Freifahrtschein in Beziehung um sich besser zu fühlen?

Ich habe letzte Woche eine Serie im TV gesehen. Shameless hieß diese. Dort hatte eine Frau mit einem Mann getanzt und dabei offensichtlich einen Höhepunkt bekommen. Sie ist gerade frisch gebackene Mama geworden und der Papa kümmert sich sehr viel um die Kinder, sodass ihre weibliche Liebe etwas auf der Strecke bleibt, weil sie sich mit der Situation nicht anfreunden konnte.

Nun bot sie ihm aufgrund ihrer Erfahrung und ihrem schlechten Gewissen einen "einmaligen Freifahrtschein" an, welcher besagt, dass er ebenso dasselbe tun darf, um einen Höhepunkt zu erhalten, um wieder in der Beziehung/Ehe gleich auf zu sein. Er hat sich diesen auch genommen, aber das fand seine Frau dann gar nicht gut.

Das war zwar nur in einer Serie, aber so eine ähnliche Situation gab es mal vor etwa 20 Jahren mit meiner damaligen Ex-Freundin. Sie hat mich mehrfach betrogen und ich wollte mich trennen. Ist schließlich auch normal für mich, dass man treu ist.

Sie hingegen glaubte, dass sie mir nun einen mehrfachen Freifahrtschein anbieten muss, wo ich dann so oft fremdgehen durfte, wie sie auch, damit wir wieder Quitt sind. Mein Ex-Freund hat im Übrigen ungefähr dasselbe angeboten, um Quitt in der Beziehung zu sein und wieder neu zu beginnen.

Beide habe ich in den Arsch getreten und das war es dann für mich. Jetzt ist das durch Shameless nach Jahrzehnten mal wieder bei mir aktuell gewesen und erinnerte mich eben an meine eigenen Erfahrungen in diesem Bereich. Ich musste schmunzeln, weil es einfach so lächerlich ist, mir einen Freifahrtschein oder überhaupt irgendwem anzubieten, damit man in puncto Fremdgehen usw. gleich auf ist.

Wie würdet ihr so etwas finden, wenn Euch jemand betrügt und dann mit einem Freifahrtschein "winkt", damit Ihr auch einmal fremdgehen offen hättet? Würdet ihr das annehmen, um denjenigen die Schuldgefühle zu lindern oder ist das noch schlimmer, als sowieso schon das Fremdgehen? Wie seht ihr diesen ominösen Freifahrtschein?

Die Idee dahinter verstehe ich schon und ich kann auch nachvollziehen, dass man es aus Verzweiflung anbietet. In der Serie ist der Orgasmus beim Tanzen ja praktisch aus Versehen passiert. Sie war selber total überrascht. Keine Ahnung, wie sehr "aus Versehen" deine Ex-Freundin fremdgegangen ist, aber offensichtlich wollte sie sich nicht trennen. Da greift man eben nach solchen Strohhalmen.

Das Problem ist, dass es dennoch nicht die gleiche Situation schafft. Der eine hintergeht seinen Partner. Es ist ja nicht nur so, dass er Sex hatte. Dazu gehört, dass er gelogen hat und dass ihm die Beziehung nicht ausreicht. Dass er sich bei entsprechendem Angebot gehen lässt. Dass er sich ein entsprechendes Angebot eventuell aktiv beschaffen hat.

Mit dem Freifahrtschein ist das aber was anderes. Dieser Partner hintergeht nicht, er lügt nicht und ihm war die Beziehung bisher immer genug. Er hat sich nie gehen lassen etc. Es ist also eine vollkommen andere Situation, außer der Sex mit einer dritten Person.

Von daher löst der Freifahrtschein nicht das Problem. Im Gegenteil, er verschärft es noch, weil derjenige, der das anbietet, seinen Verrat auf den Sex reduziert und ihm der ganze Rest einfach so verziehen werden soll.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich Fremdgehen jemals verzeihen könnte. Aber es kommt natürlich immer auf die Situation an. Die Szene aus dem Film beispielsweise würde ich nicht wirklich als Fremdgehen bezeichnen. Da müsste ich dann schauen, wie ich mich mit so etwas fühle. Aber wenn, dann gehe ich von mir aus fremd und nicht weil mir das erlaubt wurde. Das Angebot eines Freifahrtscheins fände ich sehr beleidigend.

Zuerst einmal bin ich komplett bei Bienenkönigin. Ein Freischuss mit Erlaubnis wiegt das Hintergehen des anderen nicht auf. Der Bruch im Vertrauen ist einfach da und nicht mal eben aus dem Handgelenk gekittet. Warum sollte der andere auch noch sein Gewissen mit so einem Arrangement erleichtern dürfen?

Dazu kommt, dass ich gar nicht wüsste, was ich mit so einer Ausnahmegenehmigung anfangen sollte? Sex mit dem geschicktesten Mann auf Erden bleibt für mich unerfüllend, wenn ich einen anderen Mann liebe.

Ich hätte also gar keine Veranlassung, es dem Fremdgeher nachzutun. Sollte ich einem Mann kennenlernen, den ich wirklich möchte, dann brauche ich die Erlaubnis zum Bettgeflüster nicht. Denn dann ist meine Beziehung gescheitert und ich möchte den anderen dauerhaft.

