Corona - Schwanken zwischen Panik und Hoffnung
Vor zwei Wochen dachte ich kurzzeitig, dass die Coronakrise jetzt einigermaßen im Griff ist. Man weiß ja ungefähr, wie die Übertragungswege sind und wie man sich zu verhalten hat, um die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung sehr klein zu halten. Prompt habe ich mich für ein paar Volkshochschulkurse angemeldet. Die Veranstalter dort sind sehr vorsichtig und beachten alle Hygieneregeln.
Nun habe ich allerdings eher zufällig eine Sendung über die Spätfolgen auch bei leichten Krankheitsverläufen angeschaut, die von Atemnot und Gedächtnisstörungen über Geruchsverlust bis zu Taubheit reichen. Auch die eineinhalb Meter Abstand scheinen nicht ausreichend zu sein, um sich einigermaßen zu schützen.
Daraufhin habe ich in Panik eine Veranstaltung wieder abgesagt, weil wir für eine Besichtigung mit einem Reisebus fahren mussten. Die Leute durften sogar nebeneinander sitzen. Das wusste ich vorher nicht. Auch einen Kochkurs werde ich wahrscheinlich absagen.
So schwanke ich zwischen Panik und Hoffnung. Im Moment bin ich eher übervorsichtig. Wie geht es euch mit Corona? Seid ihr sorgloser geworden und glaubt, dass mit den Hygienemaßnahmen bald ein relativ normales Leben wieder möglich ist? Oder geratet ihr auch immer wieder in Panik, wenn ihr Berichte lest oder Sendungen anschaut, die auf die Gefahren aufmerksam machen?
Wenn ich so darüber nachdenke, fühle ich in Bezug auf Covid-19 weder Panik noch Hoffnung. Ich habe mich den veränderten Gegebenheiten angepasst und wundere mich ernsthaft darüber, dass das so vielen Leuten so schwer zu fallen scheint. Das Virus schert sich einen Dreck um die Gefühle der Leute, die es befällt, und auch die Schutz- und Hygienemaßnahmen sind einfach nur logisch und ändern sich nicht, egal, ob sich jemand panisch daran hält oder sie als neue Lebenswirklichkeit akzeptiert.
Dabei geht es für mich nicht im geringsten darum, dass vielleicht der Mundschutz nervt oder dass der Sommerurlaub ausfällt oder um sonstwelche kostbaren Gefühlchen meiner Person. Statt dessen verkneife ich mir das Reisen eben dieses Jahr und wo sich viele Menschen ansammeln, bleibe ich fern. Ich empfinde es als ganz einfach. Simpelste Logik. An der Isar drängen sich Hunderte - in meinem Wohnzimmer nicht.
Ich bin sowieso der Meinung, dass es weniger Grund zur Panik und mehr Grund zur Hoffnung geben würde, wenn weniger Leute glauben würden, dass alles wieder normal ist, nur weil sie die Schnauze voll davon haben und wieder ungestört Party machen wollen. Schon der Buddhismus lehrt (sehr stark vereinfacht), dass "Begehren" jeder Art nur Schmerz und Leiden bringt, und ich finde, dass die aktuelle Pandemie diese Einstellung sehr schön illustriert.
Gerbera hat geschrieben:Wenn ich so darüber nachdenke, fühle ich in Bezug auf Covid-19 weder Panik noch Hoffnung. Ich habe mich den veränderten Gegebenheiten angepasst und wundere mich ernsthaft darüber, dass das so vielen Leuten so schwer zu fallen scheint.
Wobei ich es schon gut nachvollziehen kann, dass das vielen Menschen schwerfällt. Menschen sind nun einmal soziale Wesen, die auf soziale Kontakte dann doch nur schwer dauerhaft verzichten können. Es fällt am Ende eben doch vielen Menschen schwer, sich langfristig ins eigene Wohnzimmer zurückzuziehen und dort womöglich jahrelang auszuharren.
Auch ich tue mir schwer damit, wobei ich ein verhältnismäßig wenig geselliger Mensch bin und Menschenansammlungen nicht brauche und nicht aufsuche. Aber meine Wohnung verlassen zu können gehört dauerhaft gesehen schon zu meinen Grundbedürfnissen. Abgesehen davon würde irgendwann auch die Infrastruktur und Nahrungsmittelversorgung zusammenbrechen, wenn sich niemand mehr aus der Wohnung bewegen würde.
