Erst durch bestimmte Situationen an Gott glauben?

vom 12.11.2016, 20:28 Uhr

Ich habe kürzlich mal einen Bericht über einen Mann im Fernsehen gesehen, der eine tödliche Krankheit hatte. Durch die Krankheit hat er seinen Glauben zu Gott gefunden, obwohl er bis dahin Atheist war. Er meinte dann, dass er es ohne den Glauben nicht geschafft hätte, gesund zu werden, was er dann eben auch geworden ist. Er betonte auch, dass er in der Situation einfach eine höhere Macht gebraucht hatte, an die er glauben konnte und die ihm Hoffnung geschenkt hat.

Ich kenne es eigentlich nicht so, dass Menschen in meinem Umfeld erst durch bestimmte Situationen zu ihrem Glauben zu Gott gekommen sind. Entweder sie sind Atheisten oder glauben schon immer an Gott. Habt ihr euren Glauben an Gott erst durch bestimmte Situationen gefunden?

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Es gibt doch viele Leute, die christlichen getauft und indoktriniert wurden - ich nehme mal an, dass du dich hier auf deinen christlichen Gott beziehst - und die dann irgendwann als sie älter wurden einfach kein Interesse mehr an der Religion hatten, die für sie ausgesucht wurde. Und warum sollte man dann nicht aus der Kirche austreten? Spart schließlich Geld.

Technisch gesehen ist man dann Atheist, aber man hat sich deshalb ja noch lange nicht mit Atheismus und kritischem Denken auseinander gesetzt. Man muss keine Ahnung von der Philosophie haben, man muss einfach nur keiner Religion angehören um Atheist zu sein.

Von daher finde ich es nicht weiter verwunderlich, dass jemand in einer Krise dann eben auch wieder empfänglich für die Propaganda der Kirche wird. Diese zählt ja auch ganz bewusst darauf ab genau solche Menschen zu re-indoktrinieren. Es ist schließlich verlockend wenn man in einer schwierigen Situation einfach Antworten geboten bekommt.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Ich habe so eine Situation in einer abgeschwächten Form schon selbst erlebt. Als wir 15 Jahre alt waren, hatte ein Freund von mir einen Unfall und schwebte in Lebensgefahr. Ich hatte natürlich riesige Angst um ihn und habe gehofft, dass er es schafft.

Und so saß ich da und dachte immer nur "Bitte, bitte, bitte". Wobei ich gar nicht wusste, an wen diese Bitte gerichtet war. Als Atheist habe ich ganz sicher nicht Gott angefleht. Um ehrlich zu sein - das mag jetzt doof klingen, aber ich war eben verzweifelt - habe ich mich letztlich an die Sonne gerichtet. Von allen Religionen der Menschheit erscheinen mir Sonnenreligionen noch am sinnvollsten.

Mein Freund ist übrigens gesund geworden und hat erstaunlich wenig Folgen dieses Unfalls zu tragen. Das schreibe ich aber nicht meinen Sonnengebeten zu. Ich musste in dem Moment nur irgendwie meine Gedanken formulieren und so ein Mantra hilft da ganz erstaunlich. Ich wollte mich auch gar nicht mit philosophischen oder religiösen Fragen aufhalten. Es hat einfach geholfen, damit die Gedanken nicht im Kreis laufen und man sich nicht ganz so hilflos fühlt.

Wenn ich das jetzt aber mal 100 nehme. Wenn ich mir vorstelle, dass die Situation noch viel, viel schlimmer wäre. Wenn es nicht nur um einen Freund, sondern um das eigene Kind geht. Wenn es nicht nach ein, zwei Tagen ausgestanden ist, sondern derjenige - oder sogar man selbst - monatelang um sein Leben kämpft. Dann kann ich mir sehr gut vorstellen, dass es unglaublich hilft, an eine höhere Macht zu glauben.

Ich kann mir allerdings dennoch nicht vorstellen, dass ich dann alle meine Zweifel über Bord werfe. Es sind ja nicht mal nur Zweifel. Ich glaube ja, felsenfest zu wissen, dass es keinen Gott gibt. Jedes Argument für die Existenz halte ich für schwachsinnig. Da kann ich mir nicht vorstellen, jemals das Gegenteil zu glauben.

