Erlebnisdruck durch Großstadtleben?
Eine Kommilitonin von mir hat bis vor kurzem noch in einer Kleinstadt gelebt und ist täglich zur Uni in der nächsten Großstadt gependelt, wodurch sie täglich knapp 4 Stunden in öffentlichen Verkehrsmitteln verbracht hat, was ihr auf Dauer verständlicherweise zu viel wurde.
Nun hat sie in der Stadt unserer Uni endlich eine Wohnung gefunden und lebt nun also seit einiger Zeit in der Großstadt, was natürlich auch viele Vorteile. Hier ist immer etwas los, es gibt jedes Wochenende zahlreiche Veranstaltungen, das Freizeitangebot ist riesig und es findet sich bei uns eigentlich immer etwas, was man unternehmen kann.
Nun hat sie letztens erzählt, dass sie gerade das manchmal ziemlich unter Druck setzt und man an Tagen, an denen man sich einfach mal für ein paar Stunden ausruhen möchte oder etwas anderes vor hat oder erledigen muss, regelrecht das Gefühl bekommt, etwas zu verpassen. Die vielen Möglichkeiten, die es gibt, würden sie manchmal ziemlich stressen.
Kennt ihr so ein Gefühl auch? Dass man in pulsierenden Städten so gar nicht zur Ruhe kommen kann und ständig unter Strom steht und man das Gefühl nicht los wird, ständig etwas zu verpassen?
Ich habe in den letzten 11 Jahren in 5 verschiedenen Großstädten gelebt, wobei die kleinste Großstadt knapp über 100.000 Einwohner hatte und die größte Großstadt sogar über eine Millionen Einwohner hatte. Dementsprechend groß war auch das Freizeitangebot. Ich habe mich aber nie unter Druck gesetzt gefühlt, dass ich jetzt unbedingt jeden Tag etwas erleben muss und dabei bin ich als absolutes Landei aufgewachsen, wo im Umkreis von 30 km wirklich gar nichts war, nicht mal Kino oder Club zum Feiern gehen.
Für mein Studium bin ich damals auch in eine Großstadt gezogen, mir hat es aber gar nicht dort gefallen. Ich habe nämlich nicht wirklich Interesse daran, viel zu unternehmen, ehrlich gesagt reizt mich das überhaupt nicht. Diese Möglichkeiten haben mich eigentlich nie interessiert.
Manchmal haben mich andere mitgenommen oder haben darauf bestanden, dass ich mit Ihnen etwa zu einer Feier gehe oder zu irgendeine Veranstaltung. Da bin ich dann etwas unfreiwillig mitgegangen, auch weil ich ja Bekanntschaften machen wollte. Aber mir ging es ganz oft so, dass mir das eigentlich zu viel war und dass ich den Gedanken hatte „Mensch, ich wäre lieber zu Hause geblieben“ und würde mir einen ruhigen Abend machen. Eigentlich hätte von mir aus meine komplette Studienzeit aus ruhigen Abenden denn bestehen können. Was ich gerne gemacht habe: andere zu besuchen, dass man beispielsweise zusammen fern sieht oder ein Spieleabend macht oder ähnliche Dinge. Aber auf Weggehen hatte Ich noch nie Lust und wenn ich es doch gemacht habe, habe ich es tendenziell eher bereut.
Daher glaube ich, dass es eine Frage der eigenen Einstellung oder Wünsche ist. Wenn man ohnehin nicht gerne etwas unternimmt und nicht gerne weggeht, dann wird ein das ohnehin nicht reizen. Wenn man aber gern unterwegs ist und eigentlich viel unternehmen möchte, mag es schwer fallen, darauf zu verzichten, obwohl man die Chance dazu hätte.
Ich würde auch sagen, dass das einfach immer auf die einzelne Person ankommt. Ich lebe schon immer in einer Großstadt, wenn auch einer kleineren, aber ich habe nie das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn ich nur mal ausruhen möchte. Allerdings bin ich auch einfach nicht der Typ dafür, immer Action haben zu wollen und etwas erleben zu müssen. Dafür habe ich einfach zu gerne meine Ruhe und so spüre ich diesen Erlebnisdruck gar nicht.
Also ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass das jemals ein Problem für mich sein würde. Abgesehen davon würde ich mich nicht freiwillig in eine Großstadt geben. Außer es wäre wegen meinem Bildungsweg oder aufgrund anderer Umstände nötig. Aber ich denke nicht, dass ich in Bedrängnis kommen würde, wenn ich nicht alle Freizeitangebote täglich nütze.
Man sollte immer nur das machen, worauf man Lust hat. Das ist überall so, ob in der Großstadt oder auf dem Land. Bei mir gibt es unzählige Berge zu erklimmen, wir leben echt in einem tollen Gebiet. Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, etwas zu verpassen, wenn ich faul bin und einfach einmal gerne auf der Couch herum lümmle.
Im Gegenteil, gerade wenn ich in einer Großstadt wohnen oder leben müsste, dann wäre ich froh, wenn ich einmal Zeit hätte, mich in Ruhe in meine Wohnung zurück zu ziehen und einmal fünf gerade sein zu lassen.
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