Deutsche Backpacker besonders eingebildet?

vom 28.09.2016, 07:51 Uhr

Als Studentin muss ich auch im Urlaub auf Low-Budget-Unterkünfte zurückgreifen, sodass ich meistens im 6-Bett-Zimmer eines Hostels lande. Das ist eigentlich nicht schlimm, denn dabei lernt man oft nette Leute kennen und andere Reisende, die bestimmte Ziele empfehlen können.

Gerade in den Gemeinschaftsräumen macht man sich schnell Freunde und kommt ins Gespräch. Dabei ist mir aber etwas wirklich nerviges an deutschen Backpackern aufgefallen. Viel mehr als andere Touristen versuchen sie damit anzugeben, dass sie ja so viel reisen würden. Reisen ist unter jungen Leuten das neue Statussymbol und liegt meiner Erfahrung nach deutlich vor einem eigenen Auto oder ähnlichen Statussymbolen.

So passiert es mir regelmäßig, dass jemand im Gemeinschaftsraum "beiläufig" erwähnt, wie toll es in Laos, Australien und Chile war und möglichst viele exotische Reiseziele innerhalb von zehn Minuten Gesprächszeit einstreuen will. Wenn ich danach das grottige Englisch höre, das so manch einer trotz des vielen Reisens hat, muss ich innerlich grinsen.

Es ist mir, obwohl ich im Urlaub versuche, eher was mit anderen Ausländern zu unternehmen, besonders negativ aufgefallen, dass das eine Eigenschaft von deutschen Touris ist. Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht? Findet ihr sowas auch anstrengend und nervig?

» Cappuccino » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Wenn man es wirklich als eine Art Statussymbol nimmt ist das nicht so toll und dann würde es mich auch nerven. Ich denke aber, dass man oft einfach versucht ein Gespräch anzufangen, miteinander zu kommunizieren und was liegt da näher als über Reisen zu reden, wenn man sieht, dass das Gegenüber gerne reist?

Ich kenne einige, die als Backpacker unterwegs waren und diese haben nicht weiter damit angegeben oder das besonders in den Mittelpunkt gestellt, aber es gibt nun mal auch nicht nur den einen Deutschen.

Benutzeravatar

» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Das hat ja nichts damit zu tun, dass jemand eingebildet ist finde ich. Gerade wenn man sich auf Reisen trifft, bietet es sich doch an, gerade darüber zu sprechen. Welches Thema ist denn nahe liegender?

Ich meine, wenn ich Mutter wäre und andere Mütter vor der Kita treffen würde, würde ich mich auch eher über Kindererziehung unterhalten, weil das eben so offensichtlich ist und einen perfekten Einstieg in den Small Talk bietet. Wäre ich deswegen direkt eingebildet als Mutter?

Auf Arbeit unterhalte ich mich auch eher über arbeitsrelevante Themen oder über das Arbeitsleben und die Karriere an sich und nicht über private Angelegenheiten. In der Uni habe ich mich früher mit anderen Studenten bevorzugt über die Uni unterhalten und so eben Vergleiche mit anderen Studiengängen angestellt. Nur weil man direkt offensichtliche Themen als Einstieg nimmt, heißt das ja noch lange nicht, dass man eingebildet ist und sich für etwas besseres hält. Manchmal fallen einem keine anderen Themen ein so auf die Schnelle und nicht jeder erträgt diese lange Stille, wenn man nicht weiß, was man sagen soll.

Worüber sollten Reisende sich denn sonst unterhalten? Sexuelle Orientierung? Familienplanung? Karriere? Politik? Religion? Das sind alles so Themen, da kann man sich schnell in die Nesseln setzen, wenn man da nicht aufpasst und gerade mit Fremden und sehr oberflächlichen Bekanntschaften würde ich solche Themen bestimmt nicht großartig anschneiden wollen. Da ist das Thema Reisefieber oder Wetter doch ideal.

Benutzeravatar

» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Kann ich nicht bestätigen, dass die deutschen damit angeben wo sie alles schon gewesen sind und wie toll es doch ist wenn man schon an vielen Orten gewesen ist. Meistens ist es doch eher eine Art Austausch die stattfindet, man fragt welche Ziele sich sonst noch lohnen und andere schöpfen aus ihrer Erfahrung dort und berichten. Das hat aber nichts mit angeben zu tun, sondern alleine mit sachlicher Information.

Ich bin gerne auf diese Weise unterwegs, denn es ist für eine der Arten Urlaub zu machen die mir auch gefallen. Mit Strand, Meer und baden kann ich wenig anfangen und daher bin ich doch gerne zu Fuß mitten im Land unterwegs fernab der Touristenorte und sehe mich dort um. Das ist interessanter und auch in den Absteigen werde ich natürlich gefragt wo ich schon gewesen bin und was sich lohnt, wieso sollte ich davon nicht berichten? Nur weil ich deutsche bin und ggf. jemand anderes meint ich bin eingebildet deswegen?

Kommt doch immer darauf an wie man erzählt und berichtet und welche Absicht dahinter steckt. Jedenfalls geben andere Nationen nicht weniger an mit ihren tollen Abenteuern als deutsche und auch übertrieben wird dabei gerne, aber das sehe ich als normal an. Auch wüsste ich ehrlich nicht, was Politik, Berufsleben oder auch Familienplanung dort in den Gesprächen zu tun hätten. Denn man nimmt sich doch bezogene Themen heraus und wer auf Reisen ist und dort andere Reisende trifft, der wird sich auch darüber unterhalten und ich finde das einfach nur normal.

