Erst Lehramt studieren, dann in die Politik, warum?

vom 05.03.2015, 21:43 Uhr

Dann bin ich von ganz falschen Voraussetzungen ausgegangen. Die vielen Lehrer, die im Bundestag sitzen, können dann natürlich keine allgemeine Änderung vereinbaren. Das ist schade und wirklich nicht schön. Manche der einzelnen Länder sind dann fortschrittlicher im Schulwesen und andere hinken hinterher, zum Nachteil der Kinder.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Cid hat geschrieben:Ein Examen aus Nordrhein-Westfalen kann doch nicht so viel anders sein, als das in Mecklenburg-Vorpommern. Es ist doch nicht so, als wenn Nordrhein-Westfalen in Russland liegt und es dort andere Prüfungsbedingungen gibt. So könnte ein Lehrer ja niemals in ein anderes Bundesland umziehen, weil er das falsche Examen hat. Für mich ist das echt ein Witz. Und warum die Lehrer in Bayern mehr verdienen, verstehe ich auch nicht. Sie müssen sicherlich nicht mehr dafür leisten, oder?

Um im Bild zu bleiben: Aus der Sicht der Lehrerausbildung liegt Nordrhein Westfalen tatsächlich in Russland und Berlin auf dem Mond, wohingegen Bayern in einer anderen Galaxie angesiedelt ist. Das Studium von Bundesland zu Bundesland unterscheidet sich erheblich. Das fängt schon damit an, dass es im Bundesland A möglich ist, die Kombination zweier Fächer zu wählen, die im Bundesland B nicht kombiniert werden darf. In einzelnen Bundesländern gibt es sogar Schulfächer, die es in anderen Bundesländern gar nicht gibt.

Das führt dann dazu, dass man bei einem Umzug von Bundesland A nach Bundesland B innerhalb des Studiums eines der beiden Fächer nicht anerkannt wird und man ein komplettes Fach neu studieren muss, das laut Studienordnung zulässig kombiniert werden darf. "Mir san mir". Der Grundsatz gilt für die Lehrerausbildung bislang unverrückbar, nicht nur in Bayern. Und generell zweifeln Dozenten die Leistungen der Hochschulen in anderen Bundesländern von Grund auf erst mal an, Ausnahmen sind sicher möglich. Aber die Erfahrung zeigt aus meinem Bekanntenkreis in der Regel ein anderes Bild.

Nicht mal Staatsexamen werden anerkannt. Ich kenne jemand, der ist mit ersten Lehramts Staatsexamen von Baden Württemberg nach Berlin gezogen, und Berlin hat gesagt nö, wir erkennen der das Staatsexamen nicht an. Ist ja nicht von uns. Unglaublich? Nö. Die angehende Lehrerin musste statt ins Referendariat noch mal zwei (!) Semester an die Uni und zig Kurse dazu studieren. Ähnlich ging es einer Bekannten, die nach dem ersten Staatsexamen von Brandenburg nach Thüringen umzog. Mal ganz abgesehen von dem persönlichen Frust, der das verursacht: Meines Erachtens könnte man Steuergelder besser einsetzen.

Warum Bayern besser zahlt? Weil Bayern mehr Geld zur Verfügung hat und nicht so knapp bei Kasse ist, als andere Bundesländer. Ein Lehrer in einem Problembezirk in Frankfurt oder Berlin arbeitet sicherlich schwerer, als jemand in Bayern in einer Kleinstadt. Man kann das nicht vergleichen. Die Lehrer in Bayern haben sich halt den spendableren Arbeitgeber ausgesucht. Glück gehabt.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


@trüffelsucher, das ist unglaublich, was du berichtest. Da muss sich jeder Student darüber klar sein, dass er während des Studiums keinesfalls umziehen darf in ein anderes Bundesland, sonst fängt er teilweise wieder von vorne an zu studieren. Das sollte einfach geändert werden.

