Eure Reaktion bei Essstörung eurer Mitbewohnerin?
Ich habe da eine dringende Frage auf dem Herzen. Wie würdet ihr reagieren, wenn ihr erfahren würdet, dass eure neu zu gezogene Mitbewohnerin eine Essstörung hat? Genauer gesagt, Bulimie (Ess-Brech-Sucht)? Würdet ihr Ekel empfinden? Hättet Ihr Verständnis? Was wäre euer erster Impuls?
Mein erster Impuls wäre wohl so etwas in der Art wie: Oh, schon wieder. Ich war nämlich mal sehr oft in einer WG zu Gast, auch über Nacht, wo eine dauerhafte Mitbewohnerin eine sehr schwere Form der Bulimie hatte. Zum Glück waren die Zimmer und das Bad weit genug auseinander und hinreichend gut isoliert, dass man von ihren Brechanfällen akustisch nie etwas mitbekommen hat. Sie war da wohl aber auch Profi im Verbergen, obwohl sie wirklich täglich mehrere Male gebrochen hat.
Wie man so etwas beurteilt, hängt von den eigenen Erfahrungen und der Persönlichkeit ab, ich zum Beispiel habe zwar keine Emeto-Phobie, kann aber diese Geräusche, die beim Übergeben entstehen, nicht sonderlich gut hören, schon gar nicht, wenn ich selbst gerade esse, da bin ich irgendwie empfindlich. Von daher wäre mein zweiter Gedanke wohl, ob das Bad hinreichend gut schallisoliert wäre.
Mein letzter Gedanke, der sich auch auf gemachte Erfahrungen stützt, wäre der an meine eigenen Vorräte. Die bulimische Mitbewohnerin hat sich nämlich, wenn es ganz schlimm war, auch sehr gerne an den Fressalien der anderen bedient, sodass man vor allem die Süßigkeiten immer verstecken musste. Wenn man sie irgendwo liegengelassen hatte, waren sie garantiert am nächsten Tag verschwunden. Wie übrigens auch manchmal die Zahnpasta, denn wer bis zu einem Dutzend Mal am Tag kotzt, braucht auch viel davon.
Wenn die Sache mit dem Bad und dem Essen aber nicht zutreffen würden, wäre ich ansonsten gelassen, es ist ja nicht ansteckend. Geekelt habe ich mich übrigens nie und auch keiner der anderen. Es war halt einfach so, wie es ist, alle haben die Krankheit akzeptiert. So etwas macht einen Menschen ja auch nicht in der Gesamtheit aus, sie war jetzt nie nur die Frau mit Bulimie.
Mein erster Gedanke wäre hier definitiv nicht die Sorge um mein hygienisches Bad, oder ob man Kotzgeräusche bis in mein Zimmer hören könnte, sondern eher die Sorge, wen ich benachrichtigen sollte, wenn sie bewusstlos im Flur liegt, weil Herz oder Nieren nicht mehr mitmachen und wie lange es dauert, bis zum ersten Mal der Krankenwagen fällig wird, und ob ich mir wirklich den Schuh anziehen soll, zumindest teilweise die Verantwortung für die Gesundheit eines anderen Menschen zu übernehmen.
Meines Wissens ist eine Ess-Störung nämlich nicht nur eine Unannehmlichkeit, welche manchmal etwas nervt, sondern kann durchaus gesundheitsgefährdende bis lebensgefährliche Züge annehmen, wenn man keine Hilfe bekommt, und lange genug darunter leidet. Helfen könnte ich einer betroffenen Person sowieso nicht, und ihr Leiden einfach zu ignorieren, solange die eigenen Lebensmittelvorräte unangetastet bleiben, würde ich auch rein zwischenmenschlich nicht bringen. Wie gesagt, es handelt sich hier ja nicht um eine Macke wie eine riesige Schuhkollektion im Flur oder den Hang, die Klopapierrolle nicht auszutauschen, sondern um eine handfeste Krankheit.
Ich könnte also aus meiner Sicht entweder so tun, als wäre alles in Ordnung, oder wäre ständig im Zustand latenter Sorge um diesen Menschen, ohne wirklich helfen zu können. Daher würde ich mir vermutlich eine andere Wohnung suchen und das ständige Drama, welches mit einer Ess-Störung einher geht, hinter mir lassen müssen.
Ich habe keine Erfahrungen mit der Krankheit. Daher wäre ich vor allem erst mal unsicher, was ich denn tun soll. Also würde ich sie einfach fragen. Soll ich mein Essen wegschließen? Die Süßigkeiten verstecken? Soll ich ihre Eltern benachrichtigen, wenn es richtig schlimm wird? Wie ist dann ihre Stimmung? Muss ich auf irgendetwas Rücksicht nehmen? Oder soll ich ihr dann auch mal in den Arsch treten?
Eklig fände ich es nicht. Ich will ja mit der Mitbewohnerin nicht rumknutschen und was andere im Bad machen, will ich generell nicht wissen. Ich bin da auch nicht empfindlich, wobei ich natürlich auch keinen Spaß daran hätte, jeden Tag jemanden brechen zu hören. Mir würde dann vor allem immer ein bisschen mitleiden.
