Finanzielle Unabhängigkeit wichtiger als alles andere?

vom 30.07.2016, 16:38 Uhr

Ich bin ein Mensch, der sehr viel Wert auf Selbstverwirklichung legt. Ich möchte mein Leben so leben wie ich es für richtig halte und mir ist es egal was andere sagen. Ich muss das schließlich vor mir rechtfertigen was ich tue und was ich lasse und ich muss damit leben und mit mir im Reinen sein. Daher ernte ich gerne mal Kritik, gerade wenn die Menschen meinen, ich würde mich aus diesem Grund "respektlos" verhalten, weil ich es wage, Kritik zu äußern oder bestimmte Wünsche oder Bitten abzuschlagen, wenn ich sie nicht erfüllen möchte. Beruflicher Ehrgeiz ist bei mir auch so eine Sache. Wenn ich ein (berufliches) Ziel habe, dann steuere ich darauf zu, egal welche Umwege ich gehen muss und wie beschwerlich der Weg sein wird.

Ich habe noch Kontakt zu einem früheren Kommilitonen, der mir schon damals mit ziemlich befremdlichen Äußerungen aufgefallen ist. Der ist nämlich komplett anderer Meinung als ich. Er ist der Ansicht, dass finanzielle Unabhängigkeit viel wichtiger ist als alles andere, sogar viel wichtiger als Selbstverwirklichung. Er hat aus diesem Grund nach dem Studium einen Job angenommen, der ihn nicht interessiert hat und ihn sogar geistig unterfordert hat, nur damit er eben finanziell unabhängig ist. Mich würde das aber nicht ausfüllen und ich würde da durchdrehen. Ich würde mich da fühlen wie in einem Käfig. Wie sieht es bei euch aus? Ist euch finanzielle Unabhängigkeit auch viel wichtiger als alles andere, genauer gesagt Selbstverwirklichung?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Weder, noch. Ich finde finanzielle Unabhängigkeit ist ein Traum. Aber wenn man diese nur erreichen kann, wenn man etwas tut, was einem nicht so gefällt, dann wäre das für mich auch kein Traum mehr. Sondern nur Zweckmäßig, was mich auf lange Sicht wahrscheinlich nicht glücklich machen würde. Andererseits ist es auch ein Traum, sich quasi sein Hobby zum Beruf zu machen und seiner Berufung nach zu gehen. Auch, wenn man dafür vielleicht finanzielle Einbußen hat.

Letztendlich wäre mein größter Traum und zugleich größter Wunsch, mit dem, was mir Spaß macht auch genug Geld zu verdienen. Das sehe ich als das ultimative Ziel dieser ganze Frage. Bis dahin muss man sicherlich irgendwo Abstriche machen. Wenn ich mich entscheiden müsste, dann würde ich aber wahrscheinlich auch eher etwas tun, womit ich mich glücklich fühle und dann weniger verdienen.

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» PinkPirate » Beiträge: 646 » Talkpoints: 2,35 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich denke, dass beide Faktoren irgendwie zusammengehören. Ohne eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit kann man sich nicht selbst verwirklichen. Deshalb muss man erst die Voraussetzungen schaffen, damit man sich selbst verwirklichen kann. So ist es auch bei mir irgendwie. Aber ich würde niemals etwas tun, was ich nicht doch irgendwo liebe und mag. Das wäre Verrat an mir selbst, auch wenn ich echt schlechte Phasen habe, in denen alles schiefgeht.

Ich habe eine Ausbildung absolviert, möchte aber auf kurz oder lang eine Spezialisierung eingehen. Ohne meinen Job wäre es mir nicht möglich, auch wenn es nicht ganz die Richtung ist, die ich einschlagen möchte. Aber der Job macht mir insgesamt schon Spaß, manchmal aber auch nicht. Aber ich muss zuerst die finanzielle Voraussetzungen schaffen, ehe ich diese Wege schaffen kann. Ich spare monatlich Einiges von meinem Gehalt an, damit diese Unabhängigkeit irgendwann gegeben ist oder zumindest ein Teil davon gegeben ist.

