Diskriminierung wegen Kinderwunsch auf der Arbeit normal?
Meine Kollegin versucht bereits seit einiger Zeit schwanger zu werden. Im letzten Monat hatte es dann auch endlich funktioniert und sie war überglücklich. Leider hat sich herausgestellt, dass sie eine Eileiterschwangerschaft hatte und diese in einer OP entfernt werden musste.
Da sie durch die OP für ein paar Tage ausgefallen ist, musste sie unter Drängen des Vorgesetzten sagen, warum sie krank war und für ein paar Tage nicht zur Arbeit kommen konnte. Normalerweise muss man seinem Chef nicht sagen, welche Art von Krankheit man hat. Er muss es einfach hinnehmen, wenn man die Bestätigung von Arzt hat und der Mitarbeiter nicht darüber sprechen möchte. Meine Kollegin hat jedoch klein bei gegeben und unserem Vorgesetzten davon erzählt.
Seitdem kann sie nichts mehr richtig machen und bekommt immer irgendwelche extrem blöden Aufgaben zugeteilt. Man hat fast das Gefühl, dass es daran liegt, dass meine Kollegin versucht ein Kind zu bekommen und man sie jetzt vorher schnell rausekeln möchte. Kennt ihr so etwas? Es ist zwar rechtlich nicht erlaubt eine Frau wegen ihres Kinderwunsches so zu behandeln, jedoch nehme ich an, dass es in der Praxis bei vielen Firmen vorkommen wird, dass man am Abstellgleis steht, sobald man mit der Familienplanung beginnt.
Ich denke, es kommt ganz stark darauf an, was für eine Arbeit deine Kollegin macht und wie sie qualifiziert ist. Mein persönlicher Eindruck ist, dass eine Diskriminierung und ein schneller Austausch dann verbreitet und "normal" ist, wenn die Arbeitskraft der jeweiligen Person sehr schnell und einfach ausgetauscht werden kann. Hier gibt es zum Beispiel Arzthelferinnen wie Sand am Meer und die werden auch immer gesucht. Dafür braucht man hier nur einen Hauptschulabschluss und der muss nicht mal sonderlich gut sein. Da kann man also sehr schnell "Nachschub" besorgen, wenn Bedarf da ist.
Bei uns auf Arbeit sind wir zu 90 Prozent Akademiker und da merkt man auch, dass hier andere Seiten aufgezogen werden. Hier spielt es keine Rolle, wenn eine Akademikerin zum Beispiel auf die Idee kommt, zu heiraten oder Nachwuchs zu bekommen. Im Gegenteil, hier wird alles getan, damit man sich wohl fühlt und man nach der Geburt schnell wieder kommt. Wir haben auch eine Betriebskita und flexible Arbeitszeiten.
Bei uns ist es so, dass die Akademikerinnen im Schnitt 3 Monate nach der Geburt wieder in den Beruf einsteigen und keine mehrjährige Elternzeit nehmen (wollen). Ich denke, dass das auch viel damit zusammenhängt, dass man sich so sehr um sie bemüht und sie eben dabehalten möchte. Ohne eine entsprechende Qualifizierung und "Wichtigkeit" für den Betrieb wäre das aber gar nicht möglich und üblich.
Es ist auch bei uns so, dass es zu solchen Vorfällen kommt. Das hat aber meistens etwas mit dem Mutterschutz zu tun und dass dann wieder jemand nur wenige Monate arbeitet, dann lange weg ist und der erneute Berufseinstieg abermals nur ein paar Monate anhält. Das führt auch zu keiner kontinuierlichen Arbeitsweise und irgendwie kann ich dann schon gehässiges Verhalten verstehen.
Ich kann "gehässiges" Verhalten im Job nie "verstehen" oder gar gutheißen. Schließlich verkaufe ich dem Laden meine Arbeitskraft, aber nicht meine Seele oder meine Genitalien und wie die meisten Menschen hierzulande habe ich ein Recht auf anständige Behandlung und dazu noch ein Leben neben dem Job. Einerseits wird schließlich immer gejammert, dass kaum noch jemand Kinder kriegt, aber wenn dann mal jemand eins möchte, der es auch selber finanzieren kann, da qualifizierter Job, ist es auch wieder nicht recht, weil eine Schwangerschaft und ein Neugeborenes ja ach so viele Umstände machen. Dem Arbeitgeber, wohlgemerkt.
Und da unsere Gesetzgebung und unsere Gesellschaft immerhin so weit sind, Zwangskastrierungen für Berufstätige nicht vorzuschreiben, hat frau immerhin zusätzlich noch das Recht, nicht bis zum Geburtstermin am Schreibtisch sitzen und mit noch blutender Dammrisswunde dorthin wieder zurückkehren zu müssen. Dass das so manchen Arbeitgebern nicht passt, glaube ich gerne. Aber die Lehre, die ich daraus ziehe, ist eine andere.
Ich würde folglich mit meinem Kinderwunsch nicht hausieren gehen und die Pferde schon vor der Zeit scheu machen. Auch wenn es sich manche nicht vorstellen können, geht es den Arbeitgeber und die KollegInnen tatsächlich nichts an, ob ich ungeschützt bumse in der Hoffnung schwanger zu werden. Um derlei Diskriminierungen zu minimieren würde ich mich also mega diskret verhalten und weder meinen Kinderwunsch im Job breittreten (gerade wenn ich weiß, dass das Unternehmen sich nur familienfreundlich gibt, wenn jemand Abitur hat) noch diverse Rückschläge in der Familienplanung im Kollegenkreis verraten.
Schließlich geht es in professioneller Hinsicht niemanden etwas an, ob ich wegen Eileiterschwangerschaft, Blinddarm oder Krampfadern ausfalle. So gut lügen muss man schon können. Ich würde in so einem Fall also streng nach den Buchstaben des Gesetzes vorgehen, sprich eine Schwangerschaft zum spätestmöglichen Zeitpunkt bekanntgeben, mich im Büro trotz schwellender Beule strikt professionell verhalten und ohne ein Wort der Rechtfertigung in den mir gesetzlich zustehenden Mutterschutz verschwinden. So kann ich die Schikanen wenigstens auf ein paar Monate reduzieren, wenn ich tatsächlich so einen miserablen Arbeitsplatz an Land gezogen habe.
Das hat aber nun wenig mit dem Status "Akademiker" zu tun. Zuerst einmal muss ein Betrieb groß genug sein, um eine Kita zu unterhalten. Außerdem gibt es genug Betriebe, die auch nicht studierten Mitarbeitern solche Möglichkeiten bieten. Und, oh Wunder, es gibt auch Unternehmen, die fördern das Familienleben ihrer Mitarbeiter. Das gilt dann nicht nur für Akademiker. Und diese Förderung beinhaltet dann durchaus lange Pausen ohne Jobverlust oder Karriereknick.
Denn es ist tatsächlich vollkommen egal, ob ein "schnöder" ausgebildeter Mitarbeiter oder ein Akademiker Nachwuchs bekommt. Ob das gewünscht ist oder nicht, das hängt ganz stark von der jeweiligen Firmenpolitik ab. Und die ist eben extrem unterschiedlich. Das gilt für die Arztpraxis ebenso wie für den Großkonzern.
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