Durch Drogenfreigabe weniger Drogentote?
Die Anzahl an Drogentoten in Deutschland ist im ersten Halbjahr dieses Jahrs nahezu flächendeckend und zum Teil dramatisch angestiegen. Nun hat der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach mal laut darüber nachgedacht, Drogen wie Cannabis, Marihuana und man höre und staune, sogar Kokain zumindest mal testweise frei auszugeben. Man verspricht sich dadurch eine Entkriminalisierung der Drogenkonsumenten und sogar einen Rückgang der Totenzahlen.
So richtig verstehe ich dieses Konzept aber trotzdem nicht. Habt ihr diesen Vorstoß mitbekommen und welche Meinung habt ihr denn dazu? Wärt ihr auch für eine Drogenfreigabe und gehen dadurch eurer Meinung nach die Totenzahlen, gerade auch in Anbetracht von harten Drogen, zurück? Welche pro und contra Argumente hättet ihr denn beim Thema Drogenfreigabe?
Ich habe keine Argumente gegen die Freigabe von Cannabis-Produkten. Man kann sowieso nicht alle Drogen unter einen Hut stecken. Der Cannabiskonsum verursacht weniger Tote als zum Beispiel Alkohol oder schwere Medikamentenabhängigkeiten.
Heroin sollte man wegen des hohen Suchtpotenzials natürlich nicht freigeben. Aber selbst mit Heroin, wenn man die Begleitumstände wie Beschaffungskriminalität, unsaubere Spritzen und so weiter weglässt, wird man älter als mit einem Alkoholproblem.
Natürlich finde ich es nicht gut, wenn jemand dauernd bekifft ist, aber ich kenne Leute, die ihren gelegentlichen Joint so genießen wie manche ihr Gläschen Wein. Ich will es auch nicht für Jugendliche verharmlosen. Es gibt Leute, die es nicht vertragen und davon bleibende Psychosen bekommen. Aber die Gefahr besteht bei Alkohol ja auch.
Man kann eh nicht verhindern, dass viele Jugendliche es ausprobieren. Dann ist es besser, wenn sie qualitativ hochwertige Produkte über ihre älteren Freunde bekommen, als wenn sie unkontrollierte überteuerte Ware vom Schwarzmarkt inhalieren.
Da der Eigenbedarf bei Cannabis strafrechtlich nicht verfolgt wird, ist es doch besser, wenn die Leute das Zeug so wie Zigaretten kaufen können, als wenn sie es sich bei dubiosen Händlern nachts im Park kaufen. Daran zu kommen ist ja wohl nirgendwo ein Problem, und wenn es im Dark Net ist.
In meiner Jugend gab es bei den Drogen nicht so viel Auswahl wie heute. Haschisch war relativ normal. Ich vertrage es allerdings nicht, genauso wenig wie zu viel Alkohol. Heute gibt es viele Pillen, die synthetisch hergestellt werden und von denen man nicht weiß, was genau in welcher Menge drin ist. Die Herstellung solcher Produkte soll streng bestraft werden und sie sollten auch nicht freigegeben werden.
Es gibt tatsächlich einige Argumente, die für die Legalisierung sprechen. Zum Beispiel, dass man dann die Abgabe und die Qualität kontrollieren könnte.
Nehmen wir die legale Droge Alkohol als Beispiel. Die Kassiererin im Supermarkt fragt nach dem Ausweis wenn der potentielle Käufer zu jung erscheint, dem Dealer ist das egal. Und die Zahl der Toten durch schwarz gebrannten Alkohol ist extrem gering in Deutschland, weil man nämlich keinen Alkohol selber brennen muss, wenn man sich betrinken will. Ein Besuch des nächsten Supermarkts genügt und da ist der Alkohol garantiert ungiftig.
Cannabis kann ich nicht so richtig einschätzen. Ich habe nie irgendwelche Drogen genommen, schon allein, weil ich als unbedarfter Stubenhocker gar nicht wüsste, wo ich die hätte her bekommen sollen. Aber ich habe inzwischen schon mehrere Leute kennengelernt, die ab und an kiffen und für die das tatsächlich sowas ist wie abends Wein trinken. Da das ganz normale Leute meistens sind, die auch beruflich etabliert und erfolgreich sind, also gar nicht der Typ Mensch, den man als typischen Kiffer ansieht, habe ich dazu inzwischen eine recht liberale Einstellung. Dass man vom Kiffen eine Psychose bekommen kann, habe ich auch mal gehört, aber ich kenne nur einen Fall, wo jemand wirklich sehr intensiv gekifft hat, dann plötzlich damit aufhörte und dann wohl eine Art Entzug hatte und eine Psychose bekam. Aber wenn ein Alkoholiker plötzlich auf Entzug ist, dann kann der genauso in ein Delirium rutschen.