Ich ernte auch gerne Kritik. So nach dem Motto, ich solle mich doch auf meine angeblich geringen Fähigkeiten verlassen und den Job ein Leben lang machen, den ich gerade tue. Oder dass ich egoistisch bin, weil ich stur ein Ziel vor Augen habe und dies auch durchziehen will. Oder dass ich doch das Abitur hinschmeißen soll und lieber Kinder bekommen soll oder Ähnliches. Das bekomme ich zu hören und deshalb habe ich aufgehört über meine persönlichen Ziele zu sprechen. Aber abbringen lasse ich mich nicht, koste es was es wolle.

» Wibbeldribbel » Beiträge: 12599 » Talkpoints: 0,42 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Ich finde, dass ein Leben erstrebenswert ist, in dem man das macht, was einem Spaß macht und sich damit eigene Freiheiten schaffen kann. Das gibt es ja durchaus und ist kein Ding der Unmöglichkeit. Jeder hat Dinge, die einem Spaß machen und selbst wenn man nur wenig verdienen würde hätte man ja Möglichkeiten sich etwas anzusparen oder daraus auch mehr Geld zu machen um sich Träume zu verwirklichen. Es geht immer, man muss nur wollen.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich denke, dass man sich in der Gesellschaft heute nur bedingt selbstverwirklichen kann. Man kann sich irgendwelche Ziele und Träume zusammendichten und danach streben. Ob man das auch erreicht, steht auf einem anderen Blatt. Man muss auch manchmal einsehen, dass Dinge eben nicht so funktionieren und es hat auch keiner was davon, ewig nach etwas zu streben, was er dann doch nicht erreicht. Da ist es mitunter sinnvoller zu schauen, was einem sonst noch halbwegs gefallen könnte.

Für die meisten Menschen ist Arbeit Mittel zum Zweck. Und wer das jetzt bestreitet, der sollte sich mal fragen, ob er auch arbeiten würde, wenn er kein Geld dafür bekommt. Es ist halt kein Hobby, es ist kein lustiger Zeitvertreib. Auch wenn man die Tätigkeit an für sich mag, ist Arbeit immer mit Anforderungen verbunden, die man erfüllen muss und das macht dann eine Verpflichtung daraus. Ein Berufssportler hat mit dem Sport vielleicht auch mal angefangen, weil er gerne Sport gemacht hat, aber dennoch ist Leistungssport kein locker flockiges Hobby mehr.

Diese komische Vorstellung, dass man nur etwas finden muss, was man gerne macht und dann das Hobby zum Beruf machen kann, ist naiv. Sobald es ein Beruf ist, kommen so viele Zwänge und Erfordernisse dazu, dass es eben nicht mehr alles nur Spaß ist. Und man hat immer das Risiko, dass ein Job auch mal weg sein kann.

Oder wer meinetwegen keine beruflichen Ziele hatte, sondern eine Familie wollte, der wird auch dann feststellen, dass es keine heile Familienromantik ist, wie man sich das so ausgemalt hat. Die Realität ist meistens nicht so schön wie die eigene Vorstellung. Man wird immer enttäuscht vom realen Leben.

Wenn man finanziell unabhängig ist, dann hat man aber wenigstens den Vorteil, dass man sich diesen ganzen Zwängen entziehen kann. Als mich beispielsweise vor einiger Zeit die Putzfrau wegen einer Nichtigkeit übelst zusammengestaucht hat, da habe ich auch darüber nachgedacht, alles hinzuschmeißen. Aber das geht nicht - ich will ja das Geld haben. Wäre ich aber finanzielle unabhängig und hätte so viel Geld, dass ich nicht arbeiten muss, dann hätte ich das vielleicht getan.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Finanzielle Unabhängigkeit kann man verschieden interpretieren. Normalerweise würde ich unter finanzieller Unabhängigkeit verstehen, dass man gar nicht mehr auf einen Job angewiesen ist. Diesen Punkt erreichen die allermeisten Menschen aber erst im Rentenalter und auch nur aufgrund des staatlichen Rentensystems. Man kann es aber auch früher erreichen. Diese Art von finanzieller Unabhängigkeit ist sicherlich nicht für jeden erstrebenswert. Wenn man nicht weit überdurchschnittlich verdient, kann man das nur durch extreme Sparsamkeit in vernünftiger Zeit erreichen.

