Deutschlands Wohlstand eine einzige Augenwischerei?

vom 13.09.2016, 14:55 Uhr

In den Medien bekommt man ja fast im Wochentakt propagiert, dass Deutschland zu den reichsten Ländern der Welt gehört. Andererseits häufen sich die Meldungen von steigenden Zahlen der Kinderarmut, kontinuierlich steigende Hartz4 Bezieher und nahezu jede zweite Stadt oder Gemeinde steht vor einem finanziellen Kollaps. Habt ihr da eine Erklärung dafür, wie sich derartige Aussagen vereinbaren lassen? Empfindet ihr Deutschland auch als eine absolute Wohlstandsgesellschaft, wenn ja, wo kommt dieser denn an oder wird da auch viel Augenwischerei betrieben?

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» mikado* » Beiträge: 3037 » Talkpoints: 1.002,67 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Das Problem fängt schon damit an, wie man Armut definiert. Üblicherweise orientiert man sich dabei am Durchschnittseinkommen. Es ist also eine rein relative Zahl. Das führt dazu, dass bei steigendem Wohlstand, also einem steigenden Durchschnittseinkommen, auch die Armutsgrenze nach oben wandert. Damit werden Leute plötzlich für arm erklärt, obwohl sich deren Lebensumstände gar nicht verändert hat. Auch wenn es paradox klingt, ist es also eine Tatsache, dass steigender Wohlstand eine höhere Armutsquote zur Folge haben kann.

Wer schon einmal in einem Schwellen- oder gar Entwicklungsland war, weiß, wie gut es selbst Hartz-IV-Empfängern geht. Alleine schon eine Wohnung nach dem hier üblichen Standard mit fließendem Trinkwasser, Heizung und Strom gilt in vielen Ländern noch als absoluter Luxus. Dazu kommt eine medizinische Versorgung auf Weltklasseniveau und finanzielle Leistungen, die für einen bescheidenen, aber dennoch ordentlichen Mindestlebensstandard reichen.

Auf dem Arbeitsmarkt sieht es doch auch richtig gut aus. Wir haben im Moment steigende Einkommen, sinkende Arbeitslosenzahlen und mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Bei Hartz-IV ist auch kein deutlich negatives Bild zu sehen.

Für mich ist das ganze Jammern auf einem extrem hohem Niveau. Meistens sind das Leute, die es nicht anders kennen und sich deshalb nur mit Leuten vergleichen können, denen es noch besser geht. Das für sich ist aber schon ein Zeichen dafür, dass wir ein sehr gutes Mindestniveau erreicht haben und man gar nicht wirklich die Chance hat, noch weiter nach unten zu blicken.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Ein wenig hat Wiesel schon recht, wenn man das etwas anders definiert, dann muss es in Deutschland durchaus schon jedem recht "gut" gehen. Vor allem, wenn dies im Bezug auf Afrika genommen wird. Da gibt es Regionen, wo sie kilometerweit laufen müssen, um Trinkwasser aus dazugehörigen Brunnen zu holen und etwas zu trinken zu haben. Essen ist örtlich auch nicht überall allgegenwärtig. Viele haben von Strom noch nie etwas gehört oder gesehen.

Wenn wir nun von diesem Standard ausgehen, dann müssen man wirklich sagen, dass es auch Hartz IV Empfängern gut geht. Ohne Zweifel. Ich bin jedoch immer der Meinung, dass man nicht ständig damit argumentieren kann, was anderswo nicht vorhanden ist, um sich daran entsprechend aufzuziehen. Nur weil anderswo kein Strom gibt, ist das hier noch lange kein "Luxus". Wir wohnen nun einmal in DE und nicht in Tansania, Simbabwe, Madakaskar.

Ich tue mich da also immer etwas schwer, ständig alles in Relation mit anderen Ländern zu sehen, weil das auch nicht der Sinn ist. Die Kinderarmut ist hier enorm heftig angestiegen, was durch Hartz IV usw. verschlimmert wurde. Wenn Kinder nicht regelmäßig am Tag frühstücken können oder eine warme Mahlzeit haben, dann finde ich das auch arm!

