Den Tod eines Kranken für den Angehörigen als Erlösung sehen

vom 03.03.2015, 11:13 Uhr

Normal sagt man ja, dass der Tod für einen schwer kranken Menschen eine Erlösung sein kann. Aber neulich habe ich ein Gespräch mit einer guten Freundin geführt. Der Onkel von ihr ist verstorben. Er war krank. Er hatte eigentlich aber erst im Anfangsstadium Alzheimer und war aber immer schon ein kleiner Tyrann. Er war eigentlich nicht sterbenskrank. Aber das Herz hat dann doch nicht mehr mitgemacht und er verstarb ziemlich schnell und ohne Leid für den Patienten.

Die Angehörigen haben auch nicht gesagt, dass der Tod für ihn eine Erlösung gewesen ist, weil er vielleicht bei fortgeschrittenem Stadium gelitten hätte. Denn Alzheimer ist ja nicht gerade eine angenehme Krankheit. Die Angehörigen sprachen eher von einer Erlösung für die näheren Angehörigen, die in seinem Umfeld lebten und mit den "Macken" der Krankheit hätten leben müssen.

Im ersten Moment fand ich es ziemlich makaber so zu reden. Aber eigentlich hatten sie ja recht. Denn für den Patienten ist es bestimmt manchmal auch eine Erlösung. Aber bei einigen Krankheiten ist es bestimmt auch eine Erlösung für die Angehörigen oder seht ihr das anders? Findet ihr so was makaber?

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» MissMarple » Beiträge: 6786 » Talkpoints: 0,00 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Nur weil man es nicht ausspricht, muss es aber nicht automatisch falsch sein. Ich finde, dass man bei Krankheit und einem Todesfall immer auch die Angehörigen erlöst. Selbst eine lange Krankheit nimmt auch die Angehörigen sehr mit und da muss es nicht mal Alzheimer sein. Wenn derjenige dann stirbt, ist eben auch der Druck irgendwie weg.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Es ist nun mal Fakt, dass auch die Angehörigen darunter leiden. Emotional alle mal, aber auch finanziell und sie müssen viel Zeit aufbringen. Was wiederum auf die Psyche gehen kann. Es ist also auf keinen Fall einfach, einen kranken Angehörigen zu haben. Egal wie sehr man denjenigen liebt und auch wenn man gerne all diese Opfer bringt, um ihn zu pflegen.

Die Nachteile sind da. Bei manchen überwiegen sie. Sie bringen ihre Angehörigen in ein Altenheim und besuchen sie nicht mehr. Bei anderen bekommen die Nachteile nicht so viel Gewicht. Sie pflegen die Angehörigen zuhause, geben Beruf und Privatleben auf. Das wären die zwei Extreme und dazwischen gibt es noch tausend Graustufen. Aber niemand wird darin die schönste Zeit seines Lebens sehen, die absolut perfekt und ohne negative Gefühle war.

Und für den Kranken ist es auch nicht einfach, dass seine Angehörigen unter seiner Krankheit leiden. Sie fühlen sich als Belastung. Sie wollen nicht, dass ihre Angehörigen so viel aufgeben, um sie zu pflegen. Es ist also auch nicht so, dass man als Angehöriger in den sauren Apfel beißt und dabei nur Gutes herauskommt. Der Kranke mag die Situation auch nicht, es belastet ihn, dass seine Angehörigen leiden und ich denke, er wünscht sich auch, dass sie das nicht ewig mitmachen müssen.

Also ich finde es vollkommen legitim, auch über diese Seite der Krankheit zu reden. Die Leiden der Angehörigen zu verschweigen, wäre falsch. Es mag ein Tabu sein, weil natürlich der Kranke so gesehen am meisten leidet, weil es mit seinem Tod endet. Aber die Angehörigen leiden eben auch sehr, über den Tod des Kranken hinaus. Ich finde es legitim, das auszusprechen. Und makaber finde ich es auch nicht, weil der Kranke selber bestimmt zugestimmt hätte und seinen Angehörigen dieses Leid gerne ganz erspart hätte, und froh ist, wenn es jetzt nun wenigstens vorbei ist.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Das ist nicht unbedingt makaber, vor allem dann nicht, wenn ein Mensch eh ein Tyrann ist, was Du ja geschrieben hast und diese Krankheit macht das Ganze sicher nicht besser, eher wird er noch schlimmer damit, denn es ist auszuschließen, dass er, wenn selbst gute Menschen durch diese Krankheit unausstehlich werden, zum guten und ruhigen Kranken wird!