Sollte man sich in der Politik nicht erst einmal um den eigenen Staat kümmern und die ungleichen Bedingungen der einzelnen Länder angleichen zum Segen der Lehrer und Schüler, bevor man sich mit noch größeren Aufgaben in Europa befasst? Das heißt für mich schon fast: Nach außen versuchen zu glänzen und innen die Probleme auf sich beruhen lassen. Ich finde das unmöglich.

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge



Dazu kommt noch, dass zwar gerne vom Lehrermangel berichtet wird, aber zu einem großen Teil sind das theoretische Überlegungen. Denn man brauchte die Lehrer zwar, schafft aber die Stellen nicht, weil das Geld fehlt. Oder Stellen finden keine Bewerber, weil sie zu unattraktiv sind. In NRW gilt das für Rektorenstellen an Grundschulen. Aktuell ist hier jede achte Grundschule ohne Rektor.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



@cooper75, warum ist eine Rektorstelle an der Grundschule unattraktiv? Ich kenne eine Rektorin von der Grundschule. Jedesmal war sie immer sehr gestresst und in Eile, wenn ich sie zufällig mal traf. Da sie auch unterrichtete und nebenher die Stelle als Rektorin hatte, habe ich mir immer gedacht, dass sie überarbeitet ist. Ist es das, was du meinst oder sind noch andere Probleme, die mit dieser Stelle verbunden sind?

» Cid » Beiträge: 20027 » Talkpoints: -1,03 » Auszeichnung für 20000 Beiträge


Ja, genau das meine ich. Auf diesem Posten unterrichten die Lehrer weiter und übernehmen logischerweise einen Haufen zusätzlicher Aufgaben. Allerdings behält ein Rektor oder eine Rektorin die bisherige Vergütung der bisherigen Besoldungsgruppe, die an einer Grundschule wirklich jämmerlich ist. Es gibt stattdessen eine Zulage von üppigen 155 Euro und 3 Cent. Brutto versteht sich, das kommt nicht voll auf dem Konto an.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Theoretisch sollte es schon geädert werden. Aber so ein paar Studenten, die eben aus dem Raster fallen sind eben Kollateralschäden. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass die Schulsysteme in den nächsten Jahren in Deutschland einheitlich gemacht werden. Gleiches gilt meiner Meinung nach für die Lehrerausbildung. Da sind die Vorurteile zwischen den Bundesländern eben viel zu hoch. Könnte ja sein, dass man dadurch an Qualität verliert, wenn man mal was wie die im anderen Bundesland macht.

Warum eine Direktorenstelle unattraktiv ist? Es ist nicht nur das Geld, aber auch. Recherchiert doch mal, wie viele Stunden ein Direktor neben dem normalen Job an einer Grundschule oder weiterführenden Schule vom Unterricht frei gestellt wird. Es sind selten mehr als zehn Stunden die Woche. Sehen wir mal die Schule als Firma: Mitarbeiter müssen betreut werden, Finanzen geplant werden und Kunden (Schüler und deren Eltern) zufrieden gestellt werden.

Zudem muss man sich um die Ausbildung der Nachwuchskräfte (Praktikanten, Referendare) kümmern, wofür auch viel Zeit drauf geht, wenn man es ernst nimmt. Welches Unternehmen kann man wohl erfolgreich mit zehn Stunden die Woche führen? Das ist nicht mal eine richtige Teilzeitstelle, sondern weniger Stunden als eine geringfügige Beschäftigung. Da ist schon vorprogrammiert, dass man unbezahlte Überstunden machen muss. In der freien Wirtschaft würde so einen Vertrag kaum jemand unterschreiben.

Und dann hat man ja als Direktor noch das lustige Vergnügen, sich mit schwierigen Schülern befassen zu dürfen. Mancher kennt das vielleicht aus seiner eigenen Schulzeit. Solche Härtefallpädagogik muss einem auch liegen. Oder eskalierende Eltern, die ein Problem mit der Lehrkraft haben, landen auch schnell mal beim Direktor und die muss man dann wieder deeskalieren. Ist auch keine einfache Angelegenheit. Das kann ich voll verstehen, dass sich da so viele nicht um den Posten reißen.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



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