Daher sehe ich Kiffen und Alkohol schon auf einer Ebene, nur dass eben der Alkohol gesellschaftlich etabliert ist und dass man da über Wechselwirkungen mit Medikamenten und Abbau relativ gut Bescheid weiß. Für THC gibt es auch irgendwelche Internetrechner, wo man kalkulieren kann, wann das nicht mehr nachweisbar ist. Vielleicht gibt es einige Konsumenten, die damit berechnen, wann sie wieder Auto fahren dürfen, so wie das jemand, der mal zu viel getrunken hat, in Bezug auf Alkohol machen kann.
Harte Drogen würde ich aber nicht freigeben. Die haben ja wirklich enorme Nebenwirkungen. Wer Kokain nimmt, zerstört ja mit jedem mal Hirnzellen und wird vielleicht auch vom Verhalten sehr unberechenbar. Das wäre mir zu heikel.
Das Thema ist immer wie ein zweiseitiges Schwer zu betrachten. Wie einige wissen komme ich aus dem sozialen Bereich und hatte mein Kerngebiet im Milieu. Das bedeutet, dass ich tagein und tagaus mehr mit Prostituierten zu tun hatte, aber auch die Obdachlosen und Drogen Szene gehörte zu meinem Kerngebiet.
Was diese Cannabis-Geschichten angeht empfinde ich es wichtig, dass die Polizei entlastet wird. Es wird ermittelt und eingestellt, weil die Menge zu gering ist usw. Der Aufwand ist einfach zermürbend für einen Polizisten, das weiß ich von meinem Ex-Freund und das immer im Wissen, dass am Ende eingestellt wird, sowieso nicht viel bei höheren Mengen raus kommt. Dafür aber ein dicker Bericht, Ermittlungen hier und dort. Hier wäre eine Legalisierung kein Hindernis, sondern womöglich eine Entlastung. Und ich habe auch anders gedacht, aber so mittlerweile sehe ich das etwas zwiegespalten.
Wer jetzt aber denkt, dass dadurch die Dealer weniger werden, der irrt. Sie werden andere Gebiete nutzen. Kokain deswegen jetzt auch zu legalisieren, wäre auch bescheuert. Dann kommt der nächste und hätte gerne Heroin, Crack etc. Dann würde es ja nie aufhören. Und sicherlich wäre das ein Verlust für die Dealer, aber das Problem der Süchtigen wird dadurch meiner Meinung nach auch nur verstärkt.
Es gibt im Übrigen etliche „Druckräume“ auch im Pott, wo neues Besteck gegeben wird, meist gegen das Alte, um HIV-Erkrankungen und anderen Krankheiten wie Hepatitis keine Chance zu geben. Es geht dabei um die Unterstützung, sauberes Besteck zum „drücken“ zu erhalten. Doch die Wahrheit ist eben auch, dass dort dann entsprechend Drogen konsumiert werden, wofür andere verhaftet werden. Man besitzt ja logischerweise auch die Drogen, wenn man sie zu sich nimmt. Dies hat im Bezug auf Infektionskrankheiten natürlich seine nachweislichen Vorzüge. Da gehen gut und gerne mal 2000 Bestecke pro Monat rum und je nach Ballungsgebiet sogar pro Tag! Frankfurt zum Beispiel.
Doch wir müssen uns eben auch klar machen, dass wir von Süchtigen reden. Die nehmen die Drogen aus ganz unterschiedlichen Gründen und Beweggründen, wieso sie damit angefangen haben. Und es ist jetzt auch schon etliche Male bewiesen worden, dass regelmäßiger Konsum von Cannabis das Hirn schädigt, sowie auch bei einigen schon aufs Herz schlägt. Unmissverständlich müssen wir jetzt also auch nicht, die anderen Drogen und deren Gefahren aufführen, sie sind ja oftmals bekannt.
Doch ich sehe nicht, wie man durch „Legalisierung“ oder Entkriminalisierung von gewissen Drogen, die Toten reduzieren möchte? Es ist ja oft eine Mischung aus „Kälte“ und „Obdachlosigkeit“, Drogenkonsum unterschiedlicher Drogen und Alkohol. Das ist meist ein Problem. Mangelnde Versorgung, der goldene Schuss usw. All das verhindert sich auch nicht durch eine Entkriminalisierung.
Das würde ja bedeuten, dass man allein in einem Druckraum keinen mehr missen muss, weil sie ja legal dort seine Drogen ohnehin mit sauberen Besteck nutzen kann. Doch es ist auch so, das wird fast jeder Junkie sagen, dass mal hier eine Crack-Pfeife geraucht wird, dort ein Schuss gesetzt wird, dann hier mal Medikamente eingeschmissen werden usw. Das sind alles Zusammenspiele vieler Faktoren.
