Forschungs-Jobs an der Uni langweilig, kleinteilig und lahm?
Schon seit Ende meines Studiums habe ich eine kleine Stelle an der Uni, in der Verwaltung, für die ich vom Stundenumfang her einen Tag in der Woche tätig bin, meistens aber im Home Office (schon vor Corona). Anfang des Jahres habe ich dann angefangen, noch bei einem Forschungsprojekt mitzuarbeiten. Ich wollte schon immer in der universitären Forschung arbeiten und fand es all die Jahre schade, nur eine Stelle in der Verwaltung abbekommen zu haben. Allerdings ist dieser Forschungsjob ganz anders als ich es gedacht habe.
Irgendwie hatte ich mir das so vorgestellt, wie das Schreiben der Diplom- oder Promotionsarbeit - man liest Literatur, sucht Modelle, bastelt Theorien, konzipiert Untersuchungen, berechnet und schreibt Artikel - also glorreiche Forschungsarbeit. Das habe ich nämlich immer gern gemacht. Stattdessen bekomme ich immer so Pampel-Arbeiten, beispielsweise dass ich Webseiten von bestimmten Instituten googeln und Angaben von deren Webseiten in eine Tabelle eintragen soll oder dass ich aufgenommene Interviews anhören soll und die abtippen muss. Letztens sollte ich Essen für eine kleine Konferenz kaufen gehen und dann wurde auch noch herumgenörgelt, dass ich Weintrauben mit Verpackung statt ohne gekauft habe. Das Abtippen der Interviews ist aber mit Abstand die schlimmste Aufgabe, weil es wirklich sehr langweilig ist und ich auch generell kein Fan von Interviewstudien bin, ich finde das unnötig aufwändig. Hätte ich die Untersuchung konzipiert, hätte ich lieber eine schriftliche Befragung gewählt, aber was Konzeptionelles betrifft kann ich da gar nicht mitreden.
Von den Aufgaben bin ich insgesamt sehr enttäuscht. Es ist absolut nicht so wie ich mir Forschung vorgestellt habe und ich mache Aufgaben, die mir keinen Spaß machen und wo ich auch denke, dass man dafür hätte keine promovierte Wissenschaftlerin hätte einstellen müssen - Zahlen im Internet suchen und in Tabellen eintragen kann doch jeder. Wenn mir Aufgaben null Spaß machen, habe ich auch Probleme, mich dazu zu motivieren und dann bin ich nicht so schnell, wie es gewünscht ist, was dann auch wieder zu Kritik führt, von der ich dann wieder genervt bin, da das Ganze für mich ja insgesamt trotzdem nur ein Nebenjob neben meiner Selbstständigkeit ist.
Wäre Corona nicht gekommen, hätte ich vermutlich da wieder aufgehört und mich auf die Verwaltungsstelle zurückgezogen, von der Forschung die Hände gelassen, aber wegen Corona dachte ich mir "Na ja, wenigstens ist die Stelle sicher und die Uni kündigt keinen". Das ist der einzige Vorteil, dass man an der Uni in der Regel nicht entlassen wird, auch wenn man nicht verbergen kann, dass man unmotiviert ist. Was mich auch stört, ist dass die da sehr fordernd sind und beispielsweise wollen, dass ich an Tagen, an denen ich eigentlich nicht dort arbeite, bei Datenerhebungen anwesend bin. Die sehen das gar nicht so ein, dass sie für mich nur ein Nebenjob sind und dass ich nicht spontan andere Tage frei nehmen möchte, um da was zusätzlich zu machen.
Wenn von euch auch jemand in der Forschung arbeitet - ist das wirklich so üblich, dass man da solche Pampel-Arbeiten bekommt? Das ist ja meine erste Forschungsstelle, mir fehlt da der Vergleich, da ich meine damalige Diplomarbeit und Promotion zwar mit Betreuung an der Uni, aber ohne dortige Stelle in Eigenregie durchgeführt habe. Andere Wissenschaftler kenne ich auch nicht so gut, dass man über konkrete Arbeitsbedingungen spricht. Vielleicht habe ich da einfach ein komplett falsches Bild von der universitären Forschung gehabt und habe mir das glorreicher vorgestellt als es ist?
@Zitronengras: ich finde deine Schilderungen interessant und erstaunlich. Das klingt ja schon eher nach studentischer Hilfskraft. Leider kenne ich in Deutschland niemanden, der in der Forschung tätig ist, aber einige Natur- und Sprachwissenschaftler, die im Ausland als Postdocs arbeiten.