Wenn man finanzielle Unabhängigkeit so versteht, dass man lediglich von anderen Personen finanziell unabhängig wird, dann finde ich schon, dass das jeder Erwachsene irgendwann erreichen sollte. Es gibt natürlich Ausnahmen, zum Beispiel die Zeit der Kindererziehung oder die Pflege von Angehörigen.

Ein Job muss nicht unbedingt zur Selbstverwirklichung dienen. Dafür hat man in seiner Freizeit in aller Regel noch ausreichend Zeit. Und man kann auch ohne Selbstverwirklichung Freude an seinem Beruf haben. Das ist im Wesentlichen eine Frage der persönlichen Einstellung und deshalb muss das jeder für sich entscheiden.

Für die meisten Menschen ist Arbeit Mittel zum Zweck. Und wer das jetzt bestreitet, der sollte sich mal fragen, ob er auch arbeiten würde, wenn er kein Geld dafür bekommt.

Tatsächlich tun das aber sehr viele Leute. So etwas nennt man ehrenamtliche Arbeit. Es ist sicherlich so, dass die meisten Menschen das nicht als richtige Arbeit betrachten. Ein zentraler Aspekt ist natürlich, dass man die Arbeit frei wählt und ohne Bezahlung ausübt. Aber rein objektiv betrachtet ist ehrenamtliche Arbeit meistens nicht viel anders als ein Nebenjob.

Die meisten Menschen brauchen irgendeine Art strukturierte Beschäftigung. Es gibt eine Menge Menschen, die genug Geld haben um nie mehr arbeiten zu müssen, aber trotzdem ihren Job nicht aufgeben. Zudem gibt es viele Menschen, die jahrelang auf das Nichtstun hinarbeiten und dann depressiv werden, weil ihnen diese strukturierte Beschäftigung fehlt. Viele kehren wieder in die Arbeitswelt zurück. Dieses Problem wird in den einschlägigen Foren sehr häufig und intensiv diskutiert.

Als Ausweg wird von den Leuten, die damit Erfahrung gemacht haben, empfohlen, nach dem Verlassen des Berufsleben wenigstens ehrenamtlich oder freiberuflich zu arbeiten.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Na ja, wenn mir finanzielle Unabhängigkeit wichtiger wäre, als alles andere, dann hätte ich direkt nach der Schule angefangen, zu arbeiten und hätte nicht studiert. Ich hätte dann wahrscheinlich gar nicht erst Abitur gemacht, sondern hätte mir mit meinem Realschulabschluss eine Ausbildung gesucht. In den drei Jahren hätte sich ja doch einiges an Geld verdienen lassen. Da ich das aber alles nicht gemacht habe und jetzt nun meinen Master mache, ist mir finanzielle Unabhängigkeit natürlich nicht wichtiger, als alles andere.

Ich kann mir das bei deinem Kommilitonen aber auch nicht vorstellen, dass ihm finanzielle Unabhängigkeit wichtiger ist, als alles andere. Immerhin hätte er dann eben auch gar nicht erst studiert, sondern hätte sich auch schon nach dem Abitur oder früher eine Arbeit gesucht. Ich denke, dass man aber irgendwann an einen Punkt kommt, an dem man einfach endlich richtig Geld verdienen möchte. Es ist ja schon so, dass es Leute gibt, mit denen man aufgewachsen ist und die schon zehn Jahre vor einem richtig Geld verdient haben, wenn man mit der Uni fertig ist. Irgendwann reicht es einem dann eben auch und man möchte endlich Geld verdienen und nicht noch länger warten.

