Die Scheinheiligkeit mancher umweltbewusster Menschen

vom 02.05.2022, 07:35 Uhr

Gestern war ich eingeladen. Es war ein sehr gelungenes Fest mit einem tollen Buffet und recht netten Leuten. Die meisten von ihnen treffe ich nur einmal im Jahr bei diesem Geburtstagsfest einer Freundin. Es sind fast durchweg wohlhabende Leute, unter anderem drei Apotheker, ein Lehrer und eine Lektorin.

Irgendwann kam das Thema natürlich mal wieder auf Umwelt im weitesten Sinn. Es ging um Lebensmittelverschwendung, einen neuen VollCorner, der demnächst in der Nähe aufmacht, und die Biokiste, die meine Freundin bezieht. Als ich dann gesagt habe, dass ich beim Lidl einkaufe und die Lidl App habe, werde ich immer blöd angeguckt, ich bilde mir das zumindest ein. Ich muss mich dann immer beherrschen, um die Stimmung nicht zu verderben und weise vorsichtig darauf hin, dass es beim Lidl Brot vom Vortag und Gemüse kurz vor dem Verfall gebe und dass das insgesamt wahrscheinlich umweltfreundlicher sei als die Biokiste.

Dann kommt immer das Argument, dass Lidl ja dann meine Daten hat und es werden mir die schlimmsten Auswirkungen davon ausgemalt und nicht so gesagt, aber gemeint, wie naiv ich doch sei, Lidl zu sagen, was ich so kaufe.

Manchmal finde ich die Leute aus meinem Umfeld sehr scheinheilig. Meine Freundin hat zum Beispiel einige Bücher geschenkt bekommen. Bücher belasten ja auch die Umwelt. Ich muss es mir bei solchen Gelegenheiten, wo die Stimmung ja recht gut ist, verkneifen, zu sagen, dass es dieses Buch auch in der Online-Bibliothek auszuleihen gibt. Das ist wahrscheinlich Ressourcen schonender, behaupte ich mal.

Manchmal rege ich mich über solche Leute auf, die beim Ohne einkaufen, aber mit dem Auto dorthin fahren, neben ihrem Auto noch ein E-Bike haben, mich aber mitleidig angucken, wenn ich beim Lidl einkaufen gehe. Meine Schwester und mein Schwager fahren zur Zeit mit dem Caravan durch Europa, was ich ihnen gönne, aber schimpfen über SUVs in der Stadt.

Findet ihr auch manche wahrscheinlich Grünenwähler scheinheilig? In welchem Zusammenhang ist euch das schon mal aufgefallen? Könnt ihr euch manchmal auch nicht beherrschen, auf gewisse Widersprüche aufmerksam zu machen?

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich glaube man sollte das alles nicht so eng sehen. Was ist denn so schlimm am Buch, was so schlimm an der Biokiste und dass man woanders einkauft? Letztendlich nichts. Man kann das ja vielleicht auch an anderer Stelle ausgleichen. Jeder sollte sein eines Leben so führen, wie er mag. Deswegen würde ich nun keine Diskussionen anfangen, wenn jemand ein Buch geschenkt bekommt, aber auf der anderen Seite eben auch nicht, wenn jemand zu Lidl geht.

Was das nun aber mit einem bestimmten Wahlverhalten zu tun hat, versehe ich nicht. Man kann ja umweltbewusst sein und dennoch andere Parteien wählen. Das ist so ein typisches Klischee. Ich denke man kann nur auf das eigene Verhalten schauen und dieses optimieren, nicht aber mit anderen Menschen ständig deswegen streiten. Natürlich findet man zahlreiche Widersprüche, wenn man von umweltbewussten Verhalten spricht, aber du wirst auch nicht alles perfekt machen, weil das gar nicht geht und man auch gar nicht immer die Möglichkeit hat.

Nehmen wir mal als Beispiel meinen Bruder. Dieser ist sehr naturliebend, versucht auf Plastik zu verzichten, fuhr früher immer etliche Kilometer zur Arbeit mit dem Rad, hat nun aber 3 Kinder. Deswegen fährt er ein großes Auto, macht aber durchaus auch Radreisen mit den Kindern, in denen man dann nur für Strecke X den Zug nimmt und dann fährt. Außerdem liebt er offene Feuer und macht deswegen im Garten immer mal eines an oder bei Reisen, an Stellen wo man es darf. Das ist sicherlich nicht perfekt, aber er lebt sein Leben in Zufriedenheit und macht auch keine Aussagen wie man sich verhalten muss.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Am Wahlverhalten würde ich es auch nicht festmachen, wie sich jemand verhält, oder welchen Grad an Umweltbewusstsein und/oder Scheinheiligkeit man an den Tag legt. Ich persönlich bin eher nicht der Typ, der anderen gern vorschreiben möchte, wie er sich zu verhalten habe, selbst wenn ich für mich persönlich eine eindeutige Meinung dazu habe.

Abgesehen davon kenne ich sowieso meistens nicht das komplette Verhaltensrepertoire anderer Menschen. Ich denke, jeder verhält sich in manchen Bereichen eher vorbildlich-umweltbewusst, und in anderen Bereichen weniger. Wenn man voreilig andere Personen kritisiert, übersieht man vielleicht nur den "Balken im eigenen Auge", das heißt, die eigenen nachteiligen Verhaltensweisen.

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» lascar » Beiträge: 4482 » Talkpoints: 792,20 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Mein Problem ist nicht, wie sich die Leute verhalten, sondern die Scheinheiligkeit und Selbstgerechtigkeit mancher Menschen. Ich lasse jeden so leben, wie er möchte. Ich habe halt in meinem Umfeld Leute, die bei den Grünen aktiv sind, also sie nicht nur wählen, wie besagter Schwager und zwei der Gäste bei dem Fest gestern. Daher fällt es mir hier besonders auf, wie geredet wird und wie gehandelt wird.

Vielleicht ein Beispiel: Man sollte seinem Kind nicht erklären, dass es Papierverschwendung ist, im Schulheft eine halbe Seite nicht zu nutzen, aber gleichzeitig eine Tageszeitung zu abonnieren. Das spricht nicht gegen das Abo, aber dagegen, dass man dem Kind mit dem moralisch erhobenen Zeigefinger kommt. Sowas meine ich.

Vielleicht triggern mich solche Themen auch besonders, weil es eben auch in der Familie unter meinen Geschwistern lange Zeit ein kontroverses Thema war.

» blümchen » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



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