Den Tod eines Menschen nicht wahrhaben wollen und können

vom 23.07.2018, 11:07 Uhr

Ich weiß noch, als meine Schwiegermutter verstorben ist. Ich habe sie tot in ihrer Wohnung gefunden und dennoch konnte ich lange nicht wahrhaben, dass sie tot ist. Ich hatte noch Wochen nach ihrem Tod das Gefühl, dass sie gleich ins Zimmer kommt und die Beerdigung von ihr war für mich so unwirklich.

Noch schlimmer scheint es einer Nachbarin einer Bekannten zu gehen, die ihr Kind vor einigen Monaten begraben musste. Die Tochter von ihr hat mit ca. 20 Jahren einen Autounfall gehabt und ist im Krankenhaus verstorben. Sie kann es einfach nicht wahrhaben, dass ihr Kind vor ihr gehen musste. Dabei ist sie, die Mutter, schwer krank und hätte nie damit gerechnet ihre Tochter zu verabschieden. Für sie lebt die Tochter irgendwie noch. Sie deckt für sie den Tisch mit, sie kocht für sie, sie bringt ihre Lieblingsspeisen vom Einkaufen mit. Sie redet mit ihr und irgendwie kommt meine Bekannte, die sehr gut mit ihr befreundet ist, nicht mehr an sie heran.

Kennt ihr es, dass man einfach nicht wahrhaben kann und will, dass jemand verstorben ist, der einem sehr Nahe war? Wie kann man das überwinden, wenn es schon so lange anhält? Ist dann eine psychologische Hilfe notwendig? Oder sollte man einfach die Zeit nehmen darüber hinwegzukommen?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Ich denke, dass so etwas in gewissen Zügen normal ist. Für mich war ein sehr einschneidendes Erlebnis, der Tod meines Opas. Den habe ich immer sehr gemocht, auch wenn ich es ihm im Nachgang vielleicht auch manchmal zu wenig gezeigt habe und wollte einen Tag vorher nochmal zu ihm und wurde von meinem Vater nicht mitgenommen, er verstarb dann ohne dass ich ihn nochmal gesehen habe.

Als ich dann das erste Mal danach die Wohnung betreten habe, war da noch sein Geruch, seine Jacke hing noch da und das obwohl es schon ein paar Tage her war. Im Kopf dachte ich mir dann, wieso er nicht um die Ecke kommt, mich begrüßen, einfach so wie es immer war und dann kam mir wie ein Schlag die Erkenntnis hoch, dass das nicht mehr passieren wird. Was ich damit sagen will ist das man rational schon weiß was passiert ist, allerdings ist man ein emotionaler Mensch und möchte auch seine Seele schützen.

Wenn man sich dann aber einredet, dass die Person noch da ist und man sogar mit ihr spricht, dann ist das nach einer Weile schon etwas bedenklich. Gerade, wenn sie nicht mehr dafür empfänglich ist dies wahrzunehmen, würde ich versuchen sie in eine Trauergruppe zu bringen. Da gibt es viele davon und man kann sich mit anderen Betroffenen austauschen, leider ereilt dieses Schicksal ja viele Eltern.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich kenne es auch so von einem Bekannten von mir. Nach dem Tod seiner Frau hat er ihren Raum einfach so eingerichtet gelassen, wie sie es hinterlassen hat. Dabei handelt es sich um ein Wohnzimmer, wo sie immer eine Couch mit Puppen, denen sie selber Kleider nähte, gehabt hat.

Außerdem war auf dem Tisch immer ein Obstkorb, da sie jeden Tag einen Apfel oder anderes Obst gegessen hat. Dieser steht immer noch genau so auf dem Tisch. Auch die Bilder, die ich als Kind dieser Frau gemalt habe, hängen noch so hier. Ich selber finde es irgendwie nett, dass er es so gelassen hat.

Vielleicht hilft es ihm so, die Trauer einigermaßen zu verarbeiten. Und wenn ich in den Raum komme, dann scheint es für mich auch immer noch so, als ob sie noch da wäre. Ich finde, man muss es jedem Menschen selber überlassen, wie er oder sie mit der Trauer eines geliebten Menschen umgehen möchte. Da ist jeder anders und jede Beziehung ist eben einzigartig.

Es gibt eben auch Menschen, die verrückt werden und in eine Irrenanstalt kommen, weil sie nicht realisieren, dass der Mensch gestorben ist, den sie lieben. Dann doch lieber in einer Traumwelt leben, wenn andere Menschen dadurch nicht eingeschränkt oder gestört werden.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ich glaube, dass es sogar ziemlich häufig ist, dass man besonders schmerzhafte Ereignisse nicht wahrhaben will, und sie daher verdrängt. Im Normalfall schützt das ja dann auch davor, den Schmerz nicht aushalten zu können - der natürlich trotzdem da ist und nur etwas dosierter kommt.

Wenn man jemanden kennt, der sich so vor dem Schmerz schützt, ist es mE wichtig, sich darüber klar zu werden, dass man selbst die Aufgabe hat, eine Verbindung ins Leben zu sein. Gerade Trauernde lehnen das zwar oft ab, aber da heißt es dran bleiben und das Angebot, auch aus der Ferne, aufrecht zu erhalten, finde ich.

Sicher kann manchmal auch psychologische bzw therapeutische Hilfe nötig sein, aber so der so braucht jede Trauer ihre Zeit - und ihre Rituale. Wenn es hilft, einen Teller für die Verstorbene auf den Tisch zu stellen, dann schadet es ja niemandem.

Trauerbegleitung ist ja nicht umsonst etwas, dass eine große Belastung darstellt - insofern kann es auch hilfreich sein, diese Aufgabe aufzuteilen und mit mehreren Menschen, beispielsweise auch aus der Kirchengemeinde o.ä., gemeinsam dem Trauernden immer wieder die Hand zu reichen - wie gesagt, es dauert, ist oft schwierig und anstrengend - aber es ist nötig.

» Kirchenbotschafter » Beiträge: 91 » Talkpoints: 21,81 »



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