In Deutschland wird eben immer deutlich, dass einige durchaus Gutverdiener sind und andere sogar überdurchschnittlich gut vermögend sind. Während die Spirale zwischen Geringverdiener und Armut kaum zu erkennen ist. Aufstocker gibt es bereits 1Millionen Menschen, die ohne eine Aufstockung nicht klar kommen und genug Hartz IV Empfänger gibt es.

Über Obdachlose sich beschweren, aber die Suchtursachen nicht bekämpfen können. Kita-Plätze garantieren, aber gar kein Platz haben. Es gibt so vieles, was in Deutschland zu gewissen Problemen führt, die man hier wohl als "Armut" bezeichnet. Natürlich ist das alles nichts, wenn man entsprechend nach Afrika schaut, weil davon sind wir entfernt oder auch Indien usw. Doch wenn das unser Maßstab ist, um uns alles schön zu reden, dann weiß ich nicht, was das soll.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Man muss doch gar nicht so weit gehen und mit Afrika argumentieren. Selbst in der EU gibt es Staaten mit weit verbreiteter Armut. Und natürlich muss man sich daran orientieren, schließlich sind das auch Menschen, die vielleicht gerne die gleichen Wünsche und Träume hätten wie ein Deutscher.

Kein Kind in Deutschland muss auf ein regelmäßiges Frühstück oder warme Mahlzeiten verzichten, wenn die Eltern das vorhandene Geld für den vorgesehenen Zweck einsetzen würden. Daran scheitert es offensichtlich viel zu oft. Das Problem hat eine ganz andere Ursache, die überhaupt nichts mit dem Finanziellen zu tun hat. Mehr Geld würde hier nicht das Geringste erreichen.

Und ja, es wird immer Menschen geben, die mehr Geld haben. Es sei denn man heißt Bill Gates. Und jeder Mensch in Deutschland hat erst einmal grundsätzlich die Möglichkeit, wohlhabend zu werden. Dass eine Menge Leute dafür nicht die Voraussetzungen erfüllen, ist kein Problem des Systems. Dafür haben wir das Sozialsystem, und das stellt einen ordentlichen Mindeststandard zur Verfügung. Das gibt es in den wenigsten Ländern. Das gilt selbst für reiche Industrieländer, in denen es sehr viel mehr Millionäre und Milliardäre gibt.

Und die Tatsache, dass fehlende Kita-Plätze ein Problem sind, kann man auch als Anzeichen für steigenden Wohlstand sehen. Bei geringerem Wohlstand konnten sich Menschen nur die klassische Familie leisten, wenn sie nicht verhungern wollten.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Es ist auf keinen Fall so, Weasel, dass ich deinen Gedankengang nicht nachvollziehen könnte. Ich teile ihn nur einfach nicht. Das ist jedoch nicht persönlich gemeint und bedeutet nicht, dass Du oder ich falsch denken oder möglicherweise falsche Ansichten teilen. Du siehst das Problem offenbar anders, als ich und vergleichst auch.

Natürlich gibt es auch europäische Länder, im Osten speziell, die auch nicht jeglichen "Luxus" genießen, wie manch einer hier. Doch ich bin jemand, der da sehr egoistisch sagt, was juckt mich das Land nebenan, wenn die Probleme vor meiner Haustüre sind? Diese lassen sich entweder von Menschen schön reden, andere suchen die Schuld bei Eltern und andere sind da realistischer oder näher dran.

Es ist nicht immer die Schuld der Eltern, wenn sie H4 bekommen, dass Frühstück, Mittag und Abendessen nicht klappt. Es gibt die Arche in Köln und Berlin, "Immer satt" in Duisburg die die Anmeldezahlen verringern musste und viele weitere Einrichtungen. Die gibt es und es ist für mich ganz klar, dass hier ein Problem vorhanden ist, welches ich nicht bei all den Kindern bei den Eltern sehe. Ich kann mir kaum vorstellen, dass 38,5 Prozent der in Gelsenkirchen lebenden armen Eltern ihre Kinder bewusst kein Frühstück, Mittag & Co bieten.

