Freundschaft mit psychisch Krankem als schwierig empfinden?

vom 04.02.2019, 11:20 Uhr

Wenn jemand eine psychische Erkrankung hat, ist er sicherlich manchmal eingeschränkt und hat auch schlechte Tage. Oder ist vielleicht auch mal sehr aufgekratzt und überdreht. Aber das macht sie in meinen Augen nicht zu schlechteren oder schwierigeren Freunden. Sicherlich muss man sich anfangs etwas darauf einstellen, dass vielleicht nicht immer alles möglich ist. Aber dabei kommt es ja auch darauf an, welche Erkrankung die Person hat. Bei anderen Krankheiten kann das ja ebenso der Fall sein.

Würdet ihr sagen, dass Freundschaften mit psychisch kranken Menschen schwieriger sind? Welche Erfahrungen habt ihr da gemacht? Würdet ihr solch eine Freundschaft direkt ausschließen und warum? Oder meint ihr, dass es nicht mehr oder weniger schwierig ist, als andere Freundschaften?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Wie definierst du denn eine psychische Erkrankung? Also ist das für dich etwas, das schon vom Arzt diagnostiziert worden ist oder fasst du darunter auch solche Sachen zusammen wie massive Minderwertigkeitskomplexe und Unsicherheit? Ich finde Freundschaften generell schwierig, wenn Menschen psychisch angeschlagen und labil sind. Dabei spielt die Erkrankung an sich gar keine Rolle. Denn diese Menschen beziehen direkt alles auf sich und interpretieren alles negativ, was man sagt oder tut und das ist mir auf Dauer zu viel.

Klassisches Beispiel: man hat gerade keine Zeit sich zu melden wegen Arbeit oder was auch immer. Wenn aber jemand Labiles dann um die Ecke kommt und einen nicht erreicht kriegt, wird das direkt wieder negativ ausgelegt und diese Person fühlt sich dadurch noch minderwertiger und macht einem dann indirekt Vorwürfe. Manche psychisch Kranke erwarten ja auch indirekt, dass ihr Umfeld ihr mangelndes Selbstwertgefühl stabilisiert, was unrealistisch ist. Diese Erwartungshaltung verursacht noch mehr Stress.

Ich war mal mit einer Frau befreundet, die psychisch total gestört war. Am Anfang hat mir das nichts ausgemacht und ich dachte, dass ich das psychisch durchaus ertragen könnte. Aber irgendwann nahm das Ausmaße an, die mir zu viel geworden sind. Soll heißen, sie wollte immer nur Bestätigung hören, dass sie die tollste ist, dass das Kleid, das sie repräsentiert, wunderschön ist und ihrer Figur schmeichelt etc. Sie war regelrecht süchtig nach Anerkennung und Bestätigung und hat Ehrlichkeit so gar nicht vertragen.

Selbst die winzigste und am weichsten formulierte Kritik ließ sie gekränkt und eingeschnappt reagieren. Ehrlichkeit gehört für mich aber zu einer Freundschaft dazu. Sie hat mich aber nur "gebraucht", um ihr Selbstwertgefühl zu stabilisieren, mehr auch nicht. So eine "Freundschaft" kann auch nicht lange funktionieren. Irgendwann muss man als psychisch Gesunder abspringen, da man sonst selbst kaputt geht. Ironisch ist nur, wenn auf diese Weise reihenweise Freunde abhauen, aber die psychisch Kranke Person gar nicht auf die Idee kommt, dass es an ihr selbst liegen könnte - da sind dann immer die anderen Schuld und nie man selbst.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Ich habe das allgemein auf psychische Erkrankungen bezogen. Ich habe selbst eine Freundin, die psychisch krank ist und auch einige Medikamente nehmen muss. Wenn sie schlechte Tage hat, melde sie sich auch kaum und zieht sich eher zurück. Oftmals ist sie sehr aufgedreht, was auch teilweise schwierig ist, damit umzugehen. Aber ich weiß eben, warum sie sich nicht meldet, dass ist dann auch total ok. Schwierig finde ich es auch, wenn jemand Selbstmordgedanken hat und darüber auch spricht. Da denke ich, weiß man oftmals nicht, wie man damit umgehen soll.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Wirfst du jetzt alle psychischen Krankheiten in einen Topf? Denkst du wirklich, dass man eine Person mit Essstörungen mit einer hochgradig schizophrenen Person vergleichen kann? Oder, dass eine Person mit Borderline irgendwie das gleiche ist wie eine Person mit posttraumatischer Belastungsstörung?

Ich lehne generell alle Freundschaften ab, die mir nicht gut tun. Darunter fallen sicher auch bestimme psychische Erkrankungen, die es unmöglich machen eine gleichberechtigte Freundschaft zu pflegen und natürlich auch gewisse Persönlichkeitsstörungen. Aber es gibt auch völlig gesunde Menschen, die der Ansicht sind, dass sie in einer Freundschaft immer nur nehmen können und nichts geben müssen.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Ich kenne auch gesunde Menschen, die den Mund nicht voll kriegen und immer nur nehmen wollen und einen als "emotionalen Mülleimer" sehen. Darum ging es bei diesem Thema gar nicht. Ich finde, dass man genug Selbstliebe und Selbsterhaltungstrieb besitzen sollte, um sich nicht schädlichen Einflüssen anderer Menschen dauerhaft auszusetzen. Alles andere ist unnormal.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Eine Freundschaft mit einem Menschen der unter der Borderline Störung oder an Depressionen leidet, kann ich mir schon vorstellen. Ich habe großes Verständnis für Menschen und bin tolerant, auch kann ich eine gute Freundin sein. Und mir wäre es nicht wichtig, nicht all das zurückzubekommen, was ich in die Freundschaft investierte.