Jeder sieht das ja aber auch etwas anders. Mir ist Geld nun nicht so enorm wichtig und mir ist es wichtiger, dass ich einen Job bekomme, der mir wirklich Spaß macht und in dem ich aufgehe. Ich denke mir auch, dass ich dann nach meinem Studium nicht den erstbesten Job annehmen muss, nur um Geld zu verdienen. Wenn man schon so viele Jahre studiert, kommt es auf den einen oder anderen Monat auch nicht mehr an. Allerdings sieht das ja jeder anders und es gibt sicherlich Leute, die es kaum erwarten können, richtig Geld zu verdienen. Viele können sich das ja aber auch nicht aussuchen, sondern sind auf das Geld dringend angewiesen.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Ich kann mir das bei deinem Kommilitonen aber auch nicht vorstellen, dass ihm finanzielle Unabhängigkeit wichtiger ist, als alles andere. Immerhin hätte er dann eben auch gar nicht erst studiert, sondern hätte sich auch schon nach dem Abitur oder früher eine Arbeit gesucht.

Eigentlich gerade nicht. Wenn man möglichst viel verdienen will, dann würde man gerade Abitur machen und studieren, weil das ja die Chancen erhöht, einen Job zu erhalten, bei dem man viel verdient. Wer auf das Abitur verzichtet und nur einen Realschulabschluss hat, der bekommt ja meistens auch keine sonderlich tollen Jobs.

Also es hängt auch immer davon ab, was man konkret studiert. Aber wenn ich mal die Leute betrachte, mit denen ich zusammen in der Grundschule war und die dann später kein Abitur gemacht haben, das sind dann Arzthelferinnen geworden, Schlosser usw. - also alles so einfache Berufe, die vielleicht dem Einzelnen Spaß machen können, die aber kein wirklich hohes Einkommen versprechen, erst recht nicht im Osten.

Und wer studiert hat, hat da in den meisten Fällen mehr Einkommen. Als Akademiker bekommt man mehr und daher lohnt es sich für alle, die viel verdienen wollen, zu studieren. Es gibt da Ausnahmen, nehmen wir die Geisteswissenschaften, aber in der Regel bekommen Studierte später mehr.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Zitronengras hat geschrieben:Und wer studiert hat, hat da in den meisten Fällen mehr Einkommen. Als Akademiker bekommt man mehr und daher lohnt es sich für alle, die viel verdienen wollen, zu studieren.

Da hast du schon Recht. Wobei es aber auch einen Unterschied bei dem späteren Gehalt gibt je nachdem wo man arbeitet und welchen Abschluss man hat (Bachelor/ Master). Mein früherer Kommilitone hat nach dem Bachelor direkt mit dem Arbeiten angefangen, weil er "richtig" Geld verdienen wollte und keine Lust mehr hatte finanziell abhängig zu sein wie er es als Student eben gekannt hat.

Nach dem Master hätte er aber viel mehr Geld verdienen können und er hätte sich auch in eine Richtung spezialisieren können, die ihm zusagt. Stattdessen ist er aber in einem Job gelandet, der ihn total langweilt und geistig unterfordert. Da bringt das erste richtige Einkommen ja auch nicht viel finde ich, wenn man es da theoretisch nicht lange aushalten würde.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Ich sehe einen Unterschied zwischen dem Wunsch nach einem raschen eigenen Einkommen und finanzieller Unabhängigkeit. Finanziell unabhängig heißt für mich, dass man viel verdient, sodass man nicht auf andere oder auf Sparsamkeit angewiesen ist, sondern mit dem Geld machen kann, was man will.

Dass Menschen es eilig damit haben, überhaupt etwas zu verdienen, sehe ich nicht als finanzielle Unabhängigkeit, weil genau dieses "ich will schnell Geld verdienen" ja meistens dazu führt, dass man in schlechter bezahlten Jobs landet.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


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