Fehlt Kindern die Zeit oder Interesse an sozialen Vereinen?
Für das Frühjahr ist in meinem Wohnort eine große Mitmachaktion von THW, Feuerwehr, Wasserwacht, Rotem Jugendrotkreuz und dem Bund Naturschutz geplant. Diese Vereine haben hier ein extremes Nachwuchsproblem. Bei vielen gibt es zwar eine Jugendgruppe jedoch sind diese nur sehr spärlich besetzt und der große Altersunterschied der Gruppenmitglieder macht die Auswahl des Jugendprogramms auch nicht wirklich einfacher.
Als ich für 15 Jahren noch aktives Mitglied der Jugendwasserwacht meiner Geburtsstadt war haben wir noch 4 Jugendgruppen in unterschiedlichen Altersstufen mit jeweils 15-20 Kindern betreut. Mein bester Freund ist dort immer noch Jugendleiter und erzählt mir ebenfalls, dass es zu einem großen Problem wird. Aktuell haben sie noch zwei Gruppen in zwei Altersstufen und regelmäßig kommen tun von den gemeldeten 15-20 Kindern meist nur die Hälfte.
Am Programm an Sich hat sich im Vergleich zu damals eigentlich wenig geändert. Es sind neben Erste-Hilfe, Naturschutz, Schwimmtraining und Knotenlehre immer noch Bastelaktionen, Ausflüge & Co im Plan.
Sportvereine haben dagegen weniger Probleme. Dort gibt es immer noch genug Kinder und Jugendliche die im Verein Fußball, Handball & Co. spielen. Haben die Kinder also weniger Interesse an den sozialen Themen oder liegt es tatsächlich daran, dass die Freizeit knapper bemessen ist und die Priorität auf den Sport gelegt wird?
Das ist sicher schwierig zu sagen, weil es von verschiedenen Faktoren abhängt. Aber allgemein habe ich es in meinem Umfeld schon viel mitbekommen, dass Kinder oft lieber vor dem PC sitzen und Spiele spielen, als raus zu gehen und in einen Verein zu gehen. Sport machen schon noch Kinder und Jugendliche in meinem Umfeld, aber das war es dann auch schon.
Ich finde es sehr schade, dass den Kindern für die sozialen Vereine die Zeit und vielleicht auch einfach das Interesse zu fehlen scheint. Sicher haben Kinder heutzutage auch weniger Zeit, weil die Schule länger dauert und der Ausgleich ist dann vielleicht der Sport. Deswegen kann ich mir schon vorstellen, dass das einfach der Grund dafür ist.
Ich will da auch jetzt nicht so wirklich pauschalisieren, da ich vermute, dass viele auch ganz eigene Gründe haben. So kenne ich zum Beispiel ein junges Mädel, die gerne ein soziales Jahr machen wollte, was sich in Bewerbungen auch später immer gut tut, aber die Mutter das verboten hat. Ausbildung ist wichtiger und seither macht sie eine Ausbildung, die ihr zu 0,0 gefällt. Sie ist aber bald fertig, zieht dann aus und macht ihr soziales Jahr, wenn sie es dann noch kann, dann.
Es gibt auch Jugendliche, die vielleicht wirklich eher unwissend sind. Damals zu meiner Zeit war die Freiwillige Feuerwehr ein Thema. Wenn einer da war, kannte man es und hat sich vielleicht auch interessiert. Heute ist das Interesse nicht da oder die Leute nicht, die informieren können. Vielleicht ist das ein Grund. Nicht das in Zeiten des Webs das eine Entschuldigung sein sollte. Doch freiwillig ohne Bezahlung macht eben auch manch einer Erwachsener nichts gerne.
In meiner Umgebung kenne ich keine, was nicht bedeuten soll, dass es keine gibt, Pfadfinder-Vereine. Auch sind die Jugendhäuser hier schon um die Ecke auch geschlossen. Das macht es manchmal auch nicht so leicht, dass sich Jugendliche mit anderen besser außerhalb des Internets vernetzen, um dann mal zu erfahren, was die so machen.
Ich kenne jetzt in meiner Umgebung kaum etwas, wo Jugendliche etwas freiwillig tun könnten, was auch zum Beispiel eine soziale Komponente mit sich bringt. Es wird wohl sicherlich etwas geben, aber was? Ich habe da gar keine Ahnung. Freiwillige Feuerwehr kenne ich 2 Anlaufstellen, die aber aus gewissen Stadtteilen wirklich 1 bis 1½ Stunden Fahrtweg weg sind. Ich glaube, das schüchtert dann auch ein.
