Die eigenen Eltern zu Hause betreuen und pflegen?
Wenn eure Eltern irgendwann pflegebedürftig werden, weil sie alt, krank oder sogar beides sind. Könntet ihr eure Eltern dann zu euch nach Hause holen und sie dort pflegen und betreuen?
Eine Bekannte von mir steht gerade vor dieser Situation. Sie selber ist 48 Jahre alt und ihre Mutter 82. Die Mutter ist zwar vom Kopf her noch relativ fit, baut aber gesundheitlich stark ab. Sie kann kaum noch laufen, hat ständig Schmerzen und braucht eben für alles Mögliche Hilfe von Außen. Sie kann sich nicht mehr vernünftig selber waschen, beim Anziehen braucht sie Hilfe und natürlich muss sie auch bekocht werden und zu Arztterminen begleitet werden.
Könntet ihr euch um eure Eltern kümmern, wenn diese alt sind und eure Hilfe benötigen? Das Leben unserer Bekannten ist absolut eingeschränkt. Sie kann sich in ihrem eigenen Haus nicht mehr frei bewegen, weil ständig die Mutter nach ihr schreit. Sie sagt, sie fühlt sich wie mit einem Kleinkind, nur dass sie dieses Kleinkind nicht mal eben unter den Arm klemmen und Klartext reden kann.
Mittlerweile arbeitet sie nur noch halbtags, weil sie die Betreuung der Mutter nicht mer auf die Reihe bekommt und eine Haushaltshilfe hat sie auch eingestellt. Könntet ihr euer Leben so stark einschränken? Was würdet ihr als Alternative sehen, wenn eine Betreuung zu Hause nicht in Frage käme?
Ich würde das nicht für meine Eltern machen. Das mag jetzt hart klingen, aber ich wohne mittlerweile in einem anderen Bundesland, meine Eltern hingegen haben sich quasi an ihren Standort gebunden, indem sie die Wohnung gekauft haben. Zudem habe ich ja nicht mal den Platz dafür, müsste also in ihre Wohnung ziehen und das mit meiner späteren Familie oder mir ein Haus mieten oder kaufen, sodass sie da mit unterkommen würden.
Zudem habe ich auch einen großen Respekt was die Pflege angeht. Das ist alles nicht leicht und ich denke nicht, dass ich das rein körperlich schon packen würde, weil das ja alles nicht eben leicht ist. Der Kontakt zu meinen Eltern ist auch nicht auf der Stufe, die das begünstigen würde. Man versteht sich, aber emotional ist da einfach wenig Liebe seitens meiner Eltern mir gegenüber.
Da besteht schon ein besseres Verhältnis zu meinen Brüdern, wobei meine Eltern aber auch im Alter eher ins Heim wollen, wie sie schon mehrmals gesagt haben. Es ist eben auch keinen von uns wirklich machbar, sein ganzes Leben hin zu werfen und sie zu pflegen.
Wir haben gepflegt. Zuerst haben wir die eine Großmutter und danach meine Mutter gepflegt. Beide sind bis zu ihrem Tod bei uns geblieben. Sicherlich war das eine deutliche Einschränkung und eine große Belastung. Aber beides waren Menschen, die in einem heim innerhalb kurzer Zeit verstorben wären. Denn für beide gab es keine schlimmere Vorstellung.
Und da konnte ich immer zustimmen. Denn unser System sieht einfach keine Möglichkeit zur menschenwürdigen Pflege vor. Es läuft auf satt und sauber hinaus. Das soll um Gottes Willen kein Vorwurf an die Pflegepersonal sein. Die machen unter widrigsten Umständen meist einen ganz tollen Job. So viel Engagement erlebt man in wenigen Beschäftigungsfeldern. Aber es fehlt eben Zeit.
Also war klar, dass sie zu uns kommen können. Das war einmal der Fall, als Hilfe im Haushalt und ein Pflegedienst nicht mehr ausreichte. Im anderen Fall musste eine Betreuung rund um die Uhr her wegen fortschreitender Demenz. Ich würde es jederzeit wieder machen. Denn ein Pflegeheim kann nur dann eine Alternative sein, wenn der Betroffene damit leben kann oder es sogar so möchte.
Meine Eltern haben von Anfang an gesagt, dass sie später in ein Betreutes Wohnheim ziehen wollen, wenn sie mal so alt sind, dass sie alleine zu Hause nicht mehr klarkommen. Daher stellt sich weder meinen Geschwistern noch mir die Frage, wer die Eltern aufnimmt, um sie zu pflegen. Ich finde, dass man den Willen der (zukünftigen) Betroffenen durchaus dabei berücksichtigen sollte.
Abgesehen davon bin ich weder körperlich, emotional noch zeitlich dazu in der Lage, mich derart intensiv der Pflege zu widmen. Das ist eine sehr anspruchsvolle und körperlich harte Arbeit und leider bin ich körperlich so gar nicht belastbar. Das würde mein Kreislauf gar nicht mitmachen.
