Fördert Marie Kondo die Wegwerfmentalität?
Marie Kondo ist schon seit längerer Zeit in den Medien vertreten, da sie durch ihre KonMari-Aufräummethode Schlagzeilen gemacht hat. Damit ist ein neues Ordnungskonzept gemeint, sodass unter anderem nur die Sachen wirklich behalten werden, die glücklich machen und der Rest wird aus der Wohnung entfernt und entweder weggeworfen, verschenkt oder verkauft.
Kritiker sind der Ansicht, dass diese Methode von Marie Kondo eher dazu führen würde, dass die Wegwerfmentalität noch weiter verstärkt wird und man Dinge entsorgt, die noch gut verwendet werden könnten. Nachhaltig sei das aber nicht. Was meint ihr dazu? Meint ihr, dass Marie Kondo die Wegwerfmentalität der Menschen noch unnötig verstärkt? Oder hat sie darauf gar keinen Einfluss?
Wo soll denn das nicht nachhaltig sein? Wenn ich aussortiere und mir nicht jeden Schrott kaufe, meine aussortierten Sachen aber weitergebe oder weiterverkaufe haben dann andere Menschen etwas davon und man kauft nicht neu. Das ist doch in Ordnung so. Sachen, die keiner mehr gebrauchen kann, die aber dennoch im Schrank liegen, wegzuwerfen ist ja nun auch nicht verwerflich.
Ich denke, dass niemand einfach so schöne Sachen wegwirft, sondern man bestrebt ist diesen noch einen Sinn zu geben und deswegen ist es nachhaltig. Sie schafft ja eine Bewusstmachung mit den Sachen und daher wird man sich auch Gedanken machen und die nicht einfach in die Mülltonne werfen, selbst in der Kleiderspende erfüllen sie ja noch einen Zweck.
Das widerspricht sich in meinen Augen sehr. Wenn jemand feststellt, dass massiver Besitz nicht glücklich macht, erkennt, dass weniger Besitz hingegen zufriedener und freier macht und die Gegenstände, die er nicht mehr braucht, weitergibt und diese somit einen längeren Nutzen/ein längeres Leben haben, dann entspricht das dem Gegenteil der Wegwerfmentalität. So lange keine Dinge einfach so entsorgt werden, obwohl sie noch intakt sind und für andere Menschen einen Nutzen haben könnten oder seltene und wertvolle Rohstoffe enthalten, die man weiterverwenden könnte, sehe ich darin gerade einen Schritt gegen die Wegwerfmentalität.
Ich sehe es eigentlich genau umgekehrt. Ich sehe es zwar kritisch, wenn Ausmisten quasi zur Ersatzreligion und zur Patentlösung allen Übels stilisiert wird, wenn man sich an die Regeln hält, aber die Grundidee besteht ja gerade nicht darin, für dich selber nutzlosen Krempel zu entsorgen und dann kubikmeterweise neuen Krempel zu beschaffen, sondern darin, langfristig mit weniger und generell bewussterem Konsum auszukommen.
Außerdem kann man, wenn man seinen Besitz verkleinert, ja auch viele Sachen spenden, was mir sinnvoller erscheint, als sie irgendwelchen Bekannten aufzudrängen, damit die das Wegschmeißen übernehmen. Es gibt genügend karitative Einrichtungen hierzulande, die wirklich etwas mit Second-Hand-Waren anfangen können, sodass nicht nur Marie Kondo zufrieden lächeln kann, sondern alle möglichen Leute davon profitieren, dass wir nicht jeden Ramsch aus purer Langeweile horten.
Ich habe dieses Buch von ihr zumindest teilweise gehört und deshalb kann ich das Argument schon verstehen. Sie sagt darin nämlich so etwas wie "du solltest mit dem, was du nicht mehr haben will, auch andere nicht belasten". Sie spricht sich also explizit dagegen aus, dass man zum Beispiel im Freundeskreis fragt, wer was von den aussortierten Klamotten noch haben will. Besser gleich entsorgen, damit man nicht zum den voll gestopften Kleiderschränken der Freundinnen beiträgt.
Ich finde aber gerade, dass das nachhaltige Entsorgen eine wichtige Erfahrung ist, die zu weniger Konsum führen kann. Wenn man seine Sachen nämlich nicht einfach wegwirft sondern versucht für alles eine neue Heimat zu finden merkt man sehr schnell wie viel Zeit und Energie das in Anspruch nimmt. Hätte man sich den Kauf besser überlegt hätte man jetzt diese Arbeit nicht.
Natürlich birgt auch jede Aufräumaktion die Gefahr, dass die geleerten Schränke dann als Rechtfertigung für neue Einkaufe herhalten müssen, aber das hat man ja immer, egal nach welcher Methode man da vorgeht.
Cloudy24 hat geschrieben:Ich habe dieses Buch von ihr zumindest teilweise gehört und deshalb kann ich das Argument schon verstehen. Sie sagt darin nämlich so etwas wie "du solltest mit dem, was du nicht mehr haben will, auch andere nicht belasten". .
Das macht den ganzen Kram für mich sogar eher noch glaubwürdiger, weil es ja stimmt, dass man das Problem so nur verlagert und anderen Leuten die unbequeme Arbeit aufhalst, mit den Konsequenzen der eigenen Gier umzugehen.
