Erst Wurzeln fassen, wenn man mit altem Wohnort abschließt?
Eine Freundin hat seit Jahren immer wieder Heimweh. Sie meint, dass sie immer hofft, doch nochmal in die alte Heimat zurückziehen zu können. Allerdings hat sie in ihrem neuen Wohnort ein Leben aufgebaut und auch einen Partner, der nicht wegziehen möchte. Für sie bedeutet das, dass sie sich trennen müsste, wenn sie denn in ihre alte Heimat zurück wollen würde.
Nun hat ihr jemand gesagt, dass sie ihr Heimweh nur dann los wird, wenn sie mit ihrem alten Wohnort abschließen würde. Sie müsste den Gedanken aus dem Kopf bekommen, dass sie nochmal irgendwann dort leben wird. Erst dann wäre sie fähig im neuen Wohnort Wurzeln zu fassen. So könnte sie sich ja gar nicht auf das neue Leben einlassen, weil sie immer noch die Hoffnung hegen würde, irgendwann in die alte Heimat zurück zukehren.
Meint ihr auch, dass man sich erst heimisch fühlen kann, wenn man mit dem alten Wohnort komplett abgeschlossen hat? Wie soll meine Freundin das am besten machen? Kann man sich an den Gedanken gewöhnen, nie wieder in der alten Heimat zu leben? Wird sie so erst ihr Heimweh loswerden? Oder meint ihr, dass das doch Quatsch ist?
Das kommt immer darauf an, wie sehr man mit dem alten Wohnort verwurzelt ist. Ich könnte mich recht leicht von Wien lossagen. Bei unserem Landhaus wäre es schon viel schwerer, weil das Haus und die Gegend mir viel mehr bedeuten. Dort gibt es noch so etwas wie Heimat, was in Wien in den letzten Jahren total ruiniert wurde und sich das auch in den Nachbarn widerspiegelt, die man extra aus den bekannten Ländern eingeflogen hat. Im Zeitalter der sozialen Medien kann man sicher auch leichter mit den alten Freunden in Kontakt bleiben.
Ich verstehe das Problem nicht wirklich. Erstens schreibst du nirgends, was an diesem alten Wohnort so toll ist im Vergleich zum neuen und zweitens schreibst du nicht, wo sich der Wohnort befindet oder befand und wie die Lebensumstände generell aussehen.
Es ist doch ein großer Unterschied ob ich aus einem Brandenburger Dorf wegziehen musste weil es dort keine Arbeit gibt oder ob ich aus meiner zerbombten Syrischen Heimatstadt fliehen musste. Das Brandenburger Dorf kann ich jederzeit besuchen, da kann ich auch wieder hinziehen wenn ich in Rente bin, aber wenn dein alter Wohnort nicht mehr existiert dann wird das schwierig.
Ich verstehe auch nicht, warum man mit seiner alten Heimat unbedingt abschließen muss um sich irgendwo anders einzuleben. Wie soll das aussehen? Darf man dann die Oma im Brandenburger Dorf nicht mehr besuchen? Oder darf man sich die Fotos von seinem alten Haus nicht mehr anschauen, das jetzt nur noch ein Schrottberg ist?
Cloudy, du hast es missverstanden. Meine Freundin hat immer den Gedanken, dass sie doch irgendwann wieder in die alte Heimat ziehen und dort leben könnte. Soweit ich weiß hat sie noch Verwandte dort und würde irgendwann das Haus der Eltern erben. Sie ist so zwischendurch mal zu Besuch dort, aber sie meint, dass ihr das auf die Dauer doch nicht reichen würde und sie trotzdem öfter Heimweh hätte.
Allerdings hat sie nun eben gesagt bekommen, dass sie nur von dem Heimweh loskommen würde, wenn sie den Gedanken verabschiedet, doch nochmal in der alten Heimat zu wohnen. Es geht wirklich darum, dort leben zu wollen und nicht etwa die Oma oder sonstige Verwandte mal zu besuchen.
Nelchen hat geschrieben:Cloudy, du hast es missverstanden
Ich glaube eher, dass du Cloudy missverstanden hast. Cloudy hat doch gesagt, dass es einen großen Unterschied macht, ob die Heimat in dem Sinne noch existiert oder ob sie durch andere Faktoren wie Krieg oder Naturkatastrophen komplett zerstört worden ist. Wenn der alte Wohnort noch existiert, warum sollte man dann zwangsläufig damit abschließen müssen, da jemals wohnen zu können? Das ist doch unlogisch. Das Leben ist im Fluss und ständigen Veränderungen unterworfen. Was heute nicht ist, kann morgen schon sein.