Ich würde auch vermuten, dass hier unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen. Beispielsweise ist das Angebot an Freizeitgestaltung online wie offline erheblich umfassender als noch in meiner Jugend als klassischem Landkind. Sprich, wenn es gerade auf dem Dorfe außer Kinderturnen, Katholischer Landjugend und eben der Freiwilligen Feuerwehr keine Angebote gibt, ist der Zulauf auch auf die "sozialen" Vereine größer. Und auch die "Elterntaxis" sind nach meinem Eindruck sehr viel ausgebauter als anno dunnemals, sodass auch die breiter gefächerten Angebote in größeren Städten eher erreichbar sind.
Außerdem würde mir auch eine geänderte Einstellung zur Freizeitgestaltung von Kindern und Jugendlichen als Grund einfallen. "Früher" zu meiner Zeit hat man eben genommen, was man kriegen konnte. Heute habe ich eher den Eindruck, dass junge Menschen viel spezifischer gefördert und geformt werden, weil viele Eltern sie anscheinend als ihr Projekt ansehen. Und das kann man nicht einfach zur Jugendfeuerwehr schicken, damit es da herumtobt, Knoten machen lernt und mal einen Ausflug in den Freizeitpark macht. Da muss schon Chinesischunterricht her. Oder Violine. Außerdem schadet es nicht, schon früh Networking zu betreiben, und wenn es der Nachwuchs mal "zu etwas bringen" soll, hat der in der Wasserwacht oder beim Bäume pflanzen auch nichts verloren.
In meiner Jugend gab es eine Jugendfeuerwehr und einige aus meiner Schule waren dabei. Ich habe mich allerdings immer gefragt, was die da so anzieht, denn das sah nicht nach viel Spaß aus, sondern eher einem Trainingsprogramm, wenn auch abgespeckt. Mich hätte das nicht gereizt. Um ganz ehrlich zu sein, Themen wie Erste Hilfe oder Naturschutz hätten mich als Jugendliche auch ziemlich kalt gelassen. Ich wollte nach der Schule zudem zu Hause entspannen. So richtig konnte ich das nie verstehen, warum andere solchen Vereinen beitreten
Ich denke, dass ein Problem darin liegt, dass solche sozialen Vereine oft nicht bekannt sind, am Wohnort nicht existieren und es von den Eltern oder generell dem Umfeld auch nicht vorgelebt wird. Ich komme auch aus einem kleinen Dorf. Da gab es immerhin eine freiwillige Feuerwehr, aber weder waren da Frauen erwünscht noch gab es für Kinder oder Jugendliche da eine Möglichkeit, mit zu machen.
Im Nachbarort gab es eine Jugendgruppe des DRK, allerdings war das ein eingeschworener Klüngel, der niemanden von außen zuließ. Und damit hatte es sich im Dorf auch schon. Für irgendwas anderes hätte man in die nächste Kreisstadt gemusst. Und das waren zehn Kilometer Entfernung mit vielen Steigungen, ohne Radweg oder öffentliche Verkehrsmittel. Uns fehlte damals also weder Zeit noch Interesse, sondern einfach die Möglichkeit.
Ich lebe inzwischen wieder auf einem "Dorf", das allerdings so groß ist, wie damals die Kreisstadt. Auch ist es mit Verkehrsmitteln viel besser ausgestattet. Allerdings sieht es mit Jugendgruppen in den sozial tätigen Vereinen eher dürftig aus. Das sind alles eher die "Männer"-Vereine wie Feuerwehr oder THW, oder eben die Runden der älteren Damen wie DRK oder die Landfrauen. Naturschutz scheint hier eher unbekannt zu sein.
Der Tierschutzverein, der auch das örtliche Tierheim betreibt, ist auch eher ein zwielichtiger Verein, der scheinbar irgendwelche Mauscheleien betreibt und seine Tiere lieber behält als abgibt. Irgendwas ist da zumindest gerade im Busch. Zusammengefasst lässt sich da aber sagen, dass alle diese Vereinigungen einfach junge Menschen eher abschrecken als anziehen. Es gibt dort keinen Platz für sie. Sie können sich dort nicht sinnvoll einbringen.
Warum sollten sie also dann ihre Zeit dort verplempern? Und ich denke, so wie es hier aussieht, sieht es wohl in weiten Teilen Deutschlands aus. Kinder und Jugendliche sind hier in Deutschland eher eine "Subkultur", die als Belastung angesehen werden, von denen man nicht erwartet, dass sie etwas Sinnvolles für die Gesellschaft machen können, und die vieles ohnehin nicht dürfen aufgrund des Minderjährigenschutzes oder irgendwelcher anderen Gesetze.
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