Durch "bring your own device" mehr Chancenungleichheit?

vom 11.05.2017, 14:30 Uhr

Als ich in der Schule gewesen bin, gab es bei uns auch Vorschriften, welche Bücher und Lernmaterialien angeschafft werden sollten. So wurde immer darauf geachtet, dass man Bücher mit derselben Auflage kauft oder dass alle Schüler eben die gleichen Taschenrechnermodelle benutzen, um eine Chancengleichheit zu garantieren.

Wie wird das aber erst einmal sein, wenn man Tablets und Smartphones und auch Laptops zum Unterricht bzw. zu den Prüfungen zulassen wird? Denn seien wir ehrlich, es gibt zig Modelle auf dem Markt und nicht für jeden Geldbeutel ist etwas dabei. Natürlich kann die Schule dann auch nicht immer alle Geräte kaufen und ich halte es daher für möglich, dass die Eltern ihre Kinder selbst ausstatten müssen. Je nach Gerät, das die Eltern sich leisten können, kann das schon ein Nachteil sein, gerade wenn das Gerät langsamer zu bedienen ist, weil der Arbeitsspeicher zu gering ist oder weil die Internetflatrate eher schlecht und eingeschränkt ist (bei erlaubtem Internetzugang).

Was meint ihr dazu? Kann es tatsächlich die Chancenungleichheit fördern, wenn jeder seine eigenen Sachen mitbringt und damit alle unterschiedliche Geräte und Modelle besitzen? Wie kann man in den Klausuren Chancengleichheit fördern? Ist es tatsächlich legitim, wenn man die Eltern dazu zwingt, bestimmte Modelle zu kaufen, die dann alle Schüler gleich haben?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Bislang kenne ich es so, dass bei Prüfungen Handys und Tablets in der Schultasche bleiben müssen, während die Schüler Prüfungen schreiben. Von daher ist das noch nicht so ein dringendes Problem.

Die Internetflatrate sehe ich nicht als großes Problem, denn letztlich ist der Empfang an Schulen über mobiles Netzt doch schnell nicht so prickelnd, wenn sich viele Schüler über die eine Funkzelle einloggen. Und eine Schule kann zu dem Zweck ja auch einen WLAN Hotspot für die Schüler einrichten. Universitäten machen das ja zum Beispiel auch für die Studenten, die ihre Geräte mitbringen. Allerdings ist auch das nicht ganz einfach, denn ich kenne auch Schulen, wo der Internetanschluss so schlecht ausgestattet ist, dass er nicht mal für einen Bruchteil der Schüler reicht. Da sind hier auch noch einige Entwicklungen und einiges an Umdenken seitens der Internetversorger nötig.

Ungleichheit besteht jetzt trotzdem schon. Eines meiner Kinder hat mir erzählt, dass eine Mitschülerin wohl auch während der Prüfung seine teure Smartwatch anbehalten und bedienen darf. Ganz egal, ob da auch wissenschaftliche Taschenrechner als Apps drauf laufen und so weiter. Es wird von den Lehrern als Uhr gezählt und deshalb kann es den Kindern angeblich nicht verboten werden, auch wenn die Funktion als Uhr bei den Smartwatches eher Nebensache ist. Ich kann das schwer nachvollziehen, ich würde als Lehrer wohl dem Kind einen klassischen Wecker auf den Tisch stellen, oder einfach eine große Funkuhr vorne in den Klassenraum hängen. Das fände ich wesentlich gerechter.

Je mehr man da erlaubt, desto mehr würden natürlich die Türen für Ungerechtigkeiten geöffnet. Trotzdem halte ich es auch für den falschen Weg, dass Schüler heute immer noch fast alles von Hand anfertigen müssen. Es tut längst Not, dass Schüler zeitgemäßer lernen und mehr Technik einsetzen dürfen. Da mangelt es wirklich an guten Konzepten, die die Kinder auf die Realität vorbereiten und trotzdem Chancengleichheit garantieren.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Erst einmal muss man es zweigeteilt sehen. In der Schule soll man nicht nur "was" lernen, man soll auch das "Lernen" lernen. Das geht zum Teil einfach nur, wenn man eben keine technischen Hilfen erlaubt. Das Argument, dass die Schüler die Dinge nutzen sollen dürfen, die sie auch im Elternhaus vorfinden, zieht nicht, sonst hätte man früher auch Übersetzungen oder komplette Besprechungen von literarischen Werken oder Rechenanleitungen mitbringen dürfen müssen.

