'einfache' vs. 'schwere' Studiengänge - Faire Betrachtung?

vom 05.12.2014, 19:59 Uhr

Ich selbst studiere in einem Studiengang, der aus wenigen Präsenzveranstaltungen besteht, ich dafür aber viel im Selbststudium erledigen muss. Das kommt natürlich bei vielen Freunden, Bekannten und Verwandten nicht an. Diese sehen nur, dass ich zu maximal fünf Veranstaltungen in der Universität auf dem Campus bin und gehen deshalb davon aus, dass ich ein leichtes Studium habe, welches mir nur wenig Zeit raubt. Sie sind dann der Meinung, dass ich meine Abschluss geschenkt bekommen würde und den vor allem auch schon nach anderthalb Jahren innehaben könnte.

Auf der anderen Seite gibt es dann diejenigen Studiengänge, wo die Studenten Montag bis Freitag und dann täglich von halb acht morgens bis um acht abends in der Universität sind und scheinbar viel mehr zu erledigen haben. Denen wird nachgesagt, dass sie ein wirklich schwieriges und aufwändiges Studium hätten, wo sie am Ende ihren Abschluss wirklich verdient hätten ganz im Gegensatz zu den oben genannten.

Diese Ansichten erscheinen mir selbst als sehr unfair, weil ich in der Zeit, wo andere sich in Seminaren berieseln lassen, verschiedenste Forschungsarbeiten und Hausarbeiten schreiben muss. Wir müssen in jedem Seminar 90 minütige Referate maximal zu zweit ausarbeiten und halten. Klar haben wir keine Übungen, wo wir am Ende irgendwelche Ergebnisse abgeben müssen, aber ich finde, dass wir das mit unseren anderen Aufgaben, die eben nur im Selbststudium zu erledigen sind, sehr gut ausgleichen.

Ist euch das schon mal zu Ohren gekommen, dass ihr einen leichten oder schweren Studiengang im Vergleich zu anderen hättet und für euer Bestehen geachtet oder nur belächelt werdet? Ist diese Ansicht denn gerecht, wenn man als Außenstehender nur die Präsenzstunden betrachtet?

» LabelloTusse » Beiträge: 261 » Talkpoints: 63,93 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich sage sogar von mir selbst, dass ich mir einen vergleichbar leichten Studiengang herausgesucht habe. Ich habe in allen Seminaren Anwesenheitspflicht und habe pro Woche zwischen 20 und 30 Semesterwochenstunden. Ich muss auch Referate halten und am Ende des Semesters in vielen Modulen eine Hausarbeit oder eine mündliche Prüfung absolvieren.

Trotzdem würde ich nicht sagen, dass ich einen harten Uni-Alltag habe. Viele der Themen, die mir in diesem Alltag in den Seminaren begegnen, sind leicht zugänglich, da alltagsnah. Ich studiere drei Sprachen und ich finde, da kann ich mich mit keinem Naturwissenschaftler oder Juristen vergleichen, deren Studium ich mir durchaus komplexer und anstrengender vorstelle.

Belächelt hat mich deswegen aber noch niemand und ich finde es auch nicht richtig, wenn das gemacht wird. Alles ist subjektiv, es kommt ja auch immer darauf an, wie engagiert und interessiert man ist, wie leicht einem der Stoff fällt.

» Schnuffline » Beiträge: 1019 » Talkpoints: 33,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich wurde hier im Forum auch schon einige Male beschuldigt, ich hätte so ein einfaches Studium, da ich Geisteswissenschaften studiere und im Gegensatz zu den Naturwissenschaftlern nicht so oft an der Uni sein muss. Solche Behauptungen finde ich aber auch mehr als nur daneben. Nur weil man nicht rund um die Uhr an der Uni ist, heißt das eben nicht, dass man den ganzen Tag faulenzt. Ich habe auch wie du nur sehr wenige Veranstaltungen jedes Semester, wobei nicht einmal jede verpflichtend ist. Dafür müssen wir auch immer sehr viel im Selbststudium erledigen und ich denke auch, dass sich das ausgleicht.

Ich muss grundsätzlich in jedem Seminar ein Referat halten, manche davon müssen auch die anderthalb Stunden Seminar ausfüllen. Dazu muss es noch immer ein Handout geben. Dazu, dass ich Germanistik studiere, kommt es auch ständig vor, dass ich in meiner Freizeit auch ständig Bücher für die Uni lesen muss. Es ist normal, ein Buch von etwa 100 Seiten innerhalb von einer Woche lesen zu müssen, wobei das eben bei mehreren Referaten vorkommt und sich das summiert. Für jedes Seminar und jede Vorlesung müssen Texte gelesen werden, die meist auf Englisch sind und mindestens 40 Seiten betragen.

Das summiert sich natürlich auch wieder enorm, wenn man mehrere Seminare absolviert. Und man muss die Texte eben lesen, da man jede Stunde darüber diskutieren muss. Dazu kommt, dass in einigen Seminaren sehr strenge Vorleistungen zu erbringen sind, um überhaupt zur Prüfung zugelassen zu werden. So mussten wir einmal in einem Seminar ganze vier Tests schreiben und bestehen, um überhaupt die Prüfung schreiben zu dürfen. Das war natürlich ein enormer Lernaufwand.

