Falsch, Arbeit als Berufung zu sehen?
Für manche Menschen ist die Arbeit nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung und mit entsprechender Leidenschaft üben sie auch ihren Beruf aus. Viele Ratgeber raten auch dazu, dass man mit Leidenschaft arbeiten sollte, ansonsten müsse man was ändern. Nun bin ich auf eine Autorin aufmerksam geworden, die da komplett anderer Meinung ist. Sie meint, dass es falsch wäre, seinen Job als Berufung anzusehen, weil man durch die Leidenschaft für den Beruf schneller ausbrennen würde.
Was haltet ihr von dieser Aussage? Meint ihr, dass da etwas dran ist? Ich bin der Ansicht, dass es nichts mit Leidenschaft oder Berufung zu tun hat, wenn jemand ausbrennt, sondern eher mit anderen Mechanismen wie Stressmanagement und Zeitmanagement. Wie seht ihr das? Welche Beobachtungen und Erfahrungen habt ihr in dieser Hinsicht gemacht?
Ich kann mir schon vorstellen, dass an der Aussage etwas dran ist. Wenn man sich sehr für einen Job engagiert, weil man ihn eben als Berufung ansieht und ihn auch gerne macht, dann kann man vielleicht nicht mehr so schnell und leicht an Pausen denken und dadurch brennt man dann auch schneller aus.
Aber wenn die Alternative dann ist, dass man einen Job macht, der einem nicht gefällt und bei dem man jeden Tag nur auf den Feierabend hin fiebert, dann muss ich sagen, dass es doch schöner ist, wenn man in dem Job auch eine Berufung sieht. Nur muss man eben auch an Pausen denken.
Ich halte es generell für (zu) viel verlangt, der Art des Broterwerbs eine übergroße Bedeutung zuzusprechen, wenn es sich nicht gerade um eine der seltenen Sparten handelt, die man wirklich nur aus Leidenschaft machen kann, weil man mit 30 in der Regel körperlich zerschunden und karrieremäßig weg vom Fenster ist, wie klassisches Ballett.
Wenn man glaubt, nur dann glücklich sein zu können, wenn der Job gleichzeitig der "Traumberuf" ist, in dem man voll aufgeht und ihn auch unbezahlt machen würde, sind die Enttäuschungen ja vorprogrammiert. Jede Form des geregelten Broterwerbs hat Schattenseiten, und sei es der Papierkram, das Leben aus dem Koffer oder das ewige Netzwerken für den nächsten Auftrag. In dem Sinne finde ich es auch eher hinderlich für die persönliche Zufriedenheit, wenn man darauf beharrt, dass der Beruf auch gleichzeitig Berufung sein muss.
Davon abgesehen finde ich es ganz logisch und nachvollziehbar, dass jemand, der seine Leidenschaft zum Beruf macht, einem höheren Risiko für Burnout ausgesetzt ist, weil es gefühlt eben einen Riesenunterschied macht, ob man für sich selber malt oder musiziert oder was weiß ich oder ob einem die Kunden im Nacken sitzen, wieso das Porträt von Opa so lange dauert oder wenn man eine Hochzeit nach der anderen musikalisch abfiedelt.
Das ist ein schwieriges Thema. Es kommt ganz darauf an, was für ein Beruf das ist. Wenn man zum Beispiel als Künstler arbeitet und letztendlich nur Auftragsarbeit machen kann, wird einem die Kunst vielleicht später nicht mehr so viel Spaß machen. Dennoch finde ich, dass man immer seine Leidenschaft oder seine Berufung auch zum Geld verdienen nutzen sollte, wenn das möglich ist. Vielleicht bringt es einem nicht mehr so viel Spaß, aber man muss wenigstens nicht jeden Tag einen Job machen, der einem gar keinen Spaß macht.
Wir verbringen die Hälfte unseres Lebens mit und auf der Arbeit. Ich denke schon, dass man diese dann auch nach den eigenen Interessen auswählen sollte. Wenn es einem nichts ausmacht einen Job zu haben, ist das ja ok. Ich finde aber die Berufung für etwas ganz toll. Auch wenn es seine Schattenseiten hat.
Täubchen hat geschrieben:sondern eher mit anderen Mechanismen wie Stressmanagement und Zeitmanagement
Zunächst finde ich es grundsätzlich falsch und zu kurz gegriffen, in solchen Fällen auf ein "selber schuld" zurückzugreifen. Es mag richtig sein, dass "Leidenschaft für den Beruf" hier nicht alleinverantwortlich ist. Aber auch ein Einfaches "selber schuld" trifft die Sache nicht.
