Ein Schulfach als Gehirnwäsche für Kinder ansehen?

vom 14.02.2018, 07:54 Uhr

In Nordrhein-Westfalen hat man beschlossen, demnächst das Schulfach "Wirtschaft" einzuführen, um ökonomische Allgemeinbildung zu fördern. Kritiker sind aber der Ansicht, dass dies nichts weiter sein wird als eine Gehirnwäsche für Schüler. Hattet ihr schon einmal den Verdacht, dass bei bestimmten Schulfächern nur Gehirnwäsche betrieben wird oder seid ihr da komplett anderer Ansicht? Wann wäre eine Gehirnwäsche denn eindeutig und wann gar nicht?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



In meiner Schulzeit hatte ich nicht das Gefühl, dass ich in irgendeinem Fach eine Gehirnwäsche bekommen sollte. Natürlich spielt der Lehrer da auch eine Rolle und es kommt sicher darauf an, ob dieser seine eigene Meinung den Schülern aufzwingen möchte. Ich denke, dass es immer darauf ankommt, wie neutral das Fach dann unterrichtet wird.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Ich sehe mittlerweile das ganze Schulsystem mehr oder weniger als Gehirnwäsche an. Schließlich gelten zumindest an der Mehrheit der Schulen immer noch die gleichen Regeln wie in der Industrialisierung, als man angefangen hat zu begreifen, dass die breite Bevölkerung nicht mehr nur Soldaten hervorbringen muss, sondern auch willige und disziplinierte Arbeitskräfte für die aufblühenden Unternehmen, die zumindest nicht völlig ungebildet sein sollten.

Aber letzten Endes geht es darum, dass die Kinder von klein auf lernen: Wenn es bimmelt, fangt ihr an zu werkeln, haltet die Klappe und macht, was der oder die da vorne sagt. Dann bekommt ihr Noten und werdet anhand derer in Kategorien eingeteilt, die darüber entscheiden, ob ihr später am Fließband, im Labor oder am Schreibtisch die Arbeit macht, die euch andere zuteilen. Das gilt zwar nicht für alle, aber doch für die Mehrheit der durchschnittlichen Regelschülerinnen und -schüler. Und wenn man es von seinem sechsten Lebensjahr an nicht anders kennt, kommt auch niemand auf die Idee, dass es sich um ein völlig veraltetes Prinzip handelt, das lediglich dazu dient, die Reichen noch reicher zu machen.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Was soll denn in diesem Fach den Kindern beigebracht werden? Hier in Sachsen gibt es zum Beispiel das Fach Wirtschaft, Technik, Haushalt/Soziales. Da wird unter anderem auch der Umgang mit der Nähmaschine bei gebracht, es wird gekocht und es werden gewisse Dinge wie wichtige Verträge - Miete, Versicherungen - und auch Einkommen und Ausgaben aufgezeigt und gelehrt.

Und ehrlich gesagt, hatten wir in der DDR schon zu Schulzeiten eine Art Gehirnwäsche. Nichts anderes war unser Unterricht mit dem Namen Staatsbürgerkunde. Es war gar nicht so leicht, die Dinge so zu schreiben, wie sie der Lehrer gern lesen wollte ohne die eigene Meinung da wirklich kund zu tun.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Wenn man will kann man in so ziemliches jedes Schulfach eine "Gehirnwäsche" hinein interpretieren. Nehmen wir zum Beispiel mal den typischen Geschichtsunterricht. Der Schwerpunkt liegt auf Deutschland plus angrenzende Länder, da bekommt man als Schüler schnell das Gefühl, dass die europäische Geschichte bedeutender ist als die Geschichte anderer Kontinente.

Vermeiden lässt sich das aber nicht wirklich. Dafür hat man einfach viel zu wenig Zeit und viel zu wenig Wahlmöglichkeiten in der regulären Schulzeit. Wenn ich mich mit der Geschichte Chinas wirklich beschäftigen möchte müsste ich wahrscheinlich das komplette europäische Mittelalter vom Lehrplan streichen, weil da nun mal ziemlich viel passiert ist.

Ich hatte in meiner Schulzeit einige Wirtschaftsthemen im Politikunterricht und verstehe nicht, was daran jetzt "Gehirnwäsche" sein soll. Von der schon erwähnten Auswahl der Themen natürlich mal abgesehen. Was ist schlimm daran wenn man versteht wie Angebot und Nachfrage funktionieren oder wie eine Inflation zustande kommt? Wovor haben die Leute Angst? Dass da Kinder aus der Schule kommen, die Zinssätze berechnen können und in Aktien investieren wollen?

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Gerbera hat geschrieben:Aber letzten Endes geht es darum, dass die Kinder von klein auf lernen: Wenn es bimmelt, fangt ihr an zu werkeln, haltet die Klappe und macht, was der oder die da vorne sagt. Dann bekommt ihr Noten und werdet anhand derer in Kategorien eingeteilt, die darüber entscheiden, ob ihr später am Fließband, im Labor oder am Schreibtisch die Arbeit macht, die euch andere zuteilen. Das gilt zwar nicht für alle, aber doch für die Mehrheit der durchschnittlichen Regelschülerinnen und -schüler. Und wenn man es von seinem sechsten Lebensjahr an nicht anders kennt, kommt auch niemand auf die Idee, dass es sich um ein völlig veraltetes Prinzip handelt, das lediglich dazu dient, die Reichen noch reicher zu machen.