In diesen Einrichtungen gibt es das Mittagessen meist für 0,50cent, was offenbar bezahlbarer ist, als zu Hause zu kochen. Auch die Betreuung der Kinder, das Zusammenspielen, weil Kita-Plätze Mangelware sind usw. all das sind für mich Faktoren, die ich nicht jedem H4-Elternteil andichten werde.

Ich finde im Allgemeinen, dass der deutsche Staat hervorragend in der Augenwischerei des Reichtums ist. Das kannst Du anders sehen und das respektiere ich. Ich finde deine Argumentation ja auch logisch und verständlich, aber ich sehe es halt anders.

Es wird auch gerne bei Obdachlosen damit argumentiert, dass sie kein H4 beantragen und selber Schuld sind. Da ich in der Diakonie gearbeitet habe, wo Obdachlose ihre Schecks abholen weiß ich aber auch, wie viele nicht in der Lage sind, durch ihre Sucht, sich regelmäßig den Terminen zu widmen, sich bei den Unterkünften zu melden. Selber Schuld? Teilweise, weil eine Sucht schon sehr hereinnehmend ist.

Kinderarmut ist mein Stichpunkt, der ja in DE bei angeblichen Reichtum nicht sein müsste. Finde ich! Hier könnte man zumindest schauen, dass man Gutscheine oder so für Bekleidung, Lebensmittel usw. herausgibt, die dann auch von 1,-Euro Jobbern usw in den Job Centren gegen geprüft werden, um Missbrauch der Eltern durch das Kindergeld zu vermeiden.

Sprich das Eltern zeigen müssen, dass das Kindergeld nur für Kind ausgegeben wurde, für Ausflüge des Kindes usw. Wieso ist sowas nicht möglich? Glaube kaum, dass unsere Wirtschaft den kleinen Aufwind nicht tragen könnte.

Bei meinem Freund und mir gibt es viele Kinder in den Familien. Da ist von Reichtum nicht die Rede. Ob H4-Empfänger, Gutverdiener mit 2000,- Netto usw. Alleinerziehender Papa oder Mama, spielt hier auch keine Rolle. Kita-Plätze sollen sofort da sein? Seltsam meine Schwester wartet seit 6 Monaten auf Antworten vier verschiedenen Kitas, eine neue Kita wurde gebaut, dort sind die Plätze vergeben usw.

Ich weiß nicht, wo der Reichtum Deutschlands steckt, aber ich selber merke davon nicht. Doch Geldverschwenderei sehe ich zu Hauf. Sei es direkt aus der Politik usw.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Warum bis nach Afrika gehen? Es reicht doch ein Blick in die Nachbarländer, und ich meine nicht die, die als besonders arm gelten. Bekomme einmal Kinder in den Niederlanden. Gut, du kannst ab dem vierten Geburtstag wieder arbeiten, weil dann die Schule beginnt. Aber davor kostet die Betreuung gut 6 Euro pro Stunde. Zuschüsse bekommst du nur, wenn du Alleinerziehend bist oder beide Eltern arbeiten und dein Einkommen gering genug ist. Vielleicht gibt dein Arbeitgeber etwas dazu, aber das sind dann nur 1/6 der Kosten.

Dort hast du keine freie Arztwahl, du musst immer zum selben Hausarzt. Und der überweist dich seltenst. Viele Frauen jenseits der Grenze haben auch mit Kindern noch nie einen Frauenarzt gesehen. Ohne Zustimmung der Hebamme kommst du zur Entbindung nicht einmal ins Krankenhaus. Übrigens ist eine lückenlose Krankenversicherung geradezu unbezahlbar. Ein Auto ist vergleichsweise teuer, eine Mietwohnung unbezahlbar. Nur mit Sozialwohnungen geht es, aber auf die wartest du Jahre.