Daher kann ich auch den Spagat zwischen einem der Sicherheit und Gesundheit dienendem Verhalten einerseits, und meinen zum Teil dazu widersprüchlichen Grundbedürfnissen andererseits schon sehr gut nachvollziehen. Es ist jeden Tag ein neuer innerer Konflikt, den ich da mit mir selbst austragen muss. Und wie gesagt, ich habe sogar noch das Glück, dass ich gar nicht so sehr die Geselligkeit suche und brauche wie viele andere Menschen.
lascar hat geschrieben:Wobei ich es schon gut nachvollziehen kann, dass das vielen Menschen schwerfällt. Menschen sind nun einmal soziale Wesen, die auf soziale Kontakte dann doch nur schwer dauerhaft verzichten können. Es fällt am Ende eben doch vielen Menschen schwer, sich langfristig ins eigene Wohnzimmer zurückzuziehen und dort womöglich jahrelang auszuharren.
Ich betrachte mich auch durchaus als Menschen, und vielleicht kommt es einfach darauf an, wie man "sozial" definiert. Die Leute, etwa chronisch Erkrankte oder sonstige Risikogruppen, die tatsächlich am besten gar nicht mehr unter Leute gehen sollten, haben es natürlich sauschwer, die beneide ich nicht. Aber diese Betroffenen machen doch einen verschwindend geringen Anteil aus. Die überwältigende Mehrheit musste noch nie "jahrelang im eigenen Wohnzimmer" ausharren. Selbst zu Lockdownzeiten war Sport und Bewegung im Freien erlaubt, und der Spaß dauert auch erst vier Monate an.
Aber für mich ist "soziales Wesen" eben nicht gleichbedeutend mit "Hunderte von Leuten drängen sich in der Fußgängerzone/am Strand/im Park/in den Bergen". Ich bin der Meinung, dass mensch seinen zweifelsohne vorhandenen natürlichen Drang nach Gesellschaft zumindest kanalisieren kann und nicht zwangsläufig beim Kollektivbesäufnis in der Fußgängerzone ausleben muss.
In Zeiten wie diesen sind wir es unseren Mitmenschen meines Erachtens schuldig, eine Balance zwischen "im Wohnzimmer verstauben" und "hemmungslosem Gruppenrudeln" zu finden. Kaffeetrinken im engeren Familienkreis oder mit fünf anstelle von 50 Leuten zu grillen ist für mich auch "sozial". Es muss ja nicht immer Wacken sein.
Dann sind wir uns ja einig. Wie gesagt, ich selbst habe auch überhaupt nicht das Bedürfnis nach großen Events oder Partys, und dass beispielsweise das Oktoberfest in München ausfällt, ist für mich eher eine Erleichterung. Es ging mir nur einfach darum, dass ich trotzdem auch die Bedürfnisse derjenigen Menschen nachvollziehen kann, die ein anderes, weitreichenderes Verlangen nach Party etc. verspüren, auch wenn ich es selbst nicht teile. Die Frage ist halt, wie man diese Leute und ihre Bedürfnisse einhegen und auf ein Level bringen kann, das die Infektionszahlen nicht wieder in die Höhe treibt.
lascar hat geschrieben:Die Frage ist halt, wie man diese Leute und ihre Bedürfnisse einhegen und auf ein Level bringen kann, das die Infektionszahlen nicht wieder in die Höhe treibt.
Womit wir wieder beim Thema "sich den Gegebenheiten anpassen" wären. Der Meinung bin ich nämlich auch. Vielleicht traue ich meinen Mitmenschen zu viel Selbstregulation zu, aber mir erscheint es einfacher und praktikabler, wenn die Leute ihre Bedürfnisse selber "einhegen" könnten und nicht durch Druck von außen, Bußgelder und Behörden dazu gezwungen werden.
Und generell finde ich, um den Kreis zum Thema zu schließen, ratsam, sich weder panisch abzuschotten noch in der mehr oder weniger irrigen Hoffnung, der ganze Zirkus sei schon vorbei, den Anschein von Normalität zu erzwingen und so alles nur noch schlimmer für sich und andere zu machen.