Ansonsten ist es so, dass der Beruf tatsächlich für den Lohnerwerb gedacht ist. Ob ein Mensch jetzt eben in dem Beruf eine Berufung sehen soll - oder sich gar mit dem Beruf identifizieren soll, halte ich für schwierig. Allein die Vorstellung, dass dann der Beruf zum Leben wird - die Arbeit also Lebensinhalt - ist etwas sehr Riskantes. Denn dann besteht die Gefahr, dass durch eigentlich unbeteiligte Dritte die eigene Lebensplanung völlig durcheinandergebracht wird. Das eigene Leben durch den Arbeitgeber bei unglücklichen Konstellationen "zerstört" werden kann. Und das wäre schlicht zu viel. Es geht bei der Arbeit eben nicht "um das Leben". Was aber nicht bedeutet, dass es natürlich von Vorteil ist, wenn man seinen Beruf "gerne" ausführt. Einfach, weil so viel Zeit dafür aufgebracht wird. Aber die eigene Berufung sollte man außerhalb suchen. Unabhängig von Arbeitgeber, Job oder Leistungsdruck.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass die allermeisten Menschen ihren Job nicht als Berufung ansehen. Tatsächlich machen 70 - 80 Prozent aller Arbeitnehmer nur Dienst nach Vorschrift. Bürojobs sind doch in den wenigsten Fällen wirklich erfüllend. Genauso bereitet es wohl kaum Erfüllung, täglich in körperlich anstrengender Arbeit zu malochen, um mit Mitte 50 einen kaputten Rücken und Knie zu haben.
Mit etwas Glück findet man einen Job, der zumindest etwas Spaß macht, sodass man sich nicht täglich zur Arbeit zwingen muss. Mir fallen wenige Jobs ein, die man als Berufung empfindet, dazu zählt für mich der Arztberuf und kreative Berufe. Aber es ist nur ein kleiner Teil der Menschen, der das Glück hat, solchen erfüllenden Berufen nachzugehen.
Alles in allem finde ich es falsch, in der eigenen Erwerbstätigkeit unbedingt eine Berufung sehen zu wollen, denn es ist einfach unrealistisch. Ich sehe da aber auch keinen Zusammenhang zu Burn-out. Das entsteht meiner Vermutung nach eher durch eine Mischung aus sehr viel Arbeit und mangelndem Lob bzw. Anerkennung.
Ich glaube nicht das es einem Zusammenhang gibt zwischen der Leidenschaft die ich für einen Beruf empfinde und dem Ausgebrannt sein gibt. Wenn dann noch eher wenn man eben seine Arbeit nicht mag und sehr ungern dorthin geht. Dann verstehe ich es noch wenn man irgendwann ausgebrannt ist. Denn ein Burn Out muss nicht immer zwangsläufig bedeuten das man schlicht überarbeitet ist sondern kann auch durch Unzufriedenheit mit seinem Leben oder eben mit der Arbeit zusammen hängen. Deshalb denke ich das man eher ausgebrannt ist wenn man mit seiner Arbeit unzufrieden ist als wenn man Sie gerne tut.
Übrigens finde ich die Aussage das man seine Arbeit wechseln sollte wenn man Sie nicht mit Leidenschaft macht für ganz schön vermessen. Die meisten arbeiten schlicht wegen des Geldes und das ist auch völlig in Ordnung. Wenn nur noch jeder das macht was ihm Spaß mach wird bald die ganze Wirtschaft still stehen. Denn die meisten können sich wohl schönere Dinge vorstellen als auf dem Bau zu stehen, unfreundlichen Kunden ihr Essen zu bringen oder Klos zu putzen. Das muss nicht bedeuten das diese Leute ihre Arbeit unerträglich finden. Aber ich wage mal zu behaupten das die wenigsten Arbeiter mit Leidenschaft an ihre Arbeit heran gehen.
Ich glaube zum einen wie viele her, dass für die meisten Menschen der Beruf wohl keine Berufung sein dürfte. Sicherlich gibt es bestimmt auch Menschen, die für ihr Leben gerne putzen oder mit Leib und Seele Briefe ausliefern oder sich nichts schöneres vorstellen können als bei 40°C im Sommer draußen auf der Baustelle zu hocken und sich gleich noch körperlich zu betätigen. Aber ich denke, die meisten Menschen finden sowas dann doch nicht so erfüllend, dass sie deswegen aus Berufung Postbote, Reinigungskraft, Maurer oder sonst was werden oder mit Vorliebe ins Büro rennen. Das finde ich aber auch nicht schlimm. Jeder Beruf wird gebraucht und auch wenn man seinen Job nur macht, damit man am Ende des Monats eine Überweisung auf das Konto kommt ist das doch in Ordnung.
Auch darf man ja nicht vergessen, dass nun einmal nicht jeder Menschen auch jeden Beruf ausüben kann. Sei es weil Talent fehlt oder die körperlichen Voraussetzungen oder eben auch hin und wieder die geistigen Voraussetzungen. Das ist eben so und ich bin mir auch sicher, dass es genug Sportler gibt oder auch Künstler oder eben auch Ärzte, die in ihren Berufen keine Berufungen sehen, sondern einfach festgestellt haben, dass sie das halt einfach gut können, aber trotzdem gerne einen geregelten Arbeitstag nachgehen ohne den ganzen Tag zu trainieren oder zu arbeiten.
Dennoch dürfte es sicher nicht von Nachteil sein, wenn man auch einen Beruf ergreift, den man gerne macht. Wenn die Arbeit aber zur Berufung wird, dann ist es oftmals eine Gratwanderung zwischen überdurchschnittlichen Engagement und Selbstaufopferung. Solange man noch allein ist, dürfte das oft noch unproblematisch sein. Wenn dann aber irgendwann Freunde und Familie unter der Arbeitswut leiden, dann dürfte es eben doch nicht mehr so gut sein sich berufen zu fühlen.
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