Freundschaft unter Frauen als Ideal betrachten?

Laut einem Experten würde die Freundschaft unter Frauen oftmals als Ideal betrachtet werden. Freundinnen würden jede Gefühlsregung bereden, während Männer ohne viele Worte auskommen würden und stattdessen zum Beispiel lieber gemeinsam angeln oder Fußball schauen würden.

Würdet ihr dem Experten zustimmen und ist in euren Augen die Freundschaft, wie Frauen sie pflegen, ein Ideal? Sollten gleichgeschlechtliche Freundschaften es zum Ziel nehmen, über jede Gefühlsregung zu sprechen? Oder kommt eine gute Freundschaft auch ohne viele Worte aus? Wie sieht für euch die ideale gemischtgeschlechtliche Freundschaft aus?

Klischees kommen ja nicht von ungefähr, aber so ganz passend sind sie eben auch nicht immer. Natürlich kennen sicher viele Frauen die Freundschaft, wo man nachts um drei aus dem Bett geklingelt wurde, weil der Angebetete der Freundin dabei ertappt wurde, wie er im Club mit einer anderen knutscht oder man in weinseliger Laune gegenseitig abends drei Stunden Psychoanalyse betrieben hat. Dem gegenüber stehen die Herren der Schöpfung, die am Motorrad schrauben, abends ein Bier trinken und sich maximal gegenseitig angrunzen, während sie wortlos begeistert schönen Frauen hinterher starren.

Wenn ich mir aber die Männer, die ich gut kenne und ihre engen Freundschaften in der Realität so angucke, ist der Unterschied schon weniger groß. Man soll es kaum glauben, aber auch die Jungs unterhalten sich über ihre Beziehungen, ihre Probleme, was so am Tag passiert ist und was sie beschäftigt. Vielleicht nicht immer in der epischen Breite wie manche Frauen, aber meine Exfreunde waren immer ziemlich gut über das informiert, was so im Leben ihrer Freunde gerade aktuell war. Ich glaube, im Alter gleicht sich das sogar noch mehr an.

Ich zum Beispiel habe gar nicht mehr so viel Interesse an diesen tiefen Freundschaften, wo man ständig sein Seelenleben offen legt und möchte bei Freunden eher eine Leichtigkeit und Ablenkung. Ich glaube, das ist bei Leuten ab einem gewissen Alter gar nicht mehr so ungewöhnlich, dass sich der Fokus und die Vorstellungen von Freundschaft noch einmal gravierend ändern. Deswegen wäre das Klischee nicht mehr mein Ideal. Trotzdem würde ich die vom Experten als weniger ideal empfundene Konstellation mittlerweile als die angenehmere empfinden.

Irgendwann ist doch das meiste schon gesagt und man kann seine Freundschaft anders ausleben, als immer wieder die gleichen alten Kamellen auseinander zu klamüsern. Wenn es etwas Neues oder Interessantes gibt, sich andere Aspekte ergeben, habe ich auch heute keine Probleme, mir das am Telefon stundenlang anzuhören, aber so ist es ja oft nicht. Wenn ich darüber nachdenke, wie wir jungen Frauen uns früher oft ewig und drei Tage im Gespräch nur im Kreis gedreht haben und eigentlich die immer gleiche Unterhaltung hatten, wird mir aus heutiger Sicht anders. Heute könnte ich das nicht mehr. Und ob das alles das Ideal ist? Nicht für jeden und nicht in jedem Alter.

Ich muss sagen das ich die Freundschaft zwischen Männern meist interessanter finde. Bei Frauen habe ich häufig den Eindruck, dass die Freundschaft nicht so beständig ist und das es oftmals Zickenkriege aber auch Lästerei gibt. Bei Männern spielt das häufig gar keine Rolle und man tauscht sich meist auch nicht über das eigene Sexleben aus. Man redet über Probleme, geht aber nicht zu sehr ins Detail.

Das ist meiner Meinung nach optimaler. Wenn ich den Partner meiner besten Freunden sehe, dann habe ich immer im Hinterkopf, was für intime Details sie mir schon alles von ihm erzählt hat. Das tun Männer meist nicht und daher habe ich keine Sorgen, dass der beste Freund meines Partners sowas über mich weiß.

Ich habe auch schon häufiger erlebt, wie langjährige Freundschaften unter Frauen zerbrochen sind, während Freundschaften zwischen Männern fast immer zu halten scheinen, auch wenn diese sich mal länger nicht gesehen haben. Irgendwie bewundere ich das und denke, dass die Männer da irgendwas richtig machen. Ich selbst habe nicht das Bedürfnis mich mit einer Frau über intimste Details auszutauschen und habe daher eher einen besten Freund, als beste Freundinnen.

Ich komme zwar besser mit Männern klar, aber das ist von mir aus keine Absicht, d.h. ich hätte auch nichts gegen eine Frauenfreundschaft, aber diese hat sich bisher noch nicht ergeben. Allerdings fühle ich mich von Männern manchmal nicht richtig verstanden. Wenn ich beispielsweise von einem Problem erzähle, dann schlagen die mir gleich eine aus ihrer Sicht mögliche Lösung vor. Ich fühle mich dann überrumpelt, weil ich dann die Tiefe meiner Emotionen darin nicht widergespiegelt finde.

Beispielsweise habe ich einer Kollegin auf Arbeit Blumen zum Geburtstag geschenkt; die hat sie vergammeln lassen und dann gemeckert, dass sie nicht mehr gut rochen als sie vergammelt waren. Das hat mich doch sehr enttäuscht, wie sie mit meinem Geschenk umgegangen ist. Als ich das meinem Kumpel erzählt habe, da meinte er nur, ich solle ihr nichts mehr schenken. Stimmt ja auch, aber diese Aussage fängt mich in dem Moment nicht emotional auf und da komme ich mir nicht richtig verstanden vor.

Ich denke, dass viele Menschen den Begriff der Freundschaft unterschiedlich definieren würden, da ja auch jeder von uns anders ist und andere Bedürfnisse hat, die er hofft durch die Freundschaft zu bekommen.

So denke ich nicht, dass Freundschaften unter Frauen deswegen als Ideal betrachtet werden können. Auch zwischen Männern können gute Freundschaften entstehen, wenn man sich auch ohne Worte versteht und nicht sehr viel Wert darauf legt, über Gefühle zu reden.

So pflege ich auch verschiedene Arten von Freundschaften. Mit einer Freundin kann ich besonders gut mal durch die Stadt ziehen, mit einer anderen über Kindererziehung reden. Jede Freundschaft an sich ist einzigartig und für mich Ideal, auch wenn sie alle verschieden sind.