Erfahrungen mit Beratungsschein für Rechtsanwälte

vom 06.09.2020, 21:30 Uhr

Menschen mit einem zu geringem Einkommen, können einen Beratungsschein erhalten. Ein Beratungsschein erhält man beim örtlichen Amtsgericht. Mit einem Beratungsschein könnt ihr euch in der Regel kostenlos von einem Rechtsanwalt beraten lassen. Die Voraussetzung ist, ein zu geringes Einkommen um sich selbst ein Beratungsgespräch beim Anwalt leisten zu können. Rechtsanwälte sind verpflichtet ein Beratungsschein anzunehmen.

Habt ihr schon Erfahrungen mit einem Beratungsschein? Ich habe gehört, dass viele Anwälte ein Beratungsschein nicht gerne annehmen, weil die Rechtsanwälte vom Staat zu gering vergütet werden.

» Amborosia001 » Beiträge: 81 » Talkpoints: 46,14 »



Ich habe mal jemandem geholfen, so einen Beratungsschein zu bekommen und es war furchtbar umständlich. Es reicht leider nicht, dass die Person, die sich beraten lassen möchte, ALG-II-Empfänger ist. Die Person muss auch noch mit Belegen für monatliche Ausgaben wie Medikamente oder Versicherungen oder Schuldzahlungen nachweisen, dass sie bedürftig ist.

Das empfinde ich schon als Zumutung. Dass jemand Hartz IV bekommt müsste doch als bedürftig gelten. So eine Stunde beim Anwalt kostet um die 200 Euro, wie soll sich das ein Hartz-IV-Empfänger leisten? Was soll da das Theater mit den Belegen, die man noch extra anschleppen muss? Finde das nicht richtig durchdacht. Außerdem dauert es durch das Prozedere nur länger.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Die Erfahrung habe ich nicht gemacht. Ich habe diesen Schein damals im Hartz-IV-Bezug bereits mehrfach genutzt. Neben dem Leistungsbescheid reichten ein Kontoauszug, sowie Belege über den Sachverhalt aus. Allerdings traf auf mich auch nichts zu, was in dem Antrag alles abgefragt wird. Den Antrag mit Ausfüllhinweisen findet man leicht im Netz und kann sich da vorab schon ein Bild machen.

Der Schein wird nicht immer gewährt, es muss schon eine gewisse Sinnhaftigkeit erkennbar sein, während man mit Rechtsschutzversicherung oder als Selbstzahler für jeden Furz einen Anwalt einschalten kann. Geschichten wie dass der Nachbarsbaum 10 cm zu weit in den eigenen Garten reicht, sehen die wohl eher nicht ein. Aktuell muss man mit diesem Schein eine Gebühr von 15 € beim Anwalt entrichten, den Rest der Kosten trägt der Staat. Diese Gebühr kann nach Ermessen des Anwalts aber auch erlassen oder reduziert werden.

Zum Beratungshilfeschein, dies ist die korrekte Bezeichnung, gehört in der Regel auch eine gewisse Aktivität, wie zum Beispiel ein Schriftsatz an den Gegner. Meist reicht das schon zur Klärung, dass ein Sozialfall einen Anwalt einschaltet, ist bereits in sich Überraschung genug. Kommt es jedoch zur Klage, geht es dann mit einem Antrag auf Prozesskostenhilfe weiter, für den man abermals die Belege einreichen muss. Aber man ist auch als mittelloser Sozialfall nicht wehrlos.

Im Allgemeinen hatten selbst renommierte und große Kanzleien kein Problem mit diesem Schein, diese eigentlich weniger, als "kleine" Anwälte. Ich denk mal als Mitglied eines großen Konglomerats aus Anwälten hat man seine Kohle sowieso im Sack, während eine Zwei-Mann-Kanzlei finanziell weniger unabhängig ist. Nur ein Mal stieß ich auf einen Anwalt, der gleich erklärte, das mache er bei seinem üblichen Stundensatz nicht so gern, ließ sich dann aber doch darauf ein.

Aber der Mann erwies dann als Griff ins Klo, kümmerte sich kaum um den Fall und vergurkte den folgenden Prozess, um den er sich nur halbherzig kümmerte. Allerdings kann man dann im Gegensatz zum Selbstzahler nicht mehr wechseln, insofern er keine groben Verstöße wie Fristversäumnisse begeht. Da muss man bisschen schauen mit seiner Wahl.

» Paulie » Beiträge: 554 » Talkpoints: 0,24 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Ich habe den Beratungsschein auch schon in Anspruch genommen und kann auch nicht bestätigen, dass ich dafür zahlreiche Extra-Dokumente benötigt habe. Damit uns der Beratungsschein ausgestellt wurde benötigten sie unseren Hartz-IV-Bescheid, Kontoauszüge, einen Nachweis dass wir versucht haben uns anderweitig mit der Gegenpartei zu einigen (da reichte der E-Mail-Verkehr aus) und eben die Schilderung des Sachverhaltes.

Meine Tochter wurde vor zwei Jahren auf einem Pferdehof von einem Hund ins Gesicht gebissen, musste operiert werden und lag über eine Woche im Krankenhaus .Sie hat seitdem Narben am Mund / Lippe und einen abgebrochenen Schneidezahn. Der Besitzer bot uns als "Entschädigung" eine Kutschfahrt an und wollte ansonsten keinerlei Kosten übernehmen, obwohl er eine Haftpflicht für seinen Hund hatte. Als er dann auch noch erfahren hat, dass wir den Vorfall bei der Polizei gemeldet haben und er 350,- Euro Strafe zahlen muss war die Kooperation komplett vorbei.

Jedenfalls haben wir uns dann einen Beratungsschein für den Anwalt geben lassen und mussten auch lediglich 15 Euro bezahlen. Wir haben eine sehr große Kanzlei gewählt, die uns dann auch gleich angenommen hat. Allerdings hatten wir schon dass Gefühl, dass unser Fall jetzt nicht gerade Priorität hatte und wir mussten regelmäßig nachhaken und uns über den Sachstand informieren. Es hat 1 3/4 Jahre gedauert bis sich geeinigt wurde und wir letztendlich Schmerzensgeld und Schadensersatz von der Haftpflicht bekommen haben. Der Betrag war durchaus akzeptabel, aber da hat man ja auch keine großen Vergleichswerte.

» EngelmitHerz » Beiträge: 3943 » Talkpoints: 17,03 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



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