Ich finde es eigentlich selbstverständlich, seine Angehörigen zu pflegen, wenn es sein muss. Meine Oma musste meine Uroma auch bis zu ihrem Tod pflegen. Glücklicherweise war auch noch meine Großtante zur Stelle, alle drei wohnten noch in derselben Stadt. Die Uroma wohnte bei meiner Großtante, aber da diese noch arbeitete, kam meine Oma täglich vorbei und die Schwestern wechselten sich quasi ab.
Und ich finde auch, dass man es den Eltern im Normalfall schuldig ist. Sie haben einem als Kind schließlich auch den Hintern abgewischt und andere Dinge ertragen. Ist zuhause genug Platz vorhanden, finde ich alles andere asozial. Da müssten wirklich verdammt triftige Gründe vorhanden sein, um die Pflege der Eltern abzulehnen.
Cappuccino hat geschrieben:Ich finde es eigentlich selbstverständlich, seine Angehörigen zu pflegen, wenn es sein muss. Meine Oma musste meine Uroma auch bis zu ihrem Tod pflegen.
Also was jetzt? Selbstverständlichkeit oder Zwang, also "Müssen"? Ich bin nämlich nicht der Meinung, dass es immer für alle Beteiligten am Besten ist, wenn die erwachsenen Kinder oder Enkel (meistens die Töchter oder Enkelinnen, wie man hier auch sehr schön sieht, während sich die Herren mal wieder drücken) über Jahre hinweg ihr eigenes Leben und oft auch ihre Gesundheit hintanstellen, weil sie glauben sich aufopfern zu müssen.
Menschen können leider viele Jahre lang an Demenz leiden und körperlich dennoch noch gut in Schuss sein. Die Belastung, jemanden am Ende 10 oder 15 Jahre lang auf privater Basis am Leben halten zu müssen, möchte ich weder mir selber noch meiner Familie antun, wenn ich mal nicht mehr in der Lage bin, meine Verwandten zu erkennen. Oder zu essen und aufs Klo zu gehen. Ich habe Hochachtung vor Leuten, die das schaffen, ohne selber zum Pflegefall zu werden, aber ich finde nicht, dass man das voraussetzen kann.
Ebenso wenig bin ich der Meinung, dass ich meinen Eltern etwas schulde, weil sie mich in die Welt gesetzt haben. Die wussten damals schon, worauf sie sich einlassen, und nur weil sie mich weder abgetrieben noch ins Heim gegeben haben, heißt das nicht, dass meine Lebensaufgabe darin besteht, bis nahe an mein eigenes Rentenalter vor allem Tochter und Dienstmagd zu sein. Dass man seinen Kindern den Hintern abwischt, ist eine Selbstverständlichkeit, aus der man keine Rechte auf spätere Betreuung ableiten kann und darf. Wer das nicht will, soll halt in Gottes Namen verhüten und sich von dem gesparten Geld später qualifizierte und bezahlte Pflege leisten.
Gerbera hat geschrieben:Cappuccino hat geschrieben:Ich finde es eigentlich selbstverständlich, seine Angehörigen zu pflegen, wenn es sein muss. Meine Oma musste meine Uroma auch bis zu ihrem Tod pflegen.
Also was jetzt? Selbstverständlichkeit oder Zwang, also "Müssen"? Ich bin nämlich nicht der Meinung, dass es immer für alle Beteiligten am Besten ist, wenn die erwachsenen Kinder oder Enkel (meistens die Töchter oder Enkelinnen, wie man hier auch sehr schön sieht, während sich die Herren mal wieder drücken) über Jahre hinweg ihr eigenes Leben und oft auch ihre Gesundheit hintanstellen, weil sie glauben sich aufopfern zu müssen.
Mit "wenn es sein muss" meine ich natürlich, dass Pflegebedarf vorhanden sein muss und die Pflege notwendig ist. Ich würde nicht so aus Spaß meine Mutter bei mir aufnehmen, aber wenn sie ansonsten ins Heim müsste, würde ich schon lieber die Aufgabe auf mich nehmen. Natürlich "musste" meine Oma meine Uroma nicht pflegen, aber die Vorstellung sie ins Heim abzugeben, wäre einfach für alle Beteiligten unerträglich.
Ich meinte ja auch, dass ich es bei triftigen Gründen okay finde. Wenn die Person dement ist und zum Beispiel aggressiv wird oder aus dem Haus ausbüchst, könnte ich natürlich auch nicht damit umgehen, dass ich keine professionelle Pflegerin bin.
Bei meiner Uroma war es zum Beispiel so, dass sie im hohen Alter bettlägrig wurde und irgendwann auch nicht mehr alleine baden oder aufs Klo konnte. Im Kopf war sie aber bis zum Tod fit. Da finde ich ich es durchaus zumutbar, die Mutter auf den Pott zu setzen oder abzuduschen.
Dass nicht alle so denken, ist mir schon klar. In Deutschland (und westlich geprägten Ländern) werden Angehörige ja eher ins Heim abgeschoben. In anderen Kulturkreisen, sei es in arabischen oder asiatischen, ist so ein Verhalten aber undenkbar. Ich finde die deutsche Denke "ich bin meinen Eltern nichts schuldig" einfach asozial und sehe das als negativen Aspekt der hiesigen Kultur an. Wobei ja zum Glück nicht alle Deutschen so ticken.