Mir ist schon klar, das auch einmal für längere Zeit absolute Funkstille herrschen kann. Ich würde dem Freund oder der Freundin signalisieren, dass ich für ihn oder für sie da sein werde, wenn ich gebraucht werde. Ich glaube, dass auch schon dieses Signal für einen Menschen mit schweren Problemen wichtig sein kann und er es auch zu schätzen weiß.

Auch ist es doch letztens so, dass man sich mit Menschen anfreunden kann ohne zu wissen, dass sie ein Suchtproblem haben oder anderweitig psychisch erkrankt sind. Was tut man, wenn man ein Jahr mit einem Menschen befreundet ist und erst dann erfährt, dass dieser depressiv ist? Lässt man den dann fallen und beendet die freundschaftliche Beziehung? Auch kann ein lieber Freund irgendwann aus irgendeinem Grund während der Freundschaft psychisch erkranken.

Dann lasse ich den doch nicht im Stich. Also ich jedenfalls nicht, so bin ich ganz und gar nicht eingestellt. Freunde haben tolle Eigenschaften und viel zu bieten. Da ist doch eine Krankheit, egal welcher Art eher nicht im Vordergrund stehend. Ich würde auch in schwierigen Lagen zu meinem Freund halten und ihm im Falle eines Falles beistehen. Denn das ist es doch, was ich mir in der gleichen Situation von meinem Freund wünschen und erwarten würde.

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» Quasselfee » Beiträge: 2143 » Talkpoints: 30,45 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


Ich finde es auch ganz schön unangemessen, von "psychischen Krankheiten allgemein" zu sprechen. Genauso gut könnte man ja auch von "körperlichen Krankheiten allgemein" sprechen und Mittelohrentzündung mit Leberkrebs in einen Topf werfen. Sonst muss ich hoffentlich niemandem erklären, dass psychische Erkrankungen ein breites Spektrum an Symptomen aufweisen, die in beide Richtungen weit über "aufgekratzt" bzw. "zurückgezogen" gehen können. Also mehr so in Richtung "suizidal".

Aber selbst bei weniger extremen Fällen kann ich schon verstehen, dass psychische Erkrankungen die Pflege von Sozialkontakten, Freundschaften oder Beziehungen massiv erschweren und würde niemals jemandem einen Vorwurf machen, der sich etwa aus einer Freundschaft zurückzieht, weil die Krankheit Auswirkungen auf die eigene psychische Gesundheit hat.

Ganz banal und abgedroschen formuliert: Nicht jeder hält es ohne weiteres aus, dass ein Freund oder eine Freundin regelmäßig besoffen irgendwo aufgelesen wird (Suchterkrankungen fallen meines Wissens auch unter das Spektrum der psychischen Erkrankungen), sich fast oder ganz zu Tode hungert (Ess-Störung), sich oder andere verletzt oder nicht mal mehr duscht und die Zähne putzt und das Haus nicht mehr verlässt.

Von mir kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich zwar Freundschaften nicht leichtfertig hinschmeiße, aber dass mir meine eigene psychische Gesundheit wichtiger ist als die von anderen, denen sowieso nur Fachleute helfen können. Es hätte niemand etwas davon, wenn ich auf jemanden einrede wie auf ein krankes Pferd und selber halb verrückt werde vor Sorge. Hier geht es schließlich nicht um kleinere Macken und Eigenheiten, die jeder hat und die Freundschaften oft eher zusammenschweißen.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich finde man sollte hier nicht alle über einen Kamm scheren. Das ist immer recht schwer zu beantworten, da nicht jede Erkrankung und jeder Verlauf gleich ist. Ich bin mit einem Borderliner befreundet. Man bekommt es immer mit, immerhin sind auch deutliche äußerliche Anzeichen und man muss auch immer ein bisschen bedachter sagen, was man denkt und dennoch ist es ein sehr sehr guter Freund von mir, den ich seit vielen Jahren positiv in seiner Krankheit begleite.

Er hat durch mich viele positive Veränderungen durchgemacht, einfach weil ich immer für ihn da bin und ihn so nehme wie er ist, egal wie er gerade drauf ist. Jeder Mensch kann krank werden und er kann auch nichts dafür, also warum sollte ich ihn als schwieriger empfinden. Er verhält sich manchmal anders als meine anderen Freunden, den man einfach alles vor den Kopf knallen kann, egal wie hart, aber das macht ihn ja nicht zu einem schwierigen Menschen, jeder Mensch hat ja seine Eigenarten. Ich würde ihn als Freund nicht missen wollen.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


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