Das Mitleiden ist auch so eine Sache. Es handelt sich hier immerhin um eine neuzugezogene Mitbewohnerin. Das klingt nicht gerade nach jahrelanger Freundschaft. Somit wird man da ganz schön in die Angelegenheiten einer fremden Person hineingezogen. Wie sehr soll man sich da involvieren lassen? Wie sehr wird man zwangsläufig involviert, weil man eben eine Tür weiterwohnt? Es kann schon sein, dass man irgendwann entscheiden muss, wen man informiert, die Eltern, die Psychiatrie oder den Krankenwagen?
Also meiner Meinung nach gibt es einiges zu besprechen. Bulimie ist ja auch nicht immer gleich. Vielleicht ist sie schon lange auf dem Weg der Besserung, einmal Alkoholiker, äh Bulimiker, immer Bulimiker. Es kommt dann auch sehr darauf an, ob ich die Person mag. Vielleicht vergeht bis zu ihrer ersten Attacke ein paar Monate und bis dahin sind wir beste Freundinnen. Oder sie ist mehr der Typ Zweck-WG-Mitbewohner und man sieht sie nie und bekommt dann auch nichts von der Bulimie mit.
Ausprobieren würde ich es auf jeden Fall. Ich könnte ihr nicht aufgrund einer Krankheit eine Absage erteilen oder wegen ihr ausziehen. Schon gar nicht aus Angst und ohne es genau zu wissen.
Ich möchte meinen Beitrag jetzt nicht so verstanden wissen, als dass es mir nur um das Bad oder meine Bequemlichkeiten ginge, aber letztlich muss man die Sache bezüglich der Krankheiten der anderen einfach pragmatisch sehen. Umso gelassener und selbstverständlicher der Umgang, umso besser für alle Beteiligten. Meiner Erfahrung nach hilft man Menschen mit Krankheiten, egal ob psychisch oder physisch, egal ob eine Sucht- oder andere Erkrankung immer am besten, wenn man die Lage nun mal so akzeptiert, wie sie eben ist, ohne ein gesteigertes Aufsehen darum zu machen.
Ein selbstverständlicher Umgang und eine Akzeptanz von außen kann den Leuten das Leben viel einfacher machen, wenn die anderen nicht besorgt um sie kreisen oder sie verunsichert mit Samthandschuhen angefasst werden. Und man darf sich weder zum Co-Abhängigen machen, mitleiden noch sich in vermeintliche Dramen mit hineinziehen lassen. Aber dazu braucht man vielleicht wirklich Erfahrung mit solchen Menschen bzw. Themen, dann sieht man manches anders und was nach außen kühl wirkt, ist eher aus dem regelmäßigen Umgang geboren und der pure Pragmatismus. Das mit der Erfahrung meine ich jetzt auch in keiner Weise irgendwie herablassend.
Ich habe noch zwei weitere Freundinnen gehabt mit Bulimie, bei einer bekam ich es 20 (!) Jahre nicht mal mit, denn Bulimikerinnen haben oft ein sehr hohes Funktions-Niveau. Umgekippt ist auch nie jemals eine von ihnen und selbst wenn so etwas passieren sollte, tut man, was getan werden muss. Schließlich kann auch ein Diabetiker, ein Herzkranker oder ein Epileptiker regelmäßig oder mit einer noch höheren Wahrscheinlichkeit einfach so mal umfallen.
Wie soll man denn da reagieren? Sorgen um mein Bad oder die Hygiene hätte ich nicht. Betroffene werden das ja sicherlich sauber machen, wenn sie etwas daneben erbrochen haben. Ich finde es eigentlich ganz gut, dass man offen damit umgeht, das heißt ja auch irgendwie dass man daran arbeiten möchte und das ist doch schon mal ein guter Schritt in die richtige Richtung.
Mich würde das nicht weiter stören oder kümmern, Wenn ein Mitbewohner so etwas haben würde, dann wäre es eben so. Auch wenn dieses Problem noch akut bestehen würde, würde es mich nicht stören. Es ist nun mal so und die Brechgeräusche sind dann nun mal so. Es ist doch eine Krankheit und deswegen muss man auch irgendwie damit leben lernen, wenn Menschen im Umfeld diese Erkrankung haben.
Ich würde wahrscheinlich versuchen neutral zu wirken und mein Mitleid zu verstecken. Wenn es ihr schlecht ginge, dann würde sie wissen, dass ich mich mit ihr und diesem Thema auseinandersetze und auch auf die Rücksicht nehmen kann. Leider kann man Essgestörten nicht immer helfen, sie müssen den ersten Schritt selbst machen oder benötigen auch professionelle Hilfe.
Ich würde mich nicht vor meiner Mitbewohnerin ekeln, nur weil sie sich erbricht. So nahe kommt man sich auch nicht und ich denke nicht, dass sie die Toilette in einem schlechten und unsauberen Zustand hinterlässt. Vor allem wenn sie ihre Bulimie verheimlichen möchte, kann sie das Erbrochene nicht einfach auf dem Boden liegen lassen.
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