Wer dann noch obdachlos ist, verfällt nicht selten dem Alkohol, ist im Immunsystem sowieso schon kaputt und man vergesse nicht die Ernährungsweisen. Das spielt alles damit ein und etwas zu Entkriminalisieren in der Hoffnung, dass weniger Drogentote kommen, ist doch Quatsch. Auch dann werden Menschen weiterhin sterben, weil sie sich mehrfach andere Dinge reinschmeißen und trotzdem zum Dealer gehen, der noch billiges Zeug hat oder anderes. So ist die Realität.
Auch gewisse Drogen zu legalisieren, um es Dealern schwierig zu machen, was soll das bringen? Glaubt die Politik wirklich, der Cannabis und Koks Dealer hört dann auf, weil es legalisiert ist? Dann holt der sich anderes Zeug und es hört wieder nicht auf. Es wird immer was geben, was dann verkauft wird. Und ein Süchtiger, der braucht gewisse Dosen und wenn diese nicht legal angeboten werden, weil man gleichzeitig seine Sucht minimieren möchte, dann geht man spätestens dann wieder zu einem Dealer, um mehr zu bekommen, weil da dann nicht am besten Vor- und Zuname etc. erforderlich ist.
Interessant sind Wege, die andere Länder gegangen sind. Portugal zum Beispiel hat 2000 in der Tat entgegen aller Aufschreie den Besitz und Konsum sämtlicher Drogen bis zu einer gewissen Menge entkriminalisiert. Dies allerdings ging einher mit intensiven staatlichen Unterstützungsprogrammen für die Abhängigen, wie etwa vereinfachtem Zugang zu Therapiemaßnahmen. Darüber hinaus werden die Menschen auch nach erfolgreicher Therapie auf ihrem Weg in eine neue Existenz unterstützt, so gibt es zum Beispiel staatliche Kredite um Unternehmen zu gründen, was überaus erfolgreich in Anspruch genommen wird.
Nicht nur die Zahl der Drogentoten, Dealer und Konsumenten ist stark zurückgegangen. Wenn die Zahl der Konsumenten zurückgeht, schrumpft auch der Markt für Dealer und die entsprechende Kriminalität, logisch. Auch die Zahl der HIV-Erkrankungen ist auf ein Drittel der Zahlen von 2000 gesunken. Der Polizeipräsident Portugals hat diesen Weg damals radikal abgelehnt und für Wahnsinn erklärt. Heute räumt er offen ein, dass er sich drastisch geirrt hat und empfiehlt diesen Weg mit Nachdruck.
Der Punkt ist, dass es nicht ausreicht, dem Menschen einfach die Droge zu entziehen und ihn zurück in sein altes Leben zu schicken. Hinzu kommt ja auch, dass viele Menschen aus Angst vor Strafe keine Hilfe suchen. Dies sieht natürlich anders aus, wenn nicht nur Aussicht auf Hilfe, sondern auch auf eine echte Zukunft nach der Sucht anstelle von Knast wartet. Man braucht also ein sinnvolles Gesamtpaket, so wie es in Portugal umgesetzt wurde.
Oft denke ich da auch an ein mir bekanntes Rattenexperiment. Man sperrte die Tiere isoliert in einen kargen Käfig. Da drinnen gab es zwei Knöpfe, mit dem einen konnten die Tiere sich wahlweise mit Heroin oder mit Wasser versorgen. So gut wie immer entschieden die Tiere sich für die Droge. Aber: als man die Ratten plötzlich in einen Luxuskäfig umsetzte mit viel Platz, Spielzeug und Artgenossen, hörten sie bemerkenswerterweise selbstständig auf, die Droge zu konsumieren, trotz erheblicher Entzugserscheinungen.
Ich denke, das kann man eins zu eins auf den Menschen übertragen, anstatt Strafen oder gar der Aussicht auf eine Zelle, muss man Abhängigen die Perspektive auf ein erfülltes Leben nach der Sucht bieten. Und je weniger Abhängige/Konsumenten, umso weniger Drogenkriminalität, das ergibt sich ja von selbst. Aber allein zu sagen, dies und das ist jetzt straffrei und darüber hinaus keine Maßnahmen zu ergreifen, hilft alleine wenig. Die Kriminalisierung jedoch hilft wiederum definitiv weder der Gesellschaft, noch dem Staat oder gar den Abhängigen, das ist nach etwa 100 Jahren Verbotspolitik klar erkennbar.
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