Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit realisierbar?

vom 24.10.2018, 06:37 Uhr

In Bezug auf die Bildungsgerechtigkeit ist immer mehr von Chancengleichheit die Rede. Meint ihr, dass sich Chancengleichheit überhaupt realisieren und umsetzen lässt? Wenn ja, durch welche Strategien