Ich habe weder Panik, noch Hoffnung. Gerade die Hoffnung auf eine langfristige Besserung der Lage machen doch die Menschen zunichte, die jegliche Vorgaben versuchen zu ignorieren. Als die Maskenpflicht in Sachsen kam, war ich nach zwei Stunden morgens schon mit den Nerven so weit runter, dass ich den restlichen Tag meinen Laden zu machen wollte.
Zum großen Schild an der Tür kam auch die persönliche Erinnerung. Antworten wie "hab dich nicht so" und "ich will doch nur kurz" waren da noch harmlos. Aber die Ignoranz, wie man sie seit einigen Wochen wieder täglich erleben kann, wird schnell wieder einer allgemeinen Panik Tür und Tor öffnen. Denn die Fallzahlen zeigen es ja deutlich, was uns die Lockerungen gebracht haben.
Ja, die Fallzahlen steigen wieder, aber für mich besteht jetzt kein Grund zur Panik. Die hatte ich auch nicht als nur wenige Kilometer von mir entfernt die Krankenhäuser so überfüllt waren, dass die Patienten nach Deutschland ausgeflogen wurden oder mit Zügen in den Süden transportiert wurden. Ich habe mich fast immer so verhalten, dass mein Infektionsrisiko sehr überschaubar ist.
Hoffnung? Eigentlich auch nicht. Ich glaube auch dafür bin ich zu pragmatisch. Es bringt mir überhaupt nichts einem "alten Leben" hinterher zu jammern, das es nicht mehr gibt und auch nie wieder geben wird, weil die Erfahrungen mit der Pandemie einfach sehr vieles verändert haben.
Und das Festhalten an der Vergangenheit sorgt letztendlich nur dafür, dass ich Probleme habe mich in der Gegenwart mit den aktuellen Gegebenheiten zu arrangieren und das Beste aus der Situation zu machen.
Ich glaube nicht, dass die Situation groß besser werden wird. Anfangs dachte man ja, dass das ein paar Wochen dauert und dann vorbei ist. Aber inzwischen sieht es eher danach aus, als würde Corona bleiben und dann müssten wir auf die Impfung warten, die erst Mitte nächsten Jahres kommen soll, bevor alles wieder normal wird.
Den Lockdown fand ich teilweise auch nicht so sinnvoll. Dass man große Menschenansammlungen verbietet ist sicher gut. Ich hatte auch so nicht das Bedürfnis, mich Ansammlungen anzuschließen. Aber daran, dass man nicht ohne guten Grund heraus durfte, habe ich mich nicht gehalten. Ich gefährde ja niemanden, wenn ich alleine im Auto herumgefahren bin. Und ich denke, dass dieser Lockdown, der ja nochmal verlängert wurde, Menschen zu sehr eingeschränkt hat, sodass sich da Widerstand geregt hat und sowas, sollte die Politik nochmal auf die Idee kommen, nicht nochmal durchsetzen lassen würde.
Menschen lassen sich nicht ewig einschränken, irgendwann hat man keine Lust mehr. Ich persönlich habe jetzt keine Lust auf Urlaubsfahrten, aber für manche ist das das Highlight des Jahres und die halten es eben nicht so einfach aus, darauf zu verzichten. Das ist dann so, als würdest du einem Raucher die Zigarette wegnehmen.
Es gibt nur einen Grund für die gestiegenen Fallzahlen: Es wird erheblich mehr getestet, wie der Bericht des RKI belegt. Mitte Juni waren es 384.00 Tests, im Juli bereits über 500.000, Tendenz steigend. Selbstverständlich erhält man so mehr positive Ergebnisse, auch wenn die Lage unverändert ist. Die Positivenrate jedoch liegt seit Wochen unverändert bei 0,6 % und bleibt trotz der Fallzahlen konstant so niedrig, wie zu keinem Zeitpunkt der Krise zuvor. In der schlimmsten Phase lag sie bei über 9 %.
Es gibt nicht mal ansatzweise Hinweise für eine zweite Welle, geschweige denn Gründe für eine Panik, auch wenn sie von Politik und Medien mit aller Mühe geschürt wird, würde man doch sonst ein wunderbares Instrument für willkürliche Zwangsmaßnahmen verlieren. Natürlich gibt es ein gefährliches Virus, aber es wird in kaum einem Land politisch dermaßen instrumentalisiert, wie in unserem. Man kann davon ausgehen, dass die Krise auf jeden Fall bis zur Bundestagswahl mit allen Mitteln aufrechterhalten wird.
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