Aber natürlich sollen die Schüler auch lernen, wie man die Technik nutzt. Und da wird es hakelig. Denn ein sehr hochwertiges Gerät ist schneller und hat mehr Speicher als ein günstiges oder altes. Und dann ist die Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben. Das ist nicht fair.

Dagegen angehen kann man, wenn man den Schülern einheitliche Geräte zur Verfügung stellt. Da kann man auch viel leichter Sachen sperren, die nicht zugänglich sein sollen. Dann ist für alle der Umgang mit den Geräten und deren Leistungsumfang gleich.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Das sehe ich nicht so, dass man dass Lernen lernen nur klappt, wenn man nicht mit Computern oder dergleichen arbeitet. Es funktioniert dann einfach anders. Zu meiner Schulzeit hat man vielleicht eine Matheaufgabe für zu Hause bekommen, die man nicht lösen konnte. Man hat eine Weile herum probiert. Vielleicht hat man noch in ein paar Handbücher geschaut, die bei den Eltern im Regal standen, ob man einen Tipp fand, wie man so eine Aufgabe löst. Wenn das nichts geholfen hat, hat man einfach irgend einen Mist ins Heft geschrieben, damit man keine Strafe wegen ungemachter Hausaufgaben aufgebrummt bekommen hat. Aber gebracht hat das keine wirkliche Erkenntnis.

Wenn ich sehe, wie das heute läuft, hilft die Technik schon, aber eben anders. Da tauschen sich zum Beispiel die Kinder im Klassenchat aus und erarbeiten eine Lösungsidee gemeinsam. Prima, da wird gleich auch noch Teamarbeit geübt. Das sind auch Fähigkeiten, die man das ganze Leben lang braucht.

Oder sie suchen auf Youtube und und ähnlichen Quellen nach Tutorials, wo jemand erklärt wie man das löst und warum das so ist. Erst wenn gar nichts hilft, kommen die Großen dann zu mir und fragen. So finde ich schon, dass das zur Chancengleichheit in gewisser Weise auch beiträgt. Klar, derjenige mit langsamen Internetzugang und alter Technik wird dafür länger brauchen als der mit High Tech Ausrüstung. Aber die Chance haben beide, auch wenn der eine mehr Aufwand und Mühe hat. Früher zu meiner Zeit hatte man einfach Glück, wenn die Eltern helfen konnten und Pech, wenn die Eltern aus bildungsferneren Gesellschaftsgruppen kamen und man dann alleine am Schreibtisch nicht weiter kam.

Von daher würde ich vielleicht sagen, dass die Technik das alles nicht automatisch ungerechter macht, sondern die Ungerechtigkeiten in andere Gebiete verschiebt und andere Herausforderungen generiert. Aber mögliche Vorteile sollte man nicht ausklammern.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge



Trüffelsucher, es macht in der Prüfungssituation aber schon einen ziemlichen Unterschied, was für ein Gerät man hat. Da geht es nämlich um Zeit. Und wer schneller suchen und gleichzeitig mehrere Programme nutzen kann, hat einen Vorteil im Vergleich zu ähnlich talentierten Schülern mit einer alten Schnecke.

Übrigens finde ich nicht, dass das Lernen sich so stark verändert hat. Es ist einfacher geworden, weil die Vernetzung besser geworden ist. Aber früher hat man eben nicht nur in ein paar Bücher geschaut, wenn beispielsweise Mathe oder Latein halte. Man hat sich zum Lernen und Hausaufgaben machen getroffen (Facebook oder Whatsapp), man hat größere Geschwister von sich selbst oder Freunden oder ältere Nachbarskinder gefragt (Tutorien bei YouTube), man hat die Bücherei besucht (Wikipedia, Google Brooks, Internet allgemein).

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Ja sicher hat man sich früher zum Lernen getroffen. Meine besten Freunde waren aber nicht meine besten Freunde wegen irgendwelcher Schulleistungen, sondern weil wir uns mochten. So dass es eben oft genug darauf raus lief, dass wir gemeinschaftlich gerätselt haben, wie die Aufgabe zu lösen sei und wenn man mit dem Matheprimus nicht gerade befreundet war, war das zumindest bei uns in der Schule so, dass man sich dann nicht geholfen hat. Das mag ja nicht repräsentativ sein und bei allen so gewesen sein, ich spreche da aber von meinen Erfahrungen.

