Depressionen überall hin mitnehmen?

Ich habe einen sehr interessanten Artikel gelesen von einem Autoren, der selbst stark depressiv gewesen ist und nach einem Suizidversuch in die Psychiatrie gekommen ist. Dieser vertritt die Ansicht, dass man das Umfeld nicht ändern könnte, sondern nur eigene Strategien entwickeln könnte, um mit der Krankheit umzugehen. So ist er auch der Ansicht, dass selbst ein Wechsel von Wohnort, Umfeld und Job nichts bringen würde und man wäre immer noch psychisch krank.

Eine Freundin von mir ist aber anderer Ansicht. Sie meinte, dass die Ursache ihrer Depressionen im Umfeld zu finden gewesen wäre und dass sie nach einem Wechsel von Wohnort, Mitmenschen und Job quasi wie neu geboren wäre. Was haltet ihr von dieser Ansicht? Kann ein Tapetenwechsel und Neuanfang bei einer Depression hilfreich sein? Oder ist das Quatsch, weil die Depression sich eh nicht heilen lässt?

Ich bin der Ansicht, das man vor allem an sich selbst arbeiten muss, um eine Depression oder eine Negativ-Phase zu überwinden. Die eigene Denkweise ist entscheidend dafür, wie ich meine Umfeld betrachte und wie ich mich darin verhalte. Somit bin ich dafür verantwortlich, wie andere mich wahrnehmen und auf mich reagieren.

Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Wenn ein Mensch es wirklich auf einen abgesehen hat und einem ständig angreift, mobbt oder sonst irgendwie negativ tangiert und man keine andere Möglichkeit hat, diesem Menschen aus dem Weg zu gehen, dann kann selbstverständlich auch ein Arbeitsplatzwechsel und / oder Umzug sehr hilfreich sein. Unter Umständen könnte aber auch hier, ein geändertes Verhalten meinerseits, eine Änderung bei meinem Gegenüber bewirken.

Wenn es sich um eine handfeste psychische Krankheit handelt, also um ein Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn oder so (man verzeihe meine Ignoranz, ich bin hier nur der Elektriker), dann ist es doch sonnenklar, dass man eine depressive Erkrankung nicht einfach am alten Wohn- oder Arbeitsort zurücklassen kann oder am Besten noch ohne sie in den Urlaub fahren. Wie beschränkt sind manche Leute eigentlich? Eine defekte Bauchspeicheldrüse, von der man Diabetes bekommt, muss man ja auch überall hin mitnehmen, genauso wie die Kindheitserinnerungen oder das vorübergehende Kopfweh.

Wenn man jedoch im engeren Sinne nicht depressiv ist, sondern lediglich vom Job angenervt oder vom Liebeskummer zerfressen, ist es wiederum in meinen Augen eine Binsenweisheit, dass ein Tapetenwechsel oder eine Änderung der Lebensumstände helfen kann, weil es ja gerade diese Lebensumstände sind die einem die Laune versauen und die Lebensfreude nehmen. Das Schlimme an Depressionen als Krankheit ist ja gerade, dass sie von äußeren Umständen weitestgehend unabhängig die Psyche der Betroffenen zerstören.

Jemand, der unter Depressionen leidet, kann mit einem Cocktail am Strand liegen, während die Kinderlein im Sand spielen und die Ehehälfte den Porsche poliert und dennoch an Selbstmord denken, während psychisch gesunde Menschen auch in objektiv gesehen weniger rosigen Situationen bester Dinge sein und sich an Kleinigkeiten freuen können.