In Nord-Irland ist trinkbares Wasser keine Selbstverständlichkeit, regelmäßig kannst du abkochen oder abgepacktes Wasser kaufen, weil die Brühe unzumutbar ist. Warnungen sind völlig normal, Bakterien im Wasser sind dort verbreitet. Zudem kommt oft wochenlang gar kein Wasser aus dem Hahn. Außerdem landest du hier nicht in mit 20 anderen im Krankensaal und musst Bettwäsche und Besteck selbst mitbringen oder mit Zahnschmerzen leben, weil der Versicherungszahnarzt erst in einem halben Jahr Zeit für dich hat. Du kannst natürlich sofort einen Termin haben, wenn du 90 Pfund für das Ziehen auf den Tisch legst. Andere Behandlungen sind teurer.

Bleibt man bei den Briten, dann lebt fast ein Viertel der Bevölkerung in desolaten Wohnungen. Ein Fünftel der Bevölkerung kann es sich noch nicht einmal leisten, Freunde einzuladen, weil sie ihnen dann etwas anbieten müssten. Und für ein paar Getränke und Snacks reicht es nicht. Mehr als 2,5 Millionen Kinder leben in nassen Wohnungen, immerhin bei 1,5 Millionen Kindern reicht es nicht zum Heizen. Mehr als ein Fünftel aller Haushalte sind ständig mit den Rechnungen im Rückstand. Und das betrifft nicht nur Arbeitslose, selbst Doppelverdiener sind oft genug in der Situation.

Toll ist es hier auch nicht. Aber andere Länder haben die letzten Jahre viel schlechter überstanden. Natürlich ernährt man vom Mindestlohn keine Familie, man kommt in machen Regionen noch nicht einmal allein damit aus Hartz IV. Mit Kindern sind die Sätze viel zu gering, genauso wie geringe Löhne. Aber immerhin gibt es hier Geld. Bei den Briten bekommst du nur Arbeitslosengeld, wenn du weniger als 8.000 Pfund (keine Ahnung ob das heute mehr ist) Vermögen hast. Dann kannst du als Single mit etwa 60 Pfund pro Woche rechnen, dazu einen Mietzuschuss oder die Zinsen deiner Finanzierung. Platt gesagt, dort frisst du den Kitt aus den Fenstern, wenn du ohne Kindergeld aus dem Arbeitslosengeld fällst oder in Sozialhilfe gerätst.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


@Cooper75 danke für die Beispiele. Finde ich gut, dass Du mir das schreibst, weil bis auf die Wohnungslage in England wusste ich vieles nicht. In Holland habe ich Bekannte, aber davon berichten die mir irgendwie nie. Könnte aber auch sein, weil beide da keine Probleme haben, ihre drei Kinder durchzubringen. Das mag dann vielleicht der Fall sein.

Ich verstehe, was Du oder auch Weasel meinen. Hier gibt es auch wenigstens Geld, das stimmt und das ist schon eine gewisse Art von Wohlstand, dass man für's nichts tun, etwas bekommt. Unabhängig jetzt auf psychologische Aspekte usw. Das ist mehr, als es sogar in Europa offenbar in vielen Ländern gibt.

Natürlich darf auch sauberes Trinkwasser offenbar in DE als Luxus gesehen werden. Selbiges im Bezug auf Kinder, Arztwechsel in den Niederlanden. Ich verstehe das. Jetzt natürlich noch ein bisschen besser.

Trotzdem kann ich ja nicht von der Hand weisen, dass hier offenbar im Bezug auf die Kids wirtschaftlich der Wohlstand scheinbar nicht stimmt. Das ist für mich auch der Knackpunkt in allem. Das ist das, was mir als Nichtmutter trotzdem Sorge bereitet. Es gibt für mich nichts schlimmeres, als wenn Kinder hier in DE unter irgendwelchen Zuständen leiden müssen. Dasselbe gilt in Afrika, Ungarn usw.