Meiner Freundin wurde geraten, mit der alten Heimat als Wohnort abzuschließen, weil sie sonst nie das Heimweh überwinden würde. Sie würde sonst kein Leben im neuen Zuhause aufbauen können und sich wahrscheinlich nie richtig wohl und zu Hause fühlen. Dafür wäre es wichtig, sich von dem Gedanken zu verabschieden, nochmal in der alten Heimat zu wohnen.
Nelchen hat geschrieben:Dafür wäre es wichtig, sich von dem Gedanken zu verabschieden, nochmal in der alten Heimat zu wohnen.
Du schreibst, dass sie das Elternhaus erben wird. Wird sie dann das Haus verkaufen oder wie? Dann könnte sie ja hinterher doch noch dort leben, wenn sie wollte. Außerdem gibt es das Konzept der Wochenend-Beziehung, sodass sie beides unter einen Hut kriegen und kombinieren könnte, wenn sie wollte. Ich verstehe nicht, wie man zwangsläufig mit einem Wohnort abschließen muss, wenn das doch nicht notwendig ist.
Abgesehen davon sind es für mich zwei verschiedene paar Schuhe, wenn man einerseits Heimweh hat und andererseits woanders neu wurzeln möchte. Das eine hat doch mit dem anderen gar nichts zu tun zwangsläufig. Ich habe auch schon in Städten gelebt und das über Jahre ohne dort wirklich Wurzeln zu schlagen und das auch wenn ich gar kein Heimweh kenne.
Nelchen hat geschrieben:Meint ihr auch, dass man sich erst heimisch fühlen kann, wenn man mit dem alten Wohnort komplett abgeschlossen hat?
Würde ich nicht sagen, weil für meine Begriffe das eine mit dem anderen gar nichts zu tun hat. Denn selbst wenn man sich am neuen Wohnort eine neue Existenz aufgebaut hat, dann kann es ja dennoch sein, dass man dort nie wirklich warm wird. Und da hilft auch kein "Abschließen" mit der alten Heimat, denn wenn man Heimweh hat, dann ist es eben so und solche komischen Ratschläge mit alter Heimat und neuer Heimat, die finde ich auch sinnlos.
Ich glaube, dass der Rat noch etwas anders gemeint ist. Abschließen meint hier nicht, dass man seine alte Heimat negieren, vergessen oder möglichst meiden soll, sondern auch emotional ein inneres Bekenntnis zur neuen Heimat abgeben muss, bevor man sich wirklich heimisch fühlt. Man kann an einen Ort ziehen und dort Jahre oder sogar Jahrzehnte leben, aber doch niemals dort ankommen. Für manche ist das okay, für andere ein unerträgliches Gefühl.
Solange man immer im Hinterkopf hat, dass man sich in der neuen Heimat nicht so wohlfühlt und eigentlich lieber woanders wohnen möchte, wird das auch nichts. Dann hat man die äußere Entscheidung zum Umzug getroffen, aber innerlich ist man noch an einen anderen Ort gebunden, das kann ein sehr belastendes Gefühl sein. Globalisierung ist eben nichts für jeden.
Es kann ja auch sein, dass die Abnabelung an die Kernfamilie nicht richtig geglückt ist oder dass man die eine Abhängigkeit von den Eltern gegen die Abhängigkeit von einem Partner eingetauscht hat, der sich dann als nicht passend für diese Rolle erwiesen hat. Dann ploppen plötzlich solche Gefühle auf, die eigentlich nur ein Stellvertreter sind für einen anderen Mangel.
Verbena hat geschrieben:Es kann ja auch sein, dass die Abnabelung an die Kernfamilie nicht richtig geglückt ist oder dass man die eine Abhängigkeit von den Eltern gegen die Abhängigkeit von einem Partner eingetauscht hat, der sich dann als nicht passend für diese Rolle erwiesen hat. Dann ploppen plötzlich solche Gefühle auf, die eigentlich nur ein Stellvertreter sind für einen anderen Mangel.
Interessante These meiner Ansicht nach. Was ist deiner Ansicht nach dieser andere Mangel? Zu wenig Selbstbewusstsein? Zu wenig Selbstständigkeit und Unabhängigkeit, da man nie alleine gelebt hat und sich gefühlt von einem gemachten Nest (Eltern) ins nächste Nest (Partner) gesetzt hat? Mangelnde Selbstverwirklichung und Selbstentfaltung?
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