Foto von toten Angehörigen anderen zeigen?

vom 27.04.2016, 11:30 Uhr

Vor einiger Zeit hatte ich ein denkwürdiges Erlebnis. Eine gute Bekannte hatte einen Todesfall in der Familie und hat noch am Totenbett mit dem Handy Fotos der Verstorbenen gemacht. Allein diese Tatsache wäre für mich persönlich undenkbar, und ich würde auch nicht wollen, dass das jemand mit mir macht. Aber das soll nicht das Thema sein.

Über die Tatsache an sich war ich dann schon erstaunt, aber noch geschockter war ich, als sie mich ernsthaft fragte, ob ich die Fotos mal sehen wollte. Ich muss dazu sagen, dass es sich nicht um eine enge Freundin handelt und ich die Verstorbene auch nie zuvor gesehen hatte. Ich habe dann auch abgelehnt, zumal es jetzt kein zurechtgemachtes Foto war, sondern Schnappschüsse von der Leiche im Krankenhausbett.

Würdet ihr, wenn ihr solche Fotos hättet, sie anderen Menschen zeigen? Wenn ja, wem und warum? Wenn nein, warum nicht? Haltet ihr das für ein Foto wie jedes andere auch oder denkt ihr, dass das zu privat ist? Wäre es dem Toten gegenüber für euch in Ordnung? Würdet ihr euch so ein Foto angucken wollen?

» Verbena » Beiträge: 4921 » Talkpoints: 0,32 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Mit Abstand betrachtet, würde ich auch sagen, dass es unangebracht ist, solche Fotos anderen Menschen und vor allem Leuten zu zeigen, mit denen man nicht mal enger befreundet ist und die man eigentlich nur flüchtig kennt.

Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass es eine Art von Trauerbewältigung ist. Vielleicht kann man diese Situation einfach nicht rational beurteilen und die Person hat einfach das Bedürfnis, das Foto herum zu zeigen, um besser mit ihrer Trauer zurecht zu kommen.

Wenn eine nahestehende Person stirbt, dann macht man eben manchmal Dinge, die man vielleicht unter normalen Umständen nicht tun würde. Da würde ich nicht zu hart ins Gericht gehen, wobei ich mir die Fotos auch nicht hätte ansehen wollen. Das wäre mir persönlich respektlos gegenüber dem Toten erschienen.

» Sandra980 » Beiträge: 1011 » Talkpoints: 12,41 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Übel nehme ich ihr das absolut nicht, aber wie du schon sagtest, wollte ich das der Toten irgendwie nicht antun, das war wohl mein am meisten vorherrschendes Gefühl, aber seltsam war die Situation so oder so. Hinzu kam der Überraschungseffekt, weil man mit so etwas ja nicht wirklich rechnet.

» Verbena » Beiträge: 4921 » Talkpoints: 0,32 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Ich denke, es hat vielleicht auch damit zu tun, dass wir heutzutage nicht mehr allzu viel Tote zu Gesicht bekommen. Früher war das ganz normal. Da wurden die Verstorbenen ein paar Tage aufgebahrt und jeder aus der Nachbarschaft kam, um Abschied zu nehmen. Da hatte man in unserem Alter wahrscheinlich schon dutzend Tote gesehen.

Heutzutage ist das dann aber doch etwas erschütternd, wenn man einen geliebten Menschen in diesem Zustand sieht. Und damit muss man ja irgendwie klarkommen. Damit sie das nicht allein bewältigen muss, hat sie eben Fotos gemacht und zeigt die nun auch diversen Gesprächspartnern, um darüber reden zu können. Natürlich nicht ganz bewusst.

Wie ich reagiert hätte, weiß ich nicht. Es kommt bestimmt darauf an, wie man dieses Angebot unterbreitet bekommt. Wenn die Person währenddessen weint, würde ich wahrscheinlich Ja sagen, weil es in solchen Momenten schwer ist, etwas abzuschlagen. Aber scharf wäre ich sicherlich nicht drauf.

Den Respekt vor dem Toten finde ich aber nebensächlich. Man hat ihn ja nicht gekannt und weiß gar nicht, ob er etwas dagegen hätte. Außerdem hat sie ja das Foto gemacht. Man tut ihr nur damit einen Gefallen, wenn man es sich ansieht. Und sie ist immerhin noch lebendig. Ihre Gefühle können noch verletzt werden, die des Toten nicht mehr.

Meine Mutter hatte ihren toten Vater fotografiert und das Foto ist uns einige Zeit später in die Hände gefallen, als wir eine Schachtel mit Kinderfotos durchschauten. Da war ich auch ziemlich irritiert.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Eigentlich haben Fotos von Verstorbenen eine lange Tradition. Seit es möglich war, Bilder zu machen, wurden insbesondere Kinder und Totgeborene im Bild festgehalten. Natürlich wurden auch andere Verstorbene abgelichtet.