Ich könnte mir höchstens vorstellen, dass ich in solch bedrohenden Situationen doch noch zu Philosophien nach dem Motto "Man muss sein Schicksal annehmen" oder "die eigene Sterblichkeit akzeptieren und sich dadurch frei fühlen" oder zu Yoga finde.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Ich glaube, dass es auch viele Leute gibt, die im Alter noch mal zu Gott finden. Vielleicht aus Angst etwas falsch gemacht zu haben und sich absichern zu wollen, aber auch durchaus aus dem Willen heraus sich mal aussprechen zu wollen. Zumal die Vorstellung des Paradieses, des Himmels und so weiter schon ganz gut ist, wenn man weiß, dass man bald sterben wird und nicht mehr lange hat. Außerdem denke ich auch, dass man schneller zu so einen Glauben kommt, wenn es gefährliche oder schwierige Situationen im Leben gibt.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Ich habe noch nie daran geglaubt was die Kirche zu vermitteln versucht. Glauben kann man vieles, aber eine Garantie ist das nicht auf den Himmel, die Hölle und wie man sich das auch vorstellt oder andere das einem beschreiben. Selbst mit Krebserkrankung mit ungünstiger Prognose war das das letzte an was ich gedacht habe meinen Glauben zu Gott zu finden, denn dieser hat sicherlich nicht dazu beigetragen irgendetwas daran zu verändern, es besser oder schlimmer gemacht.

Wenn ich etwas erreicht habe im Leben, dann aus eigenem Antrieb. Gott hat mir keine Ausbildungsstelle verschafft, mich nicht durchs Studium gemogelt und mir auch nicht das Haus finanziert, geschweige denn meine anderen Verbindlichkeiten. Bei Erkrankungen hat mir die moderne Medizin geholfen, das leiden gelindert oder auch behoben. Vielleicht hat der eine oder andere seine Forschung und bahnbrechenden Dinge durch seinen Glauben gefunden, vieles war aber auch nur Zufall oder Experimentieren wie der Wundschnellverband oder auch Penicillin.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


Ich denke, dass man erstens einmal differenzieren, ob man in einer Krisensituation einer Form der organisierten Religion zuwendet oder eher unabhängig vom Christentum oder was auch immer nach einer "höheren Macht" sucht. Letzten Endes ist es eine hoch persönliche Entscheidung, und ich kann auch nicht sagen, wie ich reagieren würde, falls es einmal heißt: Wenn Ihre Schwester die Nacht übersteht, hat sie eine Chance!" oder "Wenn die Medikamente anschlagen, haben Sie noch circa ein halbes Jahr!"

Ich bin nicht sehr religiös, aber dennoch mit dem Christentum aufgewachsen, und empfinde dies auch nicht als Nachteil. Ich könnte mir also schon vorstellen, mich wieder eher dem Glauben zuzuwenden, oder aber auch komplett davon abzufallen. Es kommt eben auf die Gesamtsituation und auf die Biographie des Einzelnen an. Beispielsweise kann ich mir auch vorstellen, dass sich jemand denkt, dass die Kirche doch nicht so ein Scheißladen ist, wenn eine karitative christliche Einrichtung ihm oder ihr in einer Notsituation den Hintern gerettet hat, während jemand anders die Hilfe schulterzuckend hinnimmt, weil es ja schließlich der Job dieser Spinner sei. Das hat aber mit den Glaubensinhalten schon gar nicht mehr viel zu tun.

» Gerbera » Beiträge: 11315 » Talkpoints: 48,61 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ramones hat geschrieben:Zumal die Vorstellung des Paradieses, des Himmels und so weiter schon ganz gut ist, wenn man weiß, dass man bald sterben wird und nicht mehr lange hat.

Das ist genau der Unterschied zwischen jemandem, der auf dem Papier Atheist ist und jemandem, der sich damit wirklich beschäftigt hat. Für mich wäre das christliche Szenario vom ewig Leben nach dem Tod das schlimmste, was man mir antun könnte. Eine Ewigkeit von egal was wäre irgendwann einfach nur noch Folter.

Wenn du alles erlebt hast, was man erleben kann, jeden Gedanken, den man denken kann, gedacht hast und dann immer noch eine unendliche lange Zeit vor dir hast, wäre das dann immer noch "schon ganz gut"? Wohl kaum. Ich genieße das Leben doch genau deshalb weil ich weiß, dass ich nicht unendlich viel Zeit habe und mache deshalb das beste aus der Zeit, die ich habe.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Bei mir ist es eher das Gegenteil. Ich bin eigentlich so erzogen worden, dass der Glaube an Gott alltäglich war. Meine Mutter war streng katholisch und hat uns Kindern nichts anderes vorgelebt. Aber durch viele Schicksalsschläge und viele Situationen in denen es mir mehr als schlecht ging, habe ich den Glauben an Gott eher verloren. Auch wenn ich sehe, dass es Menschen so schlecht geht, die es wahrlich nicht verdient haben, weil sie herzensgut sind frage ich mich, wo da der Gott ist der einem gerade in Krisenzeiten zur Seite stehen sollte.

