Existiert die Jungfernsteuer in Deutschland immer noch?

vom 27.05.2016, 12:32 Uhr

Ich habe gestern eine sehr interessante Diskussion mitbekommen. A erzählte B von einer so genannten Jungfernsteuer, die Anfang des 18. Jahrhunderts noch erhoben wurde. Damals musste eine Frau, die im Alter zwischen 21 und 40 Jahren nicht verheiratet war, zwei Groschen Jungfernsteuer im Monat bezahlen, um die Familien mit Kindern zu entlasten.

A ist froh darüber, dass es die Jungfernsteuer in dem Sinne nicht mehr gibt, wobei B aber anderer Ansicht ist. B ist der Ansicht, dass die Steuerklassen eine "moderne" Form der Jungfernsteuer wären, da hier die Ledigen ja auch mehr Steuern bezahlen müssen als verheiratete Ehepaare.

Wie denkt ihr darüber? Seid ihr der Ansicht, dass die Jungfernsteuer aus dem 18. Jahrhundert in Deutschland immer noch, nur eben in modernerem Gewand, existiert? Oder ist diese These kompletter Blödsinn?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Im Prinzip gibt es das noch, nur umgekehrt. Es gibt eine Menge von staatlichen Leistungen für Familien. Die bekannteste und vielleicht auch größte Leistung dürfte wohl das Kindergeld sein. Immerhin bekommt jedes Kind so insgesamt eine fünfstellige Summe vom Staat.

Das Geld muss ja irgendwoher kommen. Kinderlose Menschen müssen im Verhältnis mehr Steuern bezahlen. Auch wenn sie nicht direkt eine "Jungfernsteuer" zahlen, kommt das im Endeffekt auch das Gleiche heraus.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Das, was man im 18. Jahrhundert unter Steuern verstanden hat, ist mit unserem modernen Steuersystem kaum zu vergleichen. Das ist so, als würde man das moderne Schmerzensgeld mit dem mittelalterlichen Wergeld vergleichen, welches an die Angehörigen des Opfers gezahlt wurde, um der Blutrache zu entgehen.

Außerdem handelt es sich hier allem Anschein nach um ein vorübergehendes Experiment zur Förderung des Bevölkerungszuwachses, welches nur in Berlin überhaupt bekannt war. Heute Steuern sind da doch um einiges einheitlicher. Ich würde daher sagen, dass seit den 1780er Jahren doch zu viel Wasser die Spree hinunter gelaufen ist, als dass man eine derart plumpe Parallele ziehen könnte.

Zudem ist ja gar nicht klar, ob die sicherlich nicht allzu beträchtlichen Einnahmen aus der Jungfernsteuer wirklich zur Förderung der Eheschließung und damit der geregelten Fortpflanzung verwendet wurden oder ob es sich nicht eher um eine Strafzahlung zur Ermunterung des brachliegenden weiblichen Fortpflanzungspotenzials dienen sollte.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



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