Als Fotografie noch teuer war, war das Bild eines toten Kindes im Kreise der Familie oft die einzige Fotografie, die überhaupt besessen worden ist. Bis in die Sechziger Jahre war das Ablichten von Verstorbenen etwas völlig normales wie der Gottesdienst oder die Beerdigung. Aber wie Bienenkönigin sagt, wir haben den Tod ziemlich wegrationalisiert.

» cooper75 » Beiträge: 13376 » Talkpoints: 509,41 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Sie hat doch vorher gefragt, ob man es sehen möchte. Dann finde ich das zwar ungewöhnlich, aber nicht schlimm. Schließlich kann man ja nein sagen, wenn man mit so einem Bild nicht klar kommen würde.

Blöd fände ich es, wenn man mir ungefragt das Bild vor die Nase hält und dann erklärt du übrigens, der auf dem Bild ist tot. Das sollte man nicht machen, man weiß ja nicht, wie der andere Mensch darauf reagieren würde und ob er da vielleicht Ängste bekommt oder so.

Ob das für den Toten in Ordnung geht, hängt sicher vom Toten selbst ab. Nicht jeder hat so ein ängstliches Verhältnis zum Tod, dass er das nicht haben wollen würde. Nehmen wir einfach mal an, der Tote in dem Bild war selbst zu Lebzeiten Bestatter. Dann würde er das sicher wesentlich lockerer nehmen als der Durchschnittsbürger. Das kann man so pauschal nicht sagen. Wenn es vor dem Tod abgeklärt wurde, spricht eigentlich nichts dagegen, oder?

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ich kenne es vor allem von der älteren Generation, dass man da noch Bilder von den Verstorbenen macht. Allerdings kenne ich es dann so, dass dies erst beim Bestatter gemacht wird, wenn der Tote eben gewaschen und geschminkt wurde und man sich eben nicht direkt erschreckt, wenn man ihn sieht.

Wenn jemand gerade verstorben ist, sieht er ja durchaus schon mal nicht so schön aus. Da würde ich dann doch Bilder vermeiden. Ich käme dennoch auch nie auf die Idee, die Fotos von einem Verstorben war los herum zu zeigen, dass finde ich doch auch wirklich unpassend und ungehörig.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Vielleicht sollte man das nicht zu Ernst nehmen. Es gibt viele Arten der Trauerbewältigung und es mag sein, dass sie so besser über den Verlust hinwegkommt und es unbedacht eben auch zeigen wollte. Ob man das nun so machen muss ist die eine Frage, aber letztendlich schadet es doch auch keinen. Immerhin hat sie ja auch gefragt und es nicht einfach so gezeigt.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Jeder trauert anders, aber mein Fall wäre das ehrlich gesagt gar nicht. Mir hilft es nicht, wenn ich Bilder von Verstorbenen sehe oder an Beerdigungen teilnehme. Ich komme ohne diese Sachen viel besser bei der Trauerbewältigung zurecht und möchte das auch so beibehalten.

Möglicherweise war die Frage, ob man das Foto sehen möchte, eher eine Art Einleitung zu diesem Thema der Trauerbewältigung. Da möchte jemand über den Verstorbenen an sich sprechen und die Gefühle der Trauer sowie der Verstorbene zu Lebzeiten noch gewesen ist. Manche Menschen haben eben kein besonderes Gespür dafür, wie sie bestimmte Themen einleiten sollen und stellen sich da eben etwas ungeschickt an.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Der Tod hatte durchaus in einigen Zeiten eine andere Bedeutung, als er es heute hat. Das habe ich mir von Oma, Opa und dem Rest auch immer mal erklären lassen. Das hat aber trotzdem nicht jeder gleich gefrönt. Nicht jeder machte Bilder auch meine verstorbene Tante aus den 60er Jahren, die ein Jahr nach der Geburt verstorben ist, gibt es beispielsweise nicht auf Fotos.

Ich finde es persönlich unangebracht, weil ich keine Toten sehen möchte. Ich wurde mit dem Tod nie konfrontiert, weil man in meiner Familie alles Negative wie den Tod weggeschwiegen hat. Ich lernte also nie, wie man mit dem Verlust von Menschen umgehen kann und umgehen wird. Das lerne ich alles jetzt, weil viele Verwandte nach und nach schon verstorben sind und fertig bin ich damit ja leider noch nicht, da ich noch sehr alte Menschen in meiner Verwandtschaft habe, die wenigsten ein Teil meiner Kindheit schön machten.

Ich würde es daher weniger sehen wollen. Ich habe bereits jemand totes gesehen und musste sie wiederbeleben. Das ist nicht das, was ich ertragen kann und möchte. Deswegen würde ich es für mich unangebracht finden. Mir ist es jedoch nicht erlaubt, da drüber anders zu urteilen, als aus meiner Sicht. Wenn anderen es hilft oder sie aus Zeiten kommen, wo das gängig war, dann ist das eine nachvollziehbare Handlung. Wie Cooper zum Beispiel erklärt hat, es gab Zeiten, wo es anders war und der Tod keine Art Tabuthema in dem Sinne war.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


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