Ich habe mich mehr als einmal gefragt, warum ein Gott so viel Ungerechtigkeit zulässt. Warum ein Gott Kinder hungern lässt und warum ein Gott zulässt, dass Kinder qualvoll sterben müssen oder sie gequält werden. Ich habe mich mehr als einmal gefragt, warum einem einzigen Menschen so viel Schicksalsschläge beuteln müssen. Auch habe ich mich mehr als einmal gefragt, warum ein Gott einer Familie einen liebenden Vater durch Tod nimmt und ein Vater, der Kinder und Frau schlägt leben lässt. Es gibt 1000 Dinge, wo ich mich frage, wo ist der Gott, der alles in der Hand hat und in Krisenzeiten einem Kraft geben soll.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Wenn nach dem Tod einfach alles so vorbei wäre und es keinen Gott gibt, dann macht ja das Leben auch keinen Sinn. Wozu sollte man sich dann noch an irgendwelchen moralischen Grundsätzen orientieren oder überhaupt leben, wenn ohnehin alles irgendwann vorbei ist? Da kann man sich doch auch gleich erschießen. Für mich würde das keinen Sinn machen, dann überhaupt zu leben.

Die Welt ist nicht vollkommen und viel Leid, was die Menschen erleiden, haben sie sich auch selbst eingebrockt, etwa wenn eine Frau bei einem Mann bleibt, der sie schlägt. Soll dann eine übermächtige Hand von oben kommen und denn Mann zerquetschen? Soll Gott die Panzer in Kriegsgebieten von einem auf den anderen Tag kaputt gehen lassen? Dann würden die Menschen mit etwas anderem aufeinander los gehen.

Dass irgendwo auf der Welt Kinder hungern hängt nicht damit zusammen, dass die da wirklich zu wenig Essen haben. Das sind komplexe wirtschaftliche Probleme, häufig betrifft das Kriegsgebiete, Überbevölkerung usw. Selbst wenn da jemand jeden Tag 10.000 Brote hinbringen würde, würde es bestimmt wieder andere Probleme geben.

Ich sehe Gott nicht als Wunscherfüllungsautomaten, wo man oben eine Münze hineinwirft und dann einen Wunsch erfüllt bekommt. Und ich sehe Gott auch nicht als bestechlich an, in dem Sinne, dass man sagt "ich war doch so brav, nun möge mein Leben perfekt sein". Ich glaube schon daran, dass Gott Fähigkeiten gibt, Einfälle, Ideen usw., aber ich denke nicht dass ein einfaches "gib mir bitte" und dann passiert es dem gerecht wird.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Oh, ein Thema nach meinem Geschmack. Ein Thema mit Tiefgang. Einer meiner Vorredner hatte geschrieben, dass man Atheist sei, wenn man keiner anerkannten Religion angehört. Das halte ich für schlichtweg falsch. Mit Gott meint man ja eine höhere Entität, welche die Welt erschaffen hat und für ein Leben nach dem Tod sorgt. Unter anderem zumindest. Und daran glaube ich ganz fest, ja ich versuche es sogar wissenschaftlich zumindest denkbar zu belegen.

Religion und Gott sind zwei grundverschiedene Dinge. So wie Schwerkraft und Physik. Das eine ist ein Naturgesetz und das andere eine Wissenschaft, welche Versucht dieses Naturgesetz zu beschreiben. Religionen gibt es viele, und noch mehr Abspaltungen der Einzelreligionen. Katholisch, Evangelisch, Sunniten und was weiß ich nicht alles. Ich bin der Meinung, dass man Gott mit Philosophie und Wissenschaft erklären soll, und keineswegs mit Religion.

Wenn man sich das Christentum oder den Islam anschaut, dann sieht man, dass diese Religionen sich auf Schriften beziehen, die große Widersprüche in sich aufzeigen. Man kann diese Geschichten lediglich als philosophische Texte ansehen, mehr nicht. Eine Annäherung an Gott kann nur über den Verstand und durch Überlegung geschehen. Dass sich Menschen gerade in schwierigen Momenten auf Gott besinnen, mag eben gerade darin begründet sein: In der Not fängt der Mensch endlich an zu denken.

» Freidenker28 » Beiträge: 749 » Talkpoints: 1,02 » Auszeichnung für 500 Beiträge


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