Ich könnte da immer glatt heulen. Vielleicht betrachte ich es deshalb auch etwas unrealistischer, als anderswo. Ich bin immer naiv der Meinung, dass wir in DE so viele Reiche haben, die ruhig mal mehr zur Kasse gebeten werden könnten, um die Kinderarmut zu verhindern. Viele wie das "Großmaul" Till Schweiger stecken das Geld immer schön in andere Länder, aber in DE hört man von denen fast nichts. Behaupte nicht, dass sie dort nichts tun, aber hier gibt es offenbar ja auch immer mehr arme Kinder.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Die Tatsache, dass wir es uns leisten können auch Menschen ohne eigenes Einkommen genug Geld zu bezahlen damit sie sich das Nötigste leisten können zeigt doch, dass es uns gut geht. In vielen anderen Ländern können die Menschen nur davon träumen fürs Nichtstun bezahlt zu werden und bei uns jammern die Leute, dass sie vom Staat nicht genug Geld bekommen und meinen, dass sie eigentlich Anspruch auf viel mehr Geld hätten.

Dann muss man sich auch mal anschauen was hinter den Zahlen steckt, die so gerne als Beweis dafür heran gezogen werden, dass es uns ja so schlecht geht. Bei der Kinderarmut hat man zum Beispiel viele Kinder, bei denen ein Elternteil keinen Unterhalt bezahlt, daran würde eine bessere Wirtschaftslage nichts ändern. Ein zweiter Posten sind Kinder aus Familien mit drei oder mehr Kindern. Würde eine bessere Wirtschaftslage etwas daran ändern, dass es Menschen gibt, die lieber Kinder bekommen, die sie sich nicht leisten können, statt zu arbeiten?

Und bei der angeblich steigenden Zahl von Hartz4 Empfängern sind viele Leute dabei, die einen Job haben und damit nicht genug verdienen. Auch solche Berufsgruppen wie Lehrer gehören dazu, die nur einen Zeitvertrag haben, der immer zu den Sommerferien ausläuft. Geht es der Wirtschaft schlecht, wenn nicht genug Lohn gezahlt wird, oder sind da ein paar Leute einfach nur gierig und könnten sich eigentlich mehr leisten?

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Doch ich bin jemand, der da sehr egoistisch sagt, was juckt mich das Land nebenan, wenn die Probleme vor meiner Haustüre sind?

Wenn jeder so egoistisch denken dürfte, würde es kein Hartz-IV geben. Ich könnte ja sagen: Wieso sollte ich von meinem hart verdienten Geld etwas abgeben, um Menschen, die nicht arbeiten gehen, den Lebensunterhalt zu bezahlen? Diese Menschen interessieren mich genauso viel oder wenig wie die Bürger unserer ärmeren Nachbarländer.

Aber so denke ich nicht. Ich bin froh, wenn meine Steuern anderen zugute kommen. Allerdings ist es mir völlig egal ob diese Menschen in Deutschland oder sonst wo auf der Welt sitzen. Im Endeffekt wäre Letzteres sogar effektiver, weil man mit weniger Geld mehr erreichen könnte.

Es ist nicht immer die Schuld der Eltern, wenn sie H4 bekommen, dass Frühstück, Mittag und Abendessen nicht klappt.

Hartz-IV reicht definitiv dafür. Das Problem ist eher, dass das Geld für andere Dinge ausgegeben wird, die eben nicht nötig wären.

Ich behaupte auch gar nicht, dass die Eltern Schuld daran sind, schließlich ist es sehr schwer, sich dem Druck unserer Konsumgesellschaft zu entziehen. Ich sage nur, dass mehr Geld hier nicht helfen würde, weil es dann immer noch in die falschen Dinge fließen würde. Es gilt die externen Faktoren dieser Entwicklung zu beseitigen.