» Plauderkäfer » Beiträge: 74 » Talkpoints: 37,75 »



Plauderkäfer hat geschrieben:Das ist nicht unbedingt makaber, vor allem dann nicht, wenn ein Mensch eh ein Tyrann ist, was Du ja geschrieben hast und diese Krankheit macht das Ganze sicher nicht besser, eher wird er noch schlimmer damit, denn es ist auszuschließen, dass er, wenn selbst gute Menschen durch diese Krankheit unausstehlich werden, zum guten und ruhigen Kranken wird!

Das stimmt so nicht. Meine Großmutter war immer eine kaltherzige, stocksteife Frau. Als sie Alzheimer bekam, wurde sie richtig lieb. Meine Mutter war davon ganz gerührt, weil sie halt 60 Jahre lang eine nicht nette Mutter hatte und plötzlich war sie wie ein kleines Kind, hat sich immer bedankt und hat Körperkontakt gesucht.

Aber natürlich gibt es auch andere Phasen, die von Aggressivität und Wut geprägt sind. Und wenn der Mann schon immer ein Tyrann war, macht das die emotionale Situation für die Angehörigen auch nicht leichter. Damit hat er sich Mitgefühl nicht wirklich verdient und man hat eigentlich keine Lust, sich um ihn zu kümmern. Das ist absolut verständlich und wie gesagt, da ist er selbst Schuld dran.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich denke, dass das durchaus legitim ist. Alzheimer und ähnliche Demenzen sind für Angehörige nicht immer einfach zu ertragen. Anscheinend auch für Pflegekräfte, denn aus welchem Grund sonst gibt es Spezial Seniorenheime für Demente Bewohner? Damit muss man klar kommen.

Dass ein Mensch, der schon in gesunden Zeiten die Nerven seiner Familie strapaziert hat, auf wenig Verständnis stößt wenn er noch dazu krank und pflegebedürftig wird, finde ich allzu menschlich. Es ist ja auch keiner gezwungen, sich im Leben wie ein Tyrann aufzuführen. Ich habe volles Verständnis für Angehörige, die dann mit ihrem Schicksal mit dem Patienten auf eine andere Art noch mehr zu kämpfen haben, als alle anderen, die vorher ein paar glückliche Jahre miteinander haben.

Ich kann mir auch durchaus vorstellen, dass ein ohnehin tyrannisch veranlagter Mensch zur Belastung werden kann, wenn er dement wird. Zumal dann, wenn in der Anfangsphase auch noch die Erinnerung an sein eigenes Verhalten ziemlich schnell weg ist. Wenn so ein Mensch dann sein Bedürfnis, andere zu schikanieren in der Endlosschleife auslebt, weil er vergessen hat, dass er sich gerade Luft gemacht hat, dann stelle ich mir das für Angehörige schlimm vor.

Und selbst wenn sich ein dementer charakterlich wenig zum negativen verändert kann die Pflege da weit anstrengender sein, als bei einem geistig klaren Angehörigen, der nur zum Beispiel gelähmt oder bettlägerig ist. Manche demente laufen ständig weg und man muss ständig auf sie aufpassen, dass sie sich nicht verlaufen. Manche gefährden sich selbst. Manche haben ständig Ängste, dass sie bestohlen wurden, weil sie ihre Sachen nicht wieder finden, weil das Gedächtnis nichts mehr bereit stellt, wo sie ihre Habseligkeiten gelassen haben. Manche erkennen ihre Angehörigen nicht mehr und behandeln sie wie Fremde. Dass ist alleine dann schon belastend, weil man ständig gefragt ist und solche Menschen schwer sich selbst überlassen kann, egal wie nett oder niedlich sie werden. Auf Dauer ist es eben doch leicht belastend.

Letztlich finde ich es durchaus legitim hier von Erlösung zu sprechen, denn der Angehörige wird ja in den seltensten Fällen selbst verschuldet dement. (Wenn man jetzt zum Beispiel von Alkoholdemenz mal absieht) Gegen Alzheimer kann man halt noch nichts machen. Und wenn mir heute jemand sagen könnte, dass ich später im Alter furchtbar dement werde und meinen Angehörigen zur Last fallen würde, dann würde ich es schon begrüßen, wenn ich sie nicht allzu lange belasten müsste. Ich denke, dass das viele auch so sehen würden, wenn sie überlegen, wie das wäre, wenn sie selbst der Demente in dem Fall wären.

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» trüffelsucher » Beiträge: 12446 » Talkpoints: 3,92 » Auszeichnung für 12000 Beiträge


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