Puh, das finde ich jetzt aber schon in meinen Augen ein wenig abenteuerlich bis düster, was du da von dir gibst. Zumal mir schwerlich eine Alternative einfällt. Das System Schule muss ja irgendwie funktionieren, egal was du da jetzt hinein interpretieren willst. Es hat ja primär doch erst einmal gar nichts damit zu tun, dass man später Reiche noch reicher machen will, nur weil die Schüler sich an gewisse Regeln als Gemeinschaft halten sollen.

Ja klar haben die anzufangen, wenn es bimmelt. Da wir ja nun nicht 50 Lehrer für jede Klasse haben und als Gemeinschaft wohl auch nicht bezahlen wollen, muss man ja mit den Ressourcen irgendwie haushalten und das heißt eben, der Lehrer kann jetzt nicht 24 Stunden am Tag unterrichten, weil jeder Schüler kommt und geht wie er will. Es geht da also doch gar nicht darum dich später mal auf eine Stechuhr vorzubereiten, sondern einfach darum ein verbindliches Zeitfenster festzulegen in dem gelernt wird.

Gleiches gilt doch für deinen Einwand mit den Noten. Auch das ist doch an den Haaren herbei gezogen. Am Ende des Tages muss man ja nun einmal für die Schüler eine Bewertung abgeben. Und es ist ja auch nichts anderes, wenn ich dir da einen 30 Minuten Vortag über deine Leistung halte statt einer Note oder die eine schriftliche Beurteilung schreibe. Am Ende ist es immer eine Bewertung des geleisteten. Ja natürlich sind Noten ein sehr vereinfachtes Bewertungswerkzeug und dabei eben nicht wirklich feinjustiert. Aber es ist eben ein Werkzeug mit dem man sich erst einmal relativ schnell einen gewissen Überblick über die Leistungsfähigkeit an sich verschaffen kann.

Natürlich sagt eine 1 in Mathe und Physik jetzt nicht voraus, dass da ein neuer Einstein geboren ist. Aber es vermittelt eben schnell den Eindruck, dass da jemand ein grundsätzlich naturwissenschaftliches Verständnis hat. Genauso wie es im umgekehrten Fall eben so ist, dass die Wenigsten Schüler die in Mathe, Physik und Chemie nur irgend etwas von 4 bis 6 nach Haus bringen, einfach immer nur falsch verstanden sind.

Und da helfen Noten dann eben schon, gewisse Stärken und Schwächen aufzudecken. Nichts desto trotz sind doch die Zeiten, in den einzelne Noten über Fließband, Labor oder Schreibtisch entschieden haben, schon lange vorbei. Da scheinst ja eher du im antiquierten Denken stehen geblieben zu sein. Selbst in klassischen NC-Fächern wie Medizin gibt es ja nahezu jeder Universität mittlerweile Eignungstests, werden praktische Fähigkeiten berücksichtigt um eben schlechte Noten zu verstehen und ausgleichen zu können.

Und von daher finde ich es auch recht unreflektiert gewisse Unterrichtsfächer als Gehirnwäsche abzutun. Wenn man will kann man in jedem Fach als Lehrer den Stoff sehr nach seiner eigenen Meinung gefärbt präsentieren. Egal ob jetzt links oder rechts, nationalistisch oder weltoffen, hegemonial oder liberal. Entsprechend finde ich es aber grundsätzlich schon wichtig den Schülern ein gewisses Verständnis von Ökonomie zu vermitteln.

Und wenn es eben nur dazu dient, dass sie verstehen warum unsere Wirtschaft so funktioniert wie sie funktioniert. Das heißt ja noch lange nicht, dass man es rosaroten Wolken darstellt. Und wir haben eben heute keine landwirtschaftlich geprägte Dreifelderwirtschaft mehr, wo der Vater dem Kind allein beibringen konnte, dass es jedes Jahr auf dem Feld was anders anpflanzen soll, damit der Boden nicht unbrauchbar wird.

Wirtschaftliche Geflechte und Zusammenhänge sind doch sehr komplex. Und machen wir uns doch nichts vor. Wie viele Menschen gibt es denn, die immer noch glauben (egal ob von links oder recht gepredigt) man könnte als Staat einfach jedem Bürger mehr Geld schenken, als alle bezahlen, wenn man einfach nur unreflektiert die Notenpressen anschmeißt. Oder wie viele Leute haben denn keine Ahnung davon, wie und wofür sie Steuern bezahlen und können keine Steuererklärung abgeben.

Oder wissen gar nicht was der Unterschied zwischen Brutto- und Nettolohn ist. Mehr als genug und ja da finde ich machen solche Unterrichtsfächer absolut Sinn und müssen ja lange nicht bedeuten, dass dann nach dem Abitur alle Schüler als Klatschpuppen durch die Gegend rennen und den Kapitalismus bejubeln. Vielleicht haben danach sogar noch viel mehr ein schlechtes Bild davon können dann aber wenigstens sagen, was genau schlecht ist und was man vielleicht besser machen könnte.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge


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