkasten. Mit diesen Erinnerungen kann niemand fröhlich zurückblicken.

» RavenThunder » Beiträge: 1315 » Talkpoints: 11,03 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Ich denke, wenn man in seinem Leben - die Gründe hierfür sind völlig egal - lernen musste, mit extrem wenig auszukommen, dann kann das durchaus ein Vorteil sein, gerade wenn man irgendwann aus dieser Situation heraus gekommen ist. Denn so weiß man den Luxus meiner Ansicht nach besser zu schätzen und man weiß, dass man es wieder schaffen würde so minimalistisch zu (über)leben, wenn es sein muss.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


So wirklich arm bin ich noch nie gewesen, allerdings kenne ich es durchaus, wenig Geld zu haben. Meine Eltern hatten nie übermäßig viel Geld. Meine Mutter arbeitet gar nicht und mein Vater war auch mal eine Zeit lang arbeitslos. Von daher waren wir auch nur einmal gemeinsam im Urlaub. Und auch sonst habe ich vieles nicht gehabt, was für andere selbstverständlich ist.

Ich habe immer neben meinem Studium gearbeitet, um mir meine Miete, die Studienkosten und auch alles weitere selbst bezahlen zu können. So gut wie alle meine Freunde und auch mein Partner hatten da hingegen Unterstützung von den Eltern bekommen oder zumindest das Kindergeld erhalten, was bei mir auch nie so war. Ich habe stattdessen immer 20 Stunden pro Woche gearbeitet - in den Ferien auch mehr - um alle Kosten decken zu können.

Ich denke, dass mir das schon geholfen hat. Ich könnte nun auch mit wenig Geld auskommen und mir fällt es nicht schwer, zu sparen und Geld auf die Seite zu legen. Auch wenn ich gerne Geld ausgebe, überlege ich trotzdem immer, ob ich etwas wirklich brauche oder ob die Sache die ich will, auch wirklich ihr Geld wert ist und gebe nichts überstürzt aus.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge


Wir hatten durchaus schon weniger Geld zur Verfügung und sind damit auch super ausgekommen. Ich bin schon immer jemand, der sparsam ist und nicht das Geld einfach so aus dem Fenster wirft. Das habe ich schon so von meinen Eltern gelernt und deswegen auch immer etwas, was ich auf der hohen Kante liegen habe. Für mich ist das immer schon wichtig gewesen, aber es gab eben auch Zeiten, in denen wir mehr rechnen mussten.

Geld ist nett zu haben, aber ich war damals auch nicht unglücklich. Ich denke jeder Mensch fängt klein an und es gibt Menschen, die lernen daraus und andere Menschen lernen eben nichts daraus. Manche bekommen es so vorgelebt und andere Menschen müssen sich das erarbeiten. Ich denke ein guter Umgang mit Geld muss gelernt werden und da kann es hilfreich sein wenig zu haben.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



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