Übrigens habe ich als Kind auch nicht täglich warme Mahlzeiten bekommen. Als Zeichen für Armut habe ich das nie empfunden. Es war einfach normal und von kalten Mahlzeiten wird man auch satt und manchmal ist es sogar gesünder.

Es gibt die Arche in Köln und Berlin, "Immer satt" in Duisburg die die Anmeldezahlen verringern musste und viele weitere Einrichtungen.

Wenn es solche Einrichtungen gibt, werden sie logischerweise auch genutzt. Ich würde das in einer Mangelsituation auch machen, um Geld zu sparen, welches in Rücklagen fließen könnte.

In diesen Einrichtungen gibt es das Mittagessen meist für 0,50cent, was offenbar bezahlbarer ist, als zu Hause zu kochen.

Nur hat man als Hartz-IV-Empfänger eben sehr viel mehr als 0,50 Cent für eine Mahlzeit zur Verfügung.

Kinderarmut ist mein Stichpunkt, der ja in DE bei angeblichen Reichtum nicht sein müsste.

Nein, müsste es nicht, da gebe ich dir Recht. Die vorhandenen Sozialleistungen sind mehr als ausreichend, um Kinderarmut vermeiden zu können. Es liegt eher an der merkwürdigen Definition von Armut und an der Tatsache, dass das Geld nicht wie vorgesehen ausgegeben wird.

Kita-Plätze sollen sofort da sein? Seltsam meine Schwester wartet seit 6 Monaten auf Antworten vier verschiedenen Kitas, eine neue Kita wurde gebaut, dort sind die Plätze vergeben usw.

Fehlende Kita sind definitiv ein Problem. Aber man darf nicht vergessen, dass es bis vor wenigen Jahren ganz und gar nicht üblich war, seine Kinder vor dem Kindergartenalter abzugeben. Kitas sind erst durch den Wunsch nach einer "modernen" Familie wichtig geworden. Früher hatte man im Prinzip nur die Wahl, in einer "klassischen" Familie, in der sich Großeltern um die Kinder kümmerten oder die Mutter zuhause bleiben musste, zu leben. Dass diese Notwendigkeit langsam verschwindet, ist ein Zeichen für wachsenden Wohlstand.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »


Weasel, bei den Kindern muss ich dir widersprechen. Denn da passt es vorne und hinten nicht. Nehmen wir einfach mein günstigstes in diesem Jahr. 220 Euro habe ich für die Bücher und Hefte ausgeben müssen. Bei Arbeitslosengeld 2 hätte es 100 Euro Zuschuss gegeben. Blieben 120 Euro, die angespart werden müssten.

Dazu kommen 15 Euro Kopiergeld für das Halbjahr, macht weitere 30 Euro pro Jahr. Neue Hallenturnschuhe mussten sein, nehmen wir Deichmann 30 Euro. Dieses Halbjahr steht Tischtennis an, Schläger und Bälle mindestens 10 Euro, eher mehr. Es kommt ein Ausflug macht 20 Euro. Nachhilfe, falls nicht die Versetzung gefährdet ist, kommt aus dem Regelsatz.

Das geht nicht auf. Denn damit bleiben von den 270 Euro für ein Kind bis 14 Jahre schon nur noch etwas über 250 übrig. Jetzt rechne drei Paar Schuhe pro Jahr ab, zwei Jacken, 144 Euro jährlich für das Busticket, Schulbedarf, der nicht auf der Liste war, dann wird die Luft enger.

Jetzt gehen wir wieder zum konkreten Kind. Eine Zahnspange steht an, der Befund ist so, dass die Kasse die Kosten übernimmt. Aber bis zum Abschluss der Behandlung müssen 20 Prozent der Kosten selbst getragen werden. Das wird in vier Jahren etwa 400 Euro kosten, die vorgestreckt werden müssen. Da schrumpfen die 270 Euro ziemlich schnell zusammen.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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