Benutzeravatar

» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



Für mich ist das ein Widerspruch. Wenn ich das als Statussymbol sehe, dann muss ich nicht in einer low-budget-Unterkunft wohnen, sondern mache auf andere Art und Weise Urlaub oder komme anders unter.

Sicherlich kann man auch günstig schön reisen, aber dann kann das kein Statussymbol sein. Ich sehe das eher als Art Lebenseinstellung und bewundere es ja, wenn man mit einfach Mittel weit reisen kann und dementsprechend genügsam ist. Ich selbst würde so nicht reisen wollen und lieber erst sparen, bevor ich in einem 6-Mann-Zimmer lande.

Auch auf meinen Reisen habe ich Backpacker kennengelernt und eine Freundin von mir macht regelmäßig solche Touren ist auf die Art und Weise auch mal ein Jahr lang quer durch Australien gereist. Sie hat nie damit angegeben, aber natürlich hatte sie entsprechend viel zu erzählen. Sicherlich kann man auch das als Angeberei fehlinterpretieren, aber da ich sie kannte oder kenne, kann ich das ausschließen. Man erlebt eben einfach viel und sicherlich auch mehr, als würde man einen 0815 All inclusive Urlaub buchen.

Also ich finde deutsche Backpacker nicht eingebildeter. Du verstehst sie vermutlich nur ganz gut und kannst ihnen und ihren Geschichten entsprechend folgen.

Benutzeravatar

» winny2311 » Beiträge: 15159 » Talkpoints: 4,91 » Auszeichnung für 15000 Beiträge


Ob das wirklich von der Nationalität abhängig ist, weiß ich nicht, ich denke aber auch, dass man in der eigenen Sprache für solche Feinheiten wie beschrieben empfänglicher ist. Eigentlich kennt doch jeder das, was Cappuccino meint, oder? Das gibt es ja nicht nur auf diesem Gebiet, sondern auch auf jedem anderen, wo man nur im Ansatz angeben könnte. Da werden solche Informationen, egal ob sie jetzt wichtig sind oder nicht, immer hübsch nebenbei eingestreut, sodass der sensible Zuhörer genau merkt, welche Intention eigentlich dahintersteckt.

Ich finde, man merkt den Leuten schon an, wen man da vor sich hat, ob jemand einfach nur begeistert erzählen will oder ob es dem eigenen Narzissmus dient. Dass so etwas eine Art von Statussymbol in manchen Kreisen, vor allem dem jugendlichen oder studentischen Milieu sein kann, kann ich mir auch gut vorstellen. Je mehr Länder man bereit hat, je exotischer diese Länder sind, umso interessanter erscheint es sicher vielen und man kann damit auf sich aufmerksam machen oder gar angeben.

Womit ich jetzt natürlich dem Großteil der Backpaper nicht unterstellen will, dass das ihr hauptsächliches Motiv ist. Ich kenne in der Familie selbst jemanden, der schon in den achtziger Jahren auf die Art so durch die Länder der Erde tingelte und er war ganz sicher kein Angeber, sondern motiviert, soviel wie möglich von der Welt zu sehen. Das trifft vermutlich auch heute auf viele Leute immer noch genauso zu, wobei ich schon das Gefühl habe, dass der Narzissmus und die Selbstdarstellung heute weiter verbreitet ist, unabhängig vom Thema.

» Verbena » Beiträge: 4933 » Talkpoints: 3,87 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Ich sehe das eigentlich auch so, dass man sich doch zwangsläufig über das Reisen unterhält, wenn man mit anderen, fremden Backpackern auf engstem Raum zusammengepfercht leben muss. Man muss ja irgendwie mit Smalltalk anfangen und kann sich ja nicht anschweigen, wenn man schon in einem Zimmer wohnt. Wie soll man denn sonst ein Gespräch beginnen? Man kann ja schlecht direkt über Bildung, Jobs, Familienplanung und solche Sachen sprechen.

Ich denke auch, dass man einfach darüber redet, was sich gerade anbietet. Bei der Arbeit rede ich auch hauptsächlich über die Arbeit, in der Uni hauptsächlich über das Studium, im Kino gerne über den Film und beim Shoppen über Kleidung. Warum sollte man dann nicht beim Reisen über das Reisen reden? Das ist für mich nur logisch.

Das Reisen als Thema ist ja auch recht unkompliziert. Man muss nicht direkt befürchten, jemandem zu nahe zu treten oder dass sich jemand angegriffen fühlen könnte. Die Fragen sind nicht zu privat und es kann auch jeder etwas beitragen. Ich finde, dass es also das perfekte Thema ist. Und natürlich merkt man dann doch auch an, wo man schon war. Das gehört für mich dann auch einfach dazu. Warum sollte man das denn nun verheimlichen?

Ich muss auch sagen, dass ich "eingebildet" und "Backpacker" eher nicht im gleichen Satz verwenden würde. Wer nun wirklich reist, um angeben zu können und wer sich als etwas Besseres sieht, der reist bestimmt nicht mit einem Rucksack umher und erst recht nicht in Sechsbettzimmern in Hostels zusammen mit wildfremden Menschen. Da würde man sich doch zumindest ein Hotelzimmer nehmen.

Benutzeravatar

» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^