Durch Gesichtsblindheit mehr Vorurteile haben?

vom 25.10.2017, 18:24 Uhr

Psychologen wollen herausgefunden haben, das Kinder weniger Vorurteile haben, je besser sie Gesichter von Angehörigen anderer Ethnien unterscheiden können. Dementsprechend entwickeln sie einen Test, um diese Vorurteile abzubauen und den Kindern zu helfen, die Gesichter unterscheiden zu können.

Ich finde diese These ein wenig gewagt. Denn nach der Logik müsste ja jeder Mensch mit Gesichtsblindheit Vorurteile haben, um es mal überspitzt auszudrücken. Denn Gesichtsblinde haben ja auch oft Probleme, menschliche Gesichter auseinanderzuhalten, gerade wenn diese sich durch die gemeinsame Ethnie ähnlich sind. Haben gesichtsblinde Menschen mehr Vorurteile gegenüber Mitmenschen? Oder ist das Quatsch?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich weiß nicht wie viele Menschen es gibt, die an Gesichtsblindheit leiden. Vermutlich sind es aber nur wenige, so dass man nur schwer eine repräsentative Gruppe erhalten würde. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Gesichtsblindheit zu mehr Vorurteilen führt. Ich wüsste nicht wieso. Die Menschen erkennen die Gesichter nicht, also orientieren sie sich vielleicht an anderen Merkmalen. Vielleicht unterscheiden sie die Kleidung oder die Frisur der Menschen. Aber das sind nicht zwangsläufig Vorurteile.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Gesichtsblindheit kann man mit der Unterscheidung von Individuen anderer ethnischer Gruppen überhaupt nicht vergleichen. Wer generell Menschen nicht anhand der Gesichter unterscheiden kann, erlebt das als Normalzustand. Deshalb kommen Menschen mit einer angeborenen Gesichtsblindheit auch sehr gut zurecht. Dagegen verzweifeln die meisten mit der erworbenen Form. Lange wusste man nicht einmal, dass es die angeborene Form überhaupt gibt. Wer es nicht anders kennt, kompensiert das.

Wer allerdings Gesichter erkennen und gut lesen kann, der kommt stark ins Schwimmen, wenn das plötzlich bei einzelnen Menschen nicht funktioniert. Das sorgt für Unsicherheit und die führt dazu, dass man sozusagen nach einem Grund dafür sucht. Deshalb schreibt man den Menschen dann sehr leicht negative Eigenschaften zu. Denn es muss doch einen Grund für die negativen Gefühle geben. Man kann sich doch nicht so irren.

Wenn ich von mir ausgehe, merke ich beispielsweise bei Afrikanern so gar keinen Unterschied. Eigentlich ist die Hautfarbe extrem anders, die Kultur ist nicht vergleichbar. Aber ich kann die Menschen ebenso gut unterscheiden und deren Mimik lesen, wie in meiner eigenen Familie. Bei manchen Untergruppen der Han dagegen brauche ich eine ganze Weile, das ist erstmal weniger entspannt.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Nach meiner Logik müssten Leute, die sich schwer tun, Gesichter auseinander zu halten, eigentlich weniger Vorurteile gegenüber Menschen haben, die sich speziell auf ihr Äußeres beziehen. Das ist natürlich nur Spekulation, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es angesichts der geringen Anzahl Betroffener wirklich fassbare statistische Daten zu diesem Thema gibt.

Aber rein aus dem Bauch heraus wüsste ich nicht, wie man Vorurteile allein auf Grund der Optik pflegen kann, wenn man sich das Äußere eines Menschen gar nicht merken kann. Beispielsweise kann ja jemand Vorurteile gegenüber Menschen von "südeuropäischem" Aussehen haben, weil ihn einmal ein Türke auf der Straße angepöbelt hat. Aber ein gesichtsblinder Mensch könnte, wenn ich das richtig verstanden haben, im Extremfall hinterher keine Aussage zur Augen-, Haut- oder Haarfarbe der Person machen und er würde die Person auch bei einer Gegenüberstellung nicht wiedererkennen. Deswegen kann er oder sie sich nach meiner Logik auch das entsprechende Vorurteil "Alle Männer mit braunen Augen, dunklen Haaren und scharfgeschnittenen Gesichtszügen sind Verbrecher" gar nicht merken können.

Ich würde hier also davon ausgehen, dass gesichtsblinde Menschen Vorurteile eben nicht an den Gesichtszügen einer Person, sondern an ihrer Kleidung, ihrer Stimme und was sie sonst noch erkennen und sich merken können, festmachen. Ob sie deswegen mehr oder weniger Vorurteile pflegen als der Durchschnittsbürger, kann ich auch nicht beurteilen.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich finde die These irgendwie an den Haaren herbei geholt. Wenn ein Mensch dann ganz blind ist und nicht nur gesichtsblind, müsste er dann ja nur noch Vorurteile haben, oder? Er wird ja schließlich die Ethnien gar nicht auseinander halten können, weil er die Gesichter nicht sieht.

Und Vorurteile haben ja nicht zwingend mit Ethnien zu tun. Man denke nur an die Blondinen-Witze. Da wurden die Vorurteile an der Haarfarbe festgemacht und waren völlig unabhängig von der Ethnie. Oder bei den Ostfriesenwitzen gab es die Vorurteile nur aufgrund des Herkunftsortes. Da war es völlig egal, ob der Ostfriese etwa eine andere Hautfarbe oder eine andere Augenform hatte.

Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke, Vorurteile haben eher mit dem Bildungsgrad, der Erziehung und der Lebenserfahrung zu tun, und weniger damit, ob ich die einzelnen Ethnien auseinander halten kann bzw. ob ich die einzelnen Menschen auseinander halten kann. Ich kenne viele Menschen, die nicht gesichtsblind sind, aber trotzdem jede Menge Vorurteile haben.

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge


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