Ein Zuviel an Besitz ist ja auch oft mit einem bestimmten sozialen Umfeld verknüpft. Sprich, es ist zumindest unwahrscheinlich, dass jemand im Überfluss an Konsumgütern schwimmt, aber unmittelbare Freunde und Verwandte wirklich bedürftig sind und sich nicht "belastet" fühlen würden. Aber Bedürftigkeit gibt es bekanntlich hierzulande reichlich. Vielleicht liegt es daran, dass es in Japan keine Sozialkaufhäuser gibt oder generell die Idee des Spendens von Kleidung und Haushaltskram nicht so verbreitet ist? Oder die Frau Kondo lässt sich nicht so tief in bedürftigere soziale Schichten herab, als dass sie sich vorstellen könnte, etwas nicht der Müllverbrennung zu überantworten?
Ich denke dabei immer an ein Sozialkaufhaus bei uns in der Nähe. Da werden Leute, die auf dem ersten Arbeitsmarkt schlechte Chancen haben, dafür bezahlt, die Sachspenden zu sortieren und zu verkaufen, und können so zumindest grundlegende Qualifikationen erwerben oder müssen zumindest nicht sinnlos daheim herumsitzen. Die brauchbaren Güter werden zu Second Hand Preisen verkauft und der Rest entweder gespendet oder entsorgt. Ich finde, dass dies eine sinnvolle Verwendung für Konmari-mäßig ausgemistete Besitztümer ist
Gerbera hat geschrieben:Vielleicht liegt es daran, dass es in Japan keine Sozialkaufhäuser gibt oder generell die Idee des Spendens von Kleidung und Haushaltskram nicht so verbreitet ist?
Zumindest in Tokyo gibt es reichlich Vintage Geschäfte in den angesagten Stadtvierteln. Ich weiß natürlich nicht, ob die direkt ankaufen oder die Sachen über einen Händler beziehen, aber die Idee, dass man Kleidung auch gebraucht kaufen kann, ist Japanern jedenfalls nicht fremd.
Sozialkaufhäuser wie in Deutschland würden sich wahrscheinlich eher nicht lohnen, weil die Leute in der Stadt ja sehr viel beengter wohnen und gar nicht so viele Möbel haben. Es ist da ja normal, dass man zum Beispiel kein Bett hat sondern nur eine Matratze oder, dass auch Leute mit einem gut bezahlten Job in einer Studenten WG Situation mit geteilter Küche und geteiltem Bad leben bis sie heiraten und Kinder bekommen.
Ich habe übrigens mal gelesen, dass die Marie Kondo Bücher vor allem auf dem amerikanischen Markt gut funktionieren während viele Japaner den Hype so gar nicht verstehen.
Soweit ich weiß, sind Teile des Kondo-Buchs bzw. ihrer Ideen vom Shintoismus unterfüttert und dort ist besagt, die Gegenstände würden zum Teil die Seele des Besitzenden annehmen. Aus diesem Grund ist es verpönt, gebrauchte Sachen zu kaufen und weiterzugeben, wer will schon die Seele von Fremden in seiner neuen Jacke? Ob das so stimmt, weiß ich nicht, aber es ergibt schon Sinn.
Den meisten Bewohnern der westlichen Welt ist so ein Denken fremd und sie empfinden es als Verschwendung, ich habe schon gehört, dass Leute gerade mit diesem Aspekt des Wegwerfens im Buch die meisten Probleme haben. Ich denke auch, dass es die meisten gar nicht machen und ihre Sachen lieber Second-Hand-Läden und Sozialkaufhäusern spenden werden.
Ich habe aber selbst schon über einen längeren Zeitraum bei YouTube Kanäle gesehen, die immer wieder gerade Kosmetik in großen Mengen ausmisten und ein Jahr später erneut am selben Punkt stehen und wieder eine riesige Tüte aussortieren. Da habe ich mich auch gefragt, worin noch der Sinn im Ganzen liegt, denn so schafft man sich nur eine künstliche Legitimation einfach wieder alles neu zu kaufen. Auch im Umfeld kenne ich eine Frau, die das so mit ihrem gesamten Besitzstand praktiziert. Diese Leute gibt es also wirklich.
Ich habe das Buch selbst gelesen und war teilweise schon verwundert und sogar manchmal geschockt, wie oft sie über das "Wegwerfen" schreibt. Sie schreibt ja nicht, dass man irgendwelche Sachen, die man nicht mehr haben will, verschenken, verkaufen oder spenden soll, sondern sie schreibt immer wieder, dass man sie wegschmeißen soll. Das finde ich nicht gut, vor allem deshalb, weil es ja unnötig und schade ist, noch gute und intakte Sachen wegzuschmeißen, wenn man anderen Menschen eine Freude damit machen kann oder wenn man damit noch Geld verdienen kann.
Man kann sich ja auch von Sachen trennen, indem man etwas Sinnvolles damit macht. Es ist ja wirklich schwachsinnig, noch neue Kleidung wegzuwerfen, wenn man sie ja beispielsweise spenden kann. Allerdings kann ich das Prinzip von Kondo schon verstehen. Indem man die Sachen wegschmeißt, dann trennt man sich direkt und kurz und schmerzlos von den Sachen. Man hat eine direkte Trennung, ohne dass dazwischen Zeit liegt, in der man sich umentscheiden kann.
Wenn man Sachen verkaufen will, dümpeln sie ja auch wieder zu Hause herum, bis man sie loswird und wenn man sie nicht loswird, neigt man ja auch irgendwann wieder dazu, die Sachen doch zu behalten. Und wenn man die Sachen beispielsweise an die Eltern abgibt, dann hat man sich im Grunde genommen nicht davon getrennt. Man hat nur die Verantwortung abgegeben. Von daher ist es eigentlich schon besser, die Sachen wegzuwerfen.
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