Den Dialekt/Akzent abtrainieren um Berufschancen zu erhöhen?

vom 03.04.2017, 12:47 Uhr

Nicht wenige Leute auf der Welt haben ja einen Dialekt. Gerade in Deutschland gibt es diverse Dialekte und Akzente. So sprechen die Leute in Bayern anders als die Leute im Osten und die sprechend wiederum anders als die Leute im Rheinland. Dies sind halt so sprachliche Eigenarten, die sich über die Jahre entwickelt haben.

Nun gab es neulich hier in der Gegend eine Umfrage, ob die Leute glauben, dass man, indem man versucht, sich seinen Dialekt/Akzent abzutrainieren, seine Chancen im Beruf erhöhen könnte. Tatsächlich waren 63% der Leute dieser Meinung, während 30% dies verneinten und 7% glaubten, dass der Dialekt/Akzent gar keinen Einfluss hat, wie man in der Berufswelt wahrgenommen wird,

Die Pro-Seite argumentierte dabei, durch reines Hochdeutsch würde man formeller und seriöser wahrgenommen, weil man dadurch eine neutrale Ausstrahlung bekäme und Menschen keine spezielle Herkunft mit einem verknüpfen können.

Mir erschloss sich dieses Argument nicht. Gerade Dialekte und Akzente machen einen Menschen doch individuell und als Person auch interessant. Dadurch kann man erkennen, wo er aufgewachsen ist. Einen gewissen Charme haben Dialekte und Akzente eben auch nicht selten. Mir gefällt zum Beispiel Schweizerdeutsch sehr.

Denkt ihr auch, dass man mit glattem Hochdeutsch seriöser in der Berufswelt wahrgenommen werden kann und sich seine sprachlichen Besonderheiten deshalb abtrainieren sollte? Oder seht ihr das wie ich und denkt, dass einem gerade durch einen Dialekt oder einen Akzent eine persönliche, interessante Note zukommt, die die Seriosität gar nicht in Frage stellt.

» Mr. Law » Beiträge: 365 » Talkpoints: 25,43 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich glaube das es nicht leicht ist sich einen Akzent abzugewöhnen, es aber auch zu einem selber gehört. Ich verbinde so einen Akzent auch mit der eigenen Familie, dem was man ist und wo man herkommt. Natürlich muss man sich ein bisschen anpassen, aber letztendlich sollte man doch immer noch man selber sein. Ich finde nicht, dass man sich für einen Job derartig verbiegen muss. Wobei ich mir dennoch vorstellen kann, dass man es mit bestimmten Akzenten in einem anderen Bundesland schon schwer haben kann.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Das kommt doch zuerst einmal auf den Beruf an, oder? Wenn die Floristin oder Verkäuferin in einer Gegend mit ausgeprägtem Dialekt spricht, dann stört das niemanden. Die Leute können sich identifizieren und es entsteht automatisch Nähe. Das ist auch bei Vertretern, die in "ihrem Sprachraum" unterwegs sind, unter Umständen eine sehr vorteilhafte Geschichte.

Aber Hochdeutsch wirkt professioneller. Das kommt zum tragen, wenn es nicht mehr um den Blumenstrauß, den Rinderbraten oder die Hausratversicherung geht. Eine große technische Anlage oder eine Softwarelösung verkauft sich besser, wenn der Anbieter als professionell und nicht provinziell wahrgenommen wird. Auch im Call Center haben Bewerber mit Dialekt keine Chance.

Denn man darf nicht vergessen, dass echter und reiner Dialekt in anderen Regionen eine Fremdsprache darstellt. Man muss sich aber verstehen. Oft kommt es auch Feinheiten an und dazu benötigt man eine gemeinsame Sprache. Das ist in der Regel die Hochsprache, während der Dialekt für Außenstehende immer einige offene Fragen lässt.

Als Faustregel gilt, dass je größer und überregionaler ein Unternehmen arbeitet und je höher die Position ist, desto nachteiliger ist Dialekt. Wobei man natürlich bei Bedarf den Dialekt nutzen kann, um Nähe zu schaffen oder zumindest die regionale Färbung einbringen kann. Aber Hochdeutsch sollte man eben können.

Dazu kommt, dass Dialekte ganz unterschiedlich gesehen werden. Generell ist ein Dialekt natürlich dort beliebt, wo man ihn spricht. Außerhalb hängt es dann stark vom Dialekt ab. Norddeutsche Klänge und Bayrisch sind zumindest im Westen gern gehört. Da assoziiert auch niemand direkt Dialekt mit einem niedrigen Bildungsgrad. Bei Sächsisch oder der Berliner Zunge oder dem Kölschen Zungenschlag sieht das direkt anders aus.

Ich komme beispielsweise aus dem Ruhrgebiet und ich kann natürlich "Pott" mit all seinen Feinheiten in der Grammatik und den ganzen aus anderen Sprachen entlehnten Bezeichnungen. Aber das gilt noch nicht einmal als Dialekt und hat eine nahezu asoziale Verknüpfung. Ruhrdeutsch sprechen ungebildete und arme Arbeiter.

Im Job geht das gar nicht. Da hilft mir definitiv mein Hochdeutsch, dass von Gesprächspartner immer als aus Norddeutschland klassifiziert wird. Das hat schon Vorteile, weil man eine Tochter der Hamburger Mittelschicht einfach mehr zutraut als der Tochter einer Arbeiterfamilie aus dem Ruhrgebiet. Wobei ich auch da aus der Mittelschicht stamme, aber ich kann eben klingen wie ein Arbeiterkind, zumindest wenn ich es möchte. Und das ist in meinem Job das Todesurteil.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



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