Durch spielen im Dreck später keine Allergien bekommen?

vom 06.04.2017, 12:39 Uhr

Vorhin habe ich die Aussagen von jemandem gehört, dass dieser angeblich keinerlei Allergien hätte, weil er als Kind immer im Dreck gespielt hätte und diesen auch durchaus mal in den Mund gesteckt hätte. Das würde schon etwas ausmachen und man sollte sich nicht wundern, wenn man als Kind immer sehr behütet wurde und eben nicht mal im Matsch und der Erde spielen und buddeln durfte.

Ich muss auch sagen, dass ich als Kind ständig bei Wind und Wetter draußen war und auch mit Dreck und was weiß ich alles gespielt habe. Dennoch habe ich durchaus als Erwachsene die ein oder andere Allergie bekommen. Ich denke aber schon, dass es Kinder abhärtet, wenn sie viel draußen spielen und auch eben mal mit Dreck in Kontakt kommen.

Meint ihr, dass man durch spielen im Dreck spätere Allergien verhindern kann? Ist es nicht eher so, dass es gut für das Immunsystem ist und es einfach eher gegen Krankheiten abhärtet? Oder hat das wirklich Einfluss auf mögliche Allergien?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Also einmal Allergien für Anfänger. :D Wir Menschen haben ein ziemlich potentes Immunsystem mitbekommen. Das ist auch nötig, denn bevor es Impfungen und Antibiotika gab, starben gleich mal 50 % aller Kinder an Infektionen. Kinderkrankheiten, Grippe, kleine oder größere Verletzungen und so weiter waren eben verbreitet. Bei Erwachsenen wurde das dann auch nicht viel besser.

Jetzt leben wir aber eben nicht mehr mit unseren Nutztieren unter einem Dach. Immerhin war das Wohnstallhaus noch um 1900 verbreitet und selbst nach dem zweiten Weltkrieg führte im Normalfall eine Tür des Hauses direkt in den Stall. Sei es der Stall eines Bauernhof, oder die Kaninchen und Hühner in den Siedlungen. Man lebte lange sehr nah mit dem Nutzvieh.

Dieses Zusammenleben ist zumindest seit der Eisenzeit sicher nachgewiesen. Unser Immunsystem hat sich also auf die Bakterien des Viehs eingestellt. Stallstaub und auch Würmer wurden so über tausende von Jahren zum idealen Trainingspartner. Im Gegensatz zu Pocken, Diphterie oder Typhus war das alles harmlos, aber es half eben, das Immunsystem zu trainieren.

Heute leben wir in sehr sauberer Umwelt. Alles ist gut geputzt, den Stallstaub bekommt kaum noch jemand in seiner Kindheit ab. Und unser Immunsystem sitzt und dreht Däumchen. Ist ja nichts zu tun. Bisher musste es immer etwas abwehren. Schwere Infektionen waren damals übel und sind es auch heute noch. Es fehlt sozusagen der lockere Job im Alltag.

Deshalb neigt das Immunsystem mancher Menschen dazu, sich selbst eine Beschäftigung zu suchen. Es reagiert extrem auf harmlose Stoffe, denn das Training mit den evolutionsbedingten Partnern fehlt. Wer bestimmte Würmer hat, bekommt fast nie eine Allergie. Ein bestimmtes Protein aus der Hülle von Bakterien, die Kühe mit sich rumtragen, verhindert bei regelmäßigem Kontakt in der Kindheit überschießende Reaktionen in der Lunge. Bestimmte Milchsäurebakterien sind ebenfalls nützlich.

Es kommt nicht darauf an, im Dreck zu spielen. Es kommt auf den "richtigen" Dreck an. Allerdings können sich auch Allergiker trösten. Sie bekommen einige Arten Krebs seltener, weil ihr Immunsystem die entarteten Zellen besser erkennt und erfolgreicher bekämpft.

» cooper75 » Beiträge: 13412 » Talkpoints: 516,00 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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