Einführung von sozialem Pflichtdienst sinnvoll?
So viel ich weiß, wurde dem Gedanken politisch schon lange eine Absage erteilt. Denn es gibt zu viele verfassungsrechtliche Hürden, so beißt sich das Ganze mit dem Verbot der Zwangsarbeit in Deutschland. Wehrdienst und Ersatzdienst hingegen waren völlig andere Konstrukte. Aber auch die Vorgaben der Europäischen Menschenrechts Konvention stehen dem entgegen.
Es wäre wohl möglich, mit entsprechender Mehrheit die Verfassung so abzuändern, dass dies möglich wäre. Allerdings muss ein derartiger Eingriff äußerst gut begründbar sein. Personalmangel in der Pflege reicht dafür nicht im Ansatz.
Ich habe diese Diskussion noch nicht wirklich mitbekommen und somit nicht direkt deren Einzelheiten verfolgt. Wenn es um einen sozialen Pflichtdienst für alle gilt und damit vor allem die Jugend gemeint ist, welche beim Erwachsen werden dann in dem Beruf reinschnuppert und offenbar die Lücken füllen soll, halte ich davon genauso wenig etwas wie es Erwachsenen aufdrücken zu wollen. Die Pflicht dahinter ist das generelle Problem!
Mit einer Verpflichtung möchte man dem Notstand entgegen treten, der hausgemacht ist. Diesen hätte man mit entsprechend besser bezahlten Arbeitsverträgen, etwas besser geregelten Arbeitszeiten und mehr Personal leicht entgegen treten können. Denn es ist ja nicht so, dass Deutsche per se gegen den sozialen Dienst als solches sind. Doch wer hat schon Bock wie mein Freund Nachtschicht um Nachtschicht zu kloppen, weil das Personal fehlt und dafür am Ende mit 1500 Euro netto nach Hause zu gehen? Samstags und sonntags arbeiten, ständig der Abruf, obwohl das vertraglich nicht abgesprochen war etc.
Nun kommt also die Pflicht, für wen auch immer. Vermutlich für Jugendliche, die nicht in Ausbildung sind usw. Stelle ich mir herausragend vor, wenn dort Leute sind, die keinen Bock auf diese Arbeit haben. Sozialer Pflichtdienst kann ja jetzt Alltagsbegleitung sein, was sicherlich noch gehen wird, aber wenn man sich in Krankenhäusern und in der Pflege direkt befindet, wird es spaßig. Da ist Lustlosigkeit aus Pflichtverständnis keine gute Mischung, weil es dort um Menschen geht, die das Leben müssen, um den Job in dieser Form ausführen zu können.
Abseits dessen muss ich mich auch fragen, ob das Verbot der Zwangsarbeit hier nicht direkt zum Tragen kommen würde und da werden einige ganz sicher klagen. Hätte ich by the way auch getan! Ich halte solch eine Pflicht nicht für genial durchdacht, auch wenn man damit vielleicht Entlastung glaubt zu schaffen. Man muss die sozialen Berufe endlich attraktiver bezahlen, fördern und so natürlich auch die Arbeitszeiten wieder verbessern, damit nicht Leute wie meine Mutter, mein Freund und einige anderen sich kaputt arbeiten, nicht entlastet werden und mehr.
Paulie hat geschrieben:So viel ich weiß, wurde dem Gedanken politisch schon lange eine Absage erteilt. Denn es gibt zu viele verfassungsrechtliche Hürden, so beißt sich das Ganze mit dem Verbot der Zwangsarbeit in Deutschland. Wehrdienst und Ersatzdienst hingegen waren völlig andere Konstrukte.
Ja ganz andere Konstrukte, nämlich noch viel diskriminierender. Da wurden Männern per se ein Jahr ihres Berufslebens für einen Hungerlohn geklaut, während Frauen gar nicht gezogen wurden. Und am Ende wurde dann auch nur noch jeder Zweite gezogen und die "Cleveren" haben sich gedrückt.
Also ganz ehrlich, wenn man das Jahrzehnte lang verfassungsrechtlich legal durchziehen konnte, dann müsste so ein Pflichtdienst, der wirklich jeden gleich trifft, eigentlich viel unproblematischer sein.
Nichts desto trotz halte ich auch nur sehr bedingt etwas von der Idee. Zum einen ist es ja so, dass wir immer möglichst junge Fachkräfte haben wollen und dann klauen wir den jungen Leuten quasi mit Billigarbeit erstmal ein Jahr, was sie erst später fertig werden.
Dann stellt sich auch die Frage, welche Motivation dahinter steckt. Geht es wirklich darum irgendeine soziale Ader, die verborgen war, zum Leben zu erwecken oder nicht doch einfach nur darum Lücken im Sozialwesen mit Billigkräften aufzufüllen, die sich dann nicht wehren können?
Und wenn wir schon Bedarf im Sozialwesen an Arbeitskräften haben, warum schaffen wir dann nicht einfach echte sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze und bezahlen die ordentlich? Ach ja, weil sie Arbeitsbedingungen so mies sind, dass sich da kaum noch jemand freiwillig für findet.
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