Darf man eigentlich im Job heulen?
Es kann schon mal passieren, dass einen im Job die Tränen fließen, wenn man eine schlimme Nachricht bekommt und das ist ja bestimmt auch in Ordnung. Ich habe aber eine Kollegin, die bei jedem bisschen anfängt zu heulen, egal ob sie Ärger mit dem Chef hat, wenn mal ein Fehler passiert ist oder ob es mal stressig wird.
Ihr ständiges Heulen finden viele in der Firma schlichtweg nervig und denken, dass sie sich vielleicht einen anderen Job suchen sollte. Wie würdet ihr mit der ständigen Heulerei von einer Arbeitskollegin umgehen? Würdet ihr es auch nur Augendrehend zur Kenntnis nehmen oder meint ihr, dass man im Job auch ruhig mal heulen kann und mit der Kollegin mal das Gespräch suchen?
Ich frage mich, wenn ich das lese, ob da vielleicht auch Mobbing im Spiel ist, wenn jemand direkt anfängt zu heulen, wenn im Job was ist. Fragt doch einfach mal die Kollegin, warum sie so reagiert. Fühlt sie sich ungerecht behandelt oder hat sie Probleme mit dem Chef oder vielleicht auch mit euch Kollegen? Ich würde nicht einfach darüber herziehen und auch nicht die Augen verdrehen. Ich würde mit dieser Kollegin ein Gespräch suchen. Denn nur dann kann man erfahren, was los ist und warum sie ständig weint.
Aber im großen und ganzen denke ich, dass man auch mal im Job heulen darf. Warum auch nicht? Gefühle sind menschlich und wenn man nahe am Wasser gebaut ist, wie man so schön sagt, dann kann es eben auch passieren, dass man auch im Job mal weint.
Ich habe im Moment eine Kollegin, die es sehr schwer hat. Ich unterhielt mich neulich mit ihr über ein Thema, wobei ihr plötzlich die Stimme gebrochen ist. Sie hat sich noch zusammenreißen können, aber ich habe eben gemerkt, dass da was nicht stimmt. Es hat sich dann heraus gestellt, dass ihr Sohn - der in meinem Alter ist - an Krebs erkrankt ist und seit Monaten ums Überleben kämpft. Hinzu kommt, dass die Chefin meiner Kollegin zusetzt, da sie ein unrealistisches Arbeitspensum verlangt. Da ist es klar, dass man irgendwann nicht mehr kann und an seine Grenzen stößt.
Abgesehen davon wüsste ich nicht, was so schlimm daran sein soll, auf Arbeit seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Irgendwann kann man einfach nicht mehr und dann muss alles raus. Das ist doch nicht schlimm finde ich. Ich sehe da jedenfalls nichts verwerfliches. Schlimmer würde ich es finden, wenn man vor versammelter Mannschaft eine übelste Szene macht und alles über dramatisiert wie ein Schauspieler auf der Theaterbühne. Selbstinszenierung kann ich nicht leiden, egal wie diese aussieht. Das scheint hier aber nicht der Fall zu sein.
Ich habe es nicht so mit Gefühlen am Arbeitsplatz, wobei ich natürlich auch differenziere. Manche Leute heulen bei jedem Pipifax, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass sie so um lästige Aufgaben herumkommen oder ähnliches. Dafür habe ich null Verständnis. Wer mit den alltäglichen Anforderungen eines normalen Jobs nicht klarkommt und seinen "Gefühlen freien Lauf lassen" muss, muss sich entweder einen anderen Job suchen, Stunden reduzieren, Aufgaben abgeben oder sich in ärztliche Behandlung begeben. Für das eigene Wohlbefinden und den Erhalt der Gesundheit und Leistungsfähigkeit ist jeder selbst verantwortlich.
Anders sieht es in meinen Augen in Berufsfeldern aus, wo einem auch mal jemand unter den Händen stirbt oder ähnliche Katastrophen passieren. Da halte ich es eher für schädlich, wenn verlangt wird, dass sich niemand etwas anmerken lässt und nicht mal eine Viertelstunde bekommt, um sich zu sammeln. Aber auch hier fände ich es suboptimal, wenn jemand mehrmals täglich vor sich hin weinend ertappt wird, weil gerade in diesen Branchen Professionalität über alles geht, wenn man Menschenleben retten soll.
Und natürlich gibt es Phasen im Leben, in denen man einfach nicht top professionell und beherrscht sein kann, weil es privat drunter und drüber geht. In diesen Fällen kann ich auch wiederum verstehen, dass jemand auch mal mit Tränen in den Augen verglast am Schreibtisch sitzt, aber selbst dann sollte man als Arbeitnehmer zumindest durchblicken lassen, dass man gerade privat akute Probleme hat und um Verständnis bitten, wenn man gerade nicht top konzentriert ist. Normale Chefs und Kollegen sollten dann schon Rücksicht nehmen. Und im Zweifelsfall kann und soll man sich ja auch krankschreiben lassen, wenn überhaupt nichts mehr geht.
Ich würde dem auch auf den Grund gehen wollen und die Kollegin fragen, was denn mit ihr los ist. Mich würde es nicht kalt lassen, wenn jemand auf der Arbeit plötzlich weint. Ich habe das zweimal erlebt. Einmal ist ein Angehöriger einer Kollegin gestorben und sie musste trotzdem arbeiten. Sie wurde dann auch von Kollegen getröstet und beim zweiten Mal ist eine Kollegin in Tränen ausgebrochen, weil die Kasse nicht stimmte und sie verzweifelt war, dass man sie dafür verantwortlich machen würde.
Wenn jemand plötzlich auf der Arbeit weint oder das eben häufiger vorkommt, würde ich mir da schon Gedanken machen und eben schauen, ob ich irgendwie helfen kann. Ich finde, dass es nur menschlich ist, wenn man Gefühle zulässt und manchmal kann man einfach seine Tränen nicht mehr unterdrücken.
Ich bin schon sehr emphatisch und kann nicht einfach zusehen wie jemand immer wieder weinen muss. Ich würde da also mal nachfragen und auch sagen, dass es passieren kann, dass man mal eine schlechte Phase hat und dass das vielleicht auch nichts für einen ist, wenn man immer wieder wegen kleinen Streitereien mit dem Chef weinen muss. Ich finde das Weinen an sich ist nicht wild, das kann vorkommen und es gibt Menschen, die sehr nah am Wasser gebaut sind, jedoch kann ich mir vorstellen, dass es hierfür auch Gründe geben kann, private oder weil man sich einfach überfordert fühlt und da kann ein Gespräch ja nicht schlimm sein.
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