Die beschweren sich z.T. über ihren zeitintensiven Lehrauftrag und dass sie deshalb nicht genug zum Forschen und Publizieren kommen. Würde für dich eine Vollzeitstelle in der Forschung infrage kommen? An eigenen Projekten auf deinem Gebiet zu arbeiten, könnte deinem Motivationsproblem helfen. Meinst du nicht?
talktojojo hat geschrieben:Die beschweren sich z. T. über ihren zeitintensiven Lehrauftrag und dass sie deshalb nicht genug zum Forschen und Publizieren kommen. Würde für dich eine Vollzeitstelle in der Forschung infrage kommen? An eigenen Projekten auf deinem Gebiet zu arbeiten, könnte deinem Motivationsproblem helfen. Meinst du nicht?
Vollzeit möchte ich dort nicht arbeiten. Es ist zum einen so, dass ich generell nicht mehr Vollzeit arbeiten möchte, mir ist das vom zeitlichen Umfang her zu viel, zumal man dann meistens solche 8-17-Uhr-Stellen hat. Zum anderen bin ich ja mehrheitlich selbstständig und der Job hat für mich nur die Funktion eines Hinzuverdienstes und damit ich auch sozialversichert bin. Ansonsten müsste ich mich als Selbstständige selbst krankenversichern und da komme ich deutlich teurer. Die andere Stelle an der Uni, die ich in der Verwaltung habe, die läuft schon seit mehreren Jahren und das klappt ganz gut. Ich hatte gehofft oder war mir auch recht sicher, dass es hier ebenso sein würde, aber das ist leider nicht der Fall.
Zudem sind Stellen in der Forschung nach dem Wissenschaftlichen Zeitgesetz auf maximal 7 Jahre begrenzt, zumindest hier in Deutschland. Also darf man maximal 7 Jahre an der Uni arbeiten, was irgendwie damit zusammenhängt, dass man sich eigentlich weiterqualifizieren soll. Es soll also nicht so sein, dass beispielsweise in Deutschland ein Postdoc viele Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig ist, sondern der soll eigentlich eine weitere Qualifikation durchlaufen, nämlich die Habilitation und dafür hat er dann 7 Jahre Zeit. Auch wenn er das nicht macht, kann die Stelle nach 7 Jahren nicht mehr verlängert werden, außer er ist bis dahin habilitiert und bekommt dann eine Stelle als Prof. Ausgenommen sind Stellen in der Verwaltung oder Lehre.
Habilitieren möchte ich nicht, das wäre mir dann auch zu hoch und Lehre habe ich mal probiert, das ist nichts für mich. Das bedeutet im Endeffekt, dass dieser Job an der Uni, der aus lauter befristeten Verträgen besteht, die immer wieder verlängert werden, in sechs Jahren für mich ohnehin vorbei wäre, denn ein Jahr ist ja schon vorbei. Danach müsste ich mich, würde ich dort Vollzeit arbeiten und nichts anderes machen, komplett neu orientierten und irgendwo anders einen Einstieg schaffen. Das wäre mir auch zu riskant. Was ist denn, wenn ich dann nichts Neues finden würde? Dann sitze ich promoviert beim Arbeitsamt herum.
Meine Variante, mehrere Dinge parallel zu machen, gefällt mir da besser. Es ist abwechslungsreich, man verdient mehr, man hat aber auch die Sicherheit, dass immer etwas übrig bleibt, wenn mal ein Projekt wegfällt und insbesondere bei meiner Selbstständigkeit kann ich nahezu alles bestimmen, auch wann ich was mache und das kommt mir sehr zu gute, da ich normalerweise eher ein Eulentyp bin und ungern bei einem Job schon früh um 8 auf der Matte stehe.
Unabhängig davon war die betreffende Forschungsstelle in Teilzeit für Akademiker mit fertigem Abschluss ausgeschrieben, aber mir drängt sich der Verdacht auf, dass die einfach nur jemanden gesucht haben, der Aufgaben übernimmt, auf die sie selbst keine Lust haben.
@Zitronengras, da hast du wohl recht. Ich begreife den Frust. Gibt es evtl. geplante Gespräche, in denen Aspekte wie Ziele/Qualität der Arbeit etc. besprochen werden? Dass du dich als Akademiker weiterentwickeln möchtest, sollte denen ja eigentlich auch klar sein.
Grundsätzlich klingt deine Herangehensweise aber nach einer Top-Strategie in der heutigen Arbeitsrealität.
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