Klausuren gibt es bei mir nicht so viele, wobei ich eigentlich jede Ferien für Unmengen von Hausarbeiten opfern muss. Ein Praktikum von acht Wochen musste ich auch in den Ferien absolvieren, da kein Praxissemester oder Urlaubssemester dafür vorgesehen ist. Von daher hatte ich seit meiner Studiengang ehrlich gesagt auch nie so richtig "Ferien".

Die Leute, die eben sehr viel Zeit in der Uni verbringen müssen, wie eben die Naturwissenschaftler behaupten schnell, die anderen hätten es ja so gut. Aber ich finde das unsinnig und ich denke, dass im Endeffekt kein Studiengang als "leicht" oder "schwer" zu bezeichnen ist. Das ist doch alles völlig subjektiv und ein Studiengang erscheint einem dann leicht, wenn man gut darin ist und einem das Spaß macht, was man macht. Und wenn man nur Probleme hat und nicht gut mit dem Stoff zurechtkommt, dann kann es natürlich schnell sein, dass man seinen eigenen Studiengang plötzlich viel schwerer und anspruchsvoller empfindet, als andere Studiengänge.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Es ist (leider) immer wieder so, dass gerade die sogenannten weichen Disziplinen wie Geisteswissenschaften, aber auch Kultur- und Sozialwissenschaften, etwas geringschätzig belächelt werden. Aber gerade in diesen Fächern ist es von enormen Vorteil, wenn man sich schon zu Universitätszeiten ein hohes Maß an Eigendisziplin jenseits vom Unibetrieb angewöhnen kann. Wenn man später einmal als Wissenschaftler an einem eigenen Forschungsprojekt sitzt, dann ist man auch nicht gerade von Seminaren, Dozenten oder Kollegen umgeben. Im Gegenteil, gerade in diesen Disziplinen ist man später sehr einsam und auf sich gestellt und da ist es dann auch sehr hilfreich, wenn man bereits zu Unizeiten seinen eigenen Arbeitsstil entwickelt hat.

» opinion » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Bei mir ist es auch so, dass ich mehr Selbststudienzeit habe, als Veranstaltungen an der Hochschule. Bei uns kommen auf zehn Stunden mit Dozentenpräsenz ungefähr doppelt so viele Stunden für das Selbststudium. Rein rechnerisch lässt sich das gar nicht alles abarbeiten, selbst wenn ich auch samstags arbeite und nur noch ein paar Stunden pro Tag schlafe.

Von der Schwierigkeit her würde ich meinen Studiengang eher als einfach einstufen, auch wenn ich durch das technische Gymnasium auch schon viel Vorerfahrung mitbringe, vor allem eben in den schwierigsten Modulen, die wir an der Hochschule haben, nämlich die, die etwas mit Programmierung zu tun haben. Aber wenn ich mir da so anschaue, was mein Freund alles lernen muss, dann ist mein Studiengang wirklich sehr einfach.

Im Gegensatz zu meinem Freund habe ich nicht mehr so Fächer wie Mathematik, Physik oder ähnliches, stattdessen gibt es bei mir Vorlesungen, in denen ich Farben in Photoshop mischen muss, wo ich dann auch nur die Augen verdrehen kann – in der Zeit, die ich in solchen Vorlesungen verbringe, könnte ich zu Hause wirklich sehr viel mehr Produktives machen.

Das, was meinen Studiengang dann aber trotzdem anspruchsvoll macht, ist, dass man gut im Zeitmanagement und Projektmanagement sein muss. Wir haben viele Projekte, die wir eben in besagtem Selbststudium machen müssen. Da kontrolliert uns keiner und wenn wir nach wochenlanger Bearbeitung eines Projektes kein Ergebnis liefern, dann kennen die Dozenten da auch nur wenig Gnade. Aber was Klausuren angeht, würde ich den Studiengang schon als einfach bezeichnen.

» *sophie » Beiträge: 3506 » Talkpoints: 1,38 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Natur- und Geisteswissenschaften sind einfach schwer vergleichbar. Das sind eben zwei völlig unterschiedliche Fächer mit unterschiedlicher Arbeitsweise. Die meisten Menschen könnten nicht beides, weil sie nur für eines der Fachrichtungen ausreichend Talent haben. Von daher gibt es auch wenige Überschneidungen, die einen sinnvollen Vergleich zulassen.

Ein Grund, wieso Geisteswissenschaften oft eher belächelt werden ist neben der anderen Arbeitsweise auch die Tatsache, dass es nicht so viele fachbezogene Jobs gibt. Es wird ja oft über die "Generation Praktikum" gesprochen. Das ist ein Problem der Geisteswissenschaften und ist in den Naturwissenschaften quasi nicht existent. Die Naturwissenschaften sind eben viel stärker in der Wirtschaft gefragt, weil man damit eben reale Dinge erschaffen kann. Die Geisteswissenschaften haben zwar sicherlich eine gesellschaftliche Bedeutung, aber haben weniger wirtschaftlich verwertbare Anwendungen.

Ich würde zwar schon davon ausgehen, dass es mehr Menschen mit Talent für die Geisteswissenschaften gibt, aber allein dadurch definiert sich nicht unbedingt die Schwere eines Studiums. Jemand mit viel Talent macht auch ein naturwissenschaftliches Studium ohne große Anstrengungen. Nur sind solche Leute einfach sehr selten.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


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