Das Leben der Freunde schützen, trotz Gefahren für sich?
Ich las vorhin in der Zeitung einen Bericht, wo es um eine jüdische Familie ging. Freunde des Mannes hatten sie im Sauerland in einem kleinen Dorf versteckt und sie so vor dem sicheren Tod gerettet. Der Ehemann hatte vorher seine Schwägerin zum Abtransport gebracht und sich von ihr verabschiedet. Das wurde als Dienstvergehen mit Geldstrafe belegt und die Zulassung als Rechtsanwalt verlor er. Als seine jüdische Frau sich in einem anderen Ort melden sollte, halfen Freunde dem Ehepaar und seinen Kindern, sich zu verstecken.
Sie durften sich tagsüber nicht sehen lassen und konnten nur nachts, wenn alle schliefen, frische Luft schöpfen. Keiner von den Dorfbewohnern durfte sie sehen und wissen, dass sie dort in einer Kammer lebten.
Solche oder ähnliche Geschichten konnte man schon öfter lesen. Aber ich habe mich gefragt, ob die heutige Generation ebenso selbstlos handeln würde und die Freunde vor dem sicheren Tod verstecken würde. Da gehört immerhin einige Courage zu, die nicht jeder hat. Zwischen 1945 und heute sind immerhin fast 70 Jahre vergangen, in denen sich die Menschen ändern können.
Viele der heutigen Menschen denken in erster Linie an sich selbst und was auf sie zukommen könnte, bevor sie für andere da sind. Vielleicht sehe ich das auch zu schwarz. Aber würde es eine solche Freundschaft und Solidarität auch heute noch geben, wenn es um das Leben der Freunde ginge?
Ich würde so ziemlich alles für meine Freunde machen und ich weiß auch, dass es bei ihnen auch so ist. So ein von dir beschriebener Fall ist in meiner Generation vielleicht nicht mehr so ganz vorstellbar, aber ich weiß, dass ich mich auf meine Freunde zu 100% verlassen kann und ich würde auch absolut alles für meine Freunde machen, selbst wenn ich selber Schaden dadurch erlange. Es sind alles wertvolle tolle Menschen und sie haben auf jeden Fall ihr Leben verdient und wenn ich dies irgendwie verlängern kann würde ich es machen.
Sicherlich sind nicht mehr viele Menschen so, dass sie sich in solche Gefahren begeben würden, aber das ist in Deutschland heutzutage auch kaum noch möglich dies wirklich zu überprüfen. Man kann es aber durchaus mal testen, wenn man nachts mit einem Problem vor der Tür eines Freundes steht, denn da fängt es in meinen Augen schon an. Mein bester Freund hat mich nicht nur ein Mal nachts wachgemacht, weil es ihm nicht gut ging und er musste sich auch den ein oder anderen Kummer anhören, das ist bei einer richtigen Freundschaft in Ordnung.
@Ramones, wie du von deinen Freunden sprichst, dass finde ich einfach toll. Wenn man dich als Maßstab nimmt, scheint es wirklich noch echte, tiefe und selbstlose Freundschaft zu geben. Das ist sehr erfreulich und gibt Hoffnung. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man sich auf Freunde verlassen kann und selbst auch bereit ist, für sie da zu sein.
Ich habe auch schon einige solcher Geschichten gehört oder gelesen und sie haben mich immer tief bewegt. Ich glaube, was in die Waagschale geworfen wird, sind nicht nur die Angst vor dem Entdecktwerden und die Liebe, die man für seine Freunde empfindet. Sondern auch, dass man einfach nicht damit leben könnte, wenn man es nicht mal versucht. Wenn man selbst den Krieg überlebt und nicht mal versucht hat, seine Freunde zu retten. Die Angst davor ist sicherlich auch nicht unerheblich.
Der Vergleich zwischen den damaligen Menschen und der heutigen Gesellschaft. Ja, damals hat man generell noch mehr anderen Menschen geholfen. Der alten Nachbarin, seinen eigenen alten Eltern. Das ist mit der Zeit verloren gegangen, weil staatliche Hilfen eingesprungen sind. Wer sich nicht mehr selbst etwas zu essen bereiten kann, bekommt Essen auf Rädern geliefert. Es ist also gar nicht mehr so nötig, für andere da zu sein.
Auch damals kam die Notwendigkeit, seine Freunde zu verstecken nicht über Nacht. Das System aus Unterdrückung, Hass und Angst entwickelte sich über einige Jahre. Wenn dies heute wieder so wäre, würde vielleicht auch heute wieder die Erkenntnis wachsen, dass wir uns gegenseitig helfen müssen.
Ich habe mir schon oft überlegt, welche Rolle ich wohl in dieser Zeit damals gespielt hätte. Ich glaube nicht, dass ich den Mut einer Sophie Scholl hätte. Seit wir das Haus auf dem Land haben, wäre es mir möglich, alle Kinder aus meiner Familie, also meine kleinen Nichten und Neffen aufzunehmen. Familiäre Kinderlandverschickung. Und Kinder von Freunden natürlich auch Ich glaube nicht, dass ich deren Leben riskieren würde, in dem ich Freunde verstecke.
Aber eigene Kinder habe ich nicht. Würde ich also meine Nichten und Neffen nicht aufnehmen, hätte ich durch das Verstecken von Freunden nicht viel zu verlieren. Ich hoffe sehr, dass ich den Mut dazu haben werde, falls es mal notwendig sein sollte. Aber kann ich dafür jetzt meine Hand ins Feuer legen? Ich bin kein sehr mutiger Mensch; ich musste noch nie bedrohliche Extremsituationen meistern.
@Bienenkönigin, du schreibst, dass du kein mutiger Mensch bist. Ich glaube auch nicht, dass das Voraussetzung wäre, um anderen zu helfen. In dem Moment, wo Hilfe gebraucht wird, wo sie einfach notwendig ist, da wird man nicht lange überlegen, sondern instinktiv handeln und helfen. Die Erkenntnis, wo man all den Mut hergenommen hat, die kommt erst später, wenn man mutig war und nicht darüber erst nachdachte. In solchen Momenten fehlt dir die Zeit, die man zum Nachdenken benötigt, da macht man es automatisch, ohne zu denken.
Ich glaube auch, wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte jemanden zu verstecken und ich hätte es nicht versucht, dann könnte ich nicht mehr in den Spiegel sehen, weil die Scham zu groß wäre, einem Menschen nicht geholfen zu haben. Ich hoffe nicht, dass wir jemals wieder ähnliche Verhältnisse in Deutschland bekommen. Es macht Mut, dass du schreibst, dass vielleicht auch heute wieder die Erkenntnis wachsen könnte, sich gegenseitig zu helfen. Somit wäre vielleicht noch nicht alles verloren, falls die heutige Generation doch noch eingreifen würde.
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