Ob man mit technischem Gerät überhaupt eine Chancengleichheit bei Prüfungen herstellen kann, wage ich zu bezweifeln. Dass man dann dafür identische Geräte einsetzt, wie auch immer, das halte ich schon für wichtig. Selbst wenn man die Prüfungen alle in so einer Art Computerkabinet schreibt und nur Schulgeräte dafür nutzt, kann auch da Ungleichheit entstehen. Beispielweise weil eines der Tablets mitten in der Prüfung darauf besteht, ein wichtiges Update über zwanzig Minuten zu installieren oder ein anderes hoffnungslos abstürzt oder von Schadsoftware befallen ist und so dem Prüfling wertvolle Zeit verloren geht. Wie will man das abmildern ohne dass neue Ungerechtigkeiten entstehen?

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Ganz einfach damit, dass man dann ein Ersatzgerät herausgibt und die verlorene Zeit nachschreiben lässt. Bei einem eigenen Gerät wäre sonst in dem Fall die Prüfung gelaufen und ein Ersatzgerät nicht hilfreich. Das löst auch das Problem, dass nicht jeder Haushalt mal eben teure Technik für den Nachwuchs kaufen kann.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Selbst wenn die Schüler selbst das Tablet kaufen müssen, muss es ja nicht zwangläufig die teuerste Technik am Markt sein! Außer man schickt sein Kind auf ein elitäres Privatgymnasium, das monatlich ein horrendes Schulgeld verlangt (auch das gibt es hier schon), werden da Lehrer auch darauf achten, dass das alles angemessen ist.

Und wenn Lehrer da fair bleiben, hält sich die finanzielle Belastung in Grenzen. Und wenn Elternhäuser wirklich finanziell nicht in der Lage sind und das ist ja normalerweise nachweisbar, dann gibt es ja immer noch so etwas wie den Förderverein, der dem betreffenden Schüler dann so ein Gerät leihweise ausgeben kann oder Ratenzahlung für die Eltern anbieten kann oder was auch immer.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


Lass mal sehen, meine Kinder kosten mich auf normalen städtischen Gymnasien zu Beginn des Schuljahres je Kind etwa 200 Euro. Macht bei uns mal eben 600 Euro pro Schuljahr. Dazu kommt Kopiergeld in Höhe von 15 Euro pro Halbjahr. Der erlaubte Taschenrechner kostet 100 Euro. Dazu kommen Ausflüge und Klassenfahrten. Wir leben übrigens in einer armen Gegend und ein nicht unerheblicher Anteil der Klasse lebt von Hartz.

Die bekommen dann pro Schuljahr 100 Euro Zuschuss und eventuell Geld für Fahrten. Tatsächlich haben sie genug damit zu tun, den Rest zu finanzieren. Der Förderverein schafft das auch nicht für alle Schüler. Denn Armut ist hier allgegenwärtig, so viel Geld kommt da auch nicht rein.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Natürlich sammeln sich Ausgaben für Schulkinder an, das war schon vor den Zeiten von Tablet und Computer so, dass die Liste an Heften und Büchern und so weiter einiges an Kosten pro Schuljahr verursacht.

Andererseits verändert ein Tablet aber eben auch die Unterrichtskultur. Für die Schulbuchverlage ist das zum Beispiel gerade keine so tolle Situation, denn die Lehrer sind auch in der Lage dann, Arbeitsblätter in ein online Learning Portal zu stellen, auf das nur die jeweilige Klasse Zugriff hat. Das heißt also, dass die Schüler zum Beispiel deshalb, weil sie das Tablet haben für einige Fächer keine Bücher mehr benötigen und die Ausgaben dafür dann im Gegenzug für die Eltern weg fallen. Es ist also nicht gesagt, dass das Tablet die Kosten für die Kinder zwangsläufig in die Höhe treibt, sondern unter Umständen verlagert.

Auch die Kosten für den Taschenrechner würden dann ja unter Umständen weg fallen? Wer würde schon noch einen Taschenrechner für 100 Euro wie bei euch kaufen, wenn eine bestimmte App das genauso gut erledigt? Das sollte man auch in Erwägung ziehen.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


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