Als ich diesen Freifahrtschein vor circa 20 Jahren bekommen habe, fand ich das selber einfach nur erbärmlich. Mir wurde im Prinzip versucht aufzuzwingen, meine Prinzipien über Board zu werfen und mich auf dieselbe Stufe zu stellen, wie meine damalige fremdgehende Partnerin. Das war mir zu bieder und nicht meine Intention. Fremdgehen ist für mich neben Schlagen eine "Todsünde" in einer Beziehung, was ich weder nach dem Prinzip Auge um Auge noch andere Freifahrtscheine glatt biege.

Mein Ex-Freund war da etwas anders. Er ging mir offenbar fremd. Ich merkte sehr schnell, dass er sich verändert hat, in sich gekehrt, immer lieber wurde, sonstige Streitgründe etc. völlig zu meinen Gunsten liefen. Das schlechte Gewissen war da, aber ändert für mich eben auch nichts. Beim spazieren meinte er dann aus heiterem Himmel, was ich davon halten würde, einen Freifahrtschein zu bekommen. Seine beste Freundin hatte das gerade in ihrer Beziehung gehabt, da war das allgegenwärtig.

Wenn er sich die Tage zuvor nicht so seltsam benommen hätte, dann wäre ich nur erstaunt gewesen, wie man so etwas für mich dämliches fragen könnte, aber durch sein Verhalten war meine erste Antwort:"Mit wem bist Du fremdgegangen?". Dadurch ist die Bombe geplatzt.

Ich habe dann letzten Endes ihm mal erklärt, was ich davon halte und ich den Freifahrtschein anders nehmen werde, als er denkt. Nämlich um mich von ihm zu befreien, fand er gar nicht so witzig.

In solchen Situationen schaffe ich es eigentlich immer, die Fassung zu wahren, auch wenn es wehtut. Doch ich bin da nicht so, dass ich das zeige, sondern sage ich schon, was ich denke und jetzt tun werde.

Für mich kann ein Freifahrtschein das Fremdgehen auch nicht glatt biegen. Im Leben nicht. Zumal ich nichts machen möchte, was meinen anderen Partner verletzt, ich selber habe daran auch keinerlei Interesse. Wenn ich in einer Beziehung bin, dann bin ich da zu 100 Prozent. Noch nie gab es in den letzten Jahrzehnten eine einzige Situation, wo ich die Befürchtung hätte, dass ich fremdgehen würde.

Auf mich wirkt dieser Vorschlag ziemlich erbärmlich, wenn ich ehrlich bin. Da baut einer Mist und um es angeblich wieder gut zu machen, bekommt der Partner auch einen Freifahrtschein. Für mich wäre die Beziehung da gelaufen und ändern würde es überhaupt nichts, denn das Vertrauen wäre dahin.

Ich bin auch nicht der Typ dafür, der mich dazu drängen lassen würde, meine Prinzipien über Bord zu werfen. Also selbst wenn mein Partner fremd gegangen wäre und ich dürfte das dann - bedingt durch Freifahrtschein - auch, würde ich das nicht wollen, denn ich bin nicht der Typ dafür, der mit Fremden ins Bett steigt. Das ist gegen meine Prinzipien.

In so einer Situation würde ein (Ex)Partner auf zweierlei Weise bei mir "verkacken" auf Deutsch gesagt. Zu erst einmal wäre mein Vertrauen unwiederbringlich verloren und zum anderen würde ich mich grundsätzlich nicht zu Dingen drängen lassen wollen, die gegen meine Prinzipien und gegen meinen Willen sind, nur damit der (Ex)Partner sich dann einreden kann, dass wir "quitt" sind.

Ich würde das mehr als dreist finden, wenn mein Mann mir mit so einer Sache kommen würde. Ein Betrug würde mir das Herz brechen und sicherlich würde ich noch mal versuchen unter normalen Umständen an unserer Beziehung mit ihm zu arbeiten, aber wenn er mir so etwas vorschlagen würde, dann wäre für mich sofort Schluss, weil es einfach so dreist ist. Man kann sich eine offene Beziehung ja nicht erzwingen und wenn man diese will, um eben immer mit dem schlafen zu können, mit dem man will, muss man vorher darüber reden.

Ich finde so etwas auch absolut schwachsinnig. So etwas macht der Fremdgeher doch nur, um sein eigenes Gewissen zu erleichtern und sicherzugehen, dass der andere dann nicht Schluss machen "kann". Immerhin kann er einem dann ja nicht mehr vorwerfen, dass man quasi fremdgegangen ist, wenn er im Endeffekt ja das gleiche gemacht hat. Und man muss sich selbst nicht mehr Vorwürfe machen und ein schlechtes Gewissen haben, fremdgegangen zu sein, wenn der Partner dann eben auch das gleiche gemacht hat.

Im Endeffekt hat also auch nur der Fremdgeher selbst etwas davon, wie ich finde. Weshalb sollte der andere etwas davon haben, wenn er selbst immer sehr glücklich in der Beziehung war, noch nie den Gedanken hatte, fremdzugehen und das selbst auch noch nie in Betracht ziehen wollte? Er wird ja dann wohl auch kaum seine Erfüllung darin finden, auch wenn er es tun sollte. Dann ja aber auch eher dem anderen zuliebe.

Das Ganze löst ja das Problem nicht. Das Vertrauen ist missbraucht und lässt sich ja auch nicht wieder dadurch kitten, indem der andere eben auch fremdgeht. Das Vertrauen ist ja trotzdem weg und vor allem dann eben auch einseitig. Der andere macht ja dann auch nicht heimlich etwas, sondern abgesprochen. So werden doch trotzdem beide nicht glücklich damit.