Cappuccino hat geschrieben:Dass nicht alle so denken, ist mir schon klar. In Deutschland (und westlich geprägten Ländern) werden Angehörige ja eher ins Heim abgeschoben. In anderen Kulturkreisen, sei es in arabischen oder asiatischen, ist so ein Verhalten aber undenkbar. Ich finde die deutsche Denke "ich bin meinen Eltern nichts schuldig" einfach asozial und sehe das als negativen Aspekt der hiesigen Kultur an. Wobei ja zum Glück nicht alle Deutschen so ticken.
Du vergleichst aber völlig unterschiedliche Gesellschaftsformen miteinander. In Deutschland haben wir uns ja mittlerweile doch überwiegend weit von Mehrgenerationenhaushalten entfernt. Wo leben denn wirklich noch drei oder gar vier Generationen unter einem Dach oder wenigstens räumlich dich beieinander? In anderen Kulturkreisen sieht das ja oft noch ganz anders aus.
Und ich glaube jetzt nicht wirklich, dass die meisten denken, sie wären ihren Eltern nichts schuldig. Aber oftmals ist es eben kaum oder nur unter großen Anstrengungen möglich, sich wirklich um die Pflege zu kümmern. Sei es weil man nicht mehr in der gleichen Stadt wohnt oder weil man durch Vollzeitbeschäftigung der Familienmitglieder einfach keine Zeit hat, wenn nicht irgendwer seinen Job aufgibt und dann fehlt eben doch wieder oft das Geld, wenn nicht alle arbeiten gehen.
Ich würde meine Mutter auch nicht bei mir aufnehmen, wenn sie wirklich sehr pflegebedürftig werden würde. Räumlich würde das sicher gehen. Aber wenn jemand körperlich oder geistig so schlecht drauf ist, dass er eigentlich in ein Pflegeheim gehören würde, dann wäre das ja nicht anders, wenn diese Person bei mir zu Hause einziehen würde. Das heißt also im Prinzip rund-um-die-Uhr-Betreuung. Die natürlichsten Bedürfnisse, wie Durst, Hunger oder Toilettengang halten sich ja nicht an Arbeitszeiten oder Besuchszeiten von Pflegediensten, sondern können immer und zu jeder Tageszeit kommen und dann muss jemand zu Hause sein. Das könnte ich gar nicht gewährleisten.
Auch glaube ich, dass ich auf Dauer das auch seelisch nicht aushalten würde. Zumal dass ja eben nicht nur eine Belastung für mich selber wäre, sondern auch für den Rest meiner Familie. Da müssten ja alle darauf Rücksicht nehmen und gerade meine Kinder könnten doch nichts dafür, dass sie zum Beispiel ganz banal nicht in den Urlaub fahren können, weil ich Oma zu Hause pflege oder dass sie nicht so laut spielen dürfen, weil sie gerade ihre Ruhe braucht. Wir reden ja hier nicht darüber, so etwas mal für ein paar Wochen zu machen, sondern eben unter Umständen über Jahre oder auch Jahrzehnte. Da können glaube ich auch ganze Familien daran scheitern.
Von daher würde ich niemanden verurteilen, der nicht bereit ist, diese Bürde und Anstrengung auf sich zu nehmen. Manchmal kann es da dann doch viel hilfreicher sein, wenn man sich lieber länger auf die Suche nach einem guten Pflegeheim macht und sich dort dann in der Pflege oder Betreuung der eigenen Eltern einbringt. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden.
Vielleicht sollte ich das "nichts schuldig sein" doch noch etwas relativieren. Ich finde nämlich auch, dass es durchaus einen Unterschied gibt, ob man seinen alten Vater in das gammligste Pflegeheim überhaupt steckt und ihn dort einmal im Monat besucht, bis der Bestatter anruft auf der einen Seite oder ob man, wie schon erwähnt, über viele Jahre hinweg maximal stunden- oder tageweise entlastet wird, aber sonst 24 Stunden am Tag eingespannt ist und auch körperlich hart arbeiten muss.
Ich wasche meinem Vater auch die Socken, sortiere seine Tabletten ein und koche sonntags seine Lieblingsgerichte, aber ich könnte ihn im Bedarfsfall schon rein körperlich nicht unter die Dusche befördern oder ihm die Windeln wechseln, was er von seinen Kindern auch gar nicht wollen würde.
Ich stelle auch fest, dass sich die "Asozialität" doch ziemlich relativieren lässt. Eltern pflegen ist natürlich Ehrensache, Abschieben ist böse, aber nur, wenn sie bis zum Ableben fit im Kopf sind oder nur ein bisschen dement, oder zumindest nicht aggressiv, oder die Flucht ergreifen, sobald man sich umdreht. Dann ist es auf einmal nicht mehr so moralisch verwerflich, auf professionelle Dienstleister zurückzugreifen. Nur werden eben die wenigsten Leute bei vollem Bewusstsein 95 und liegen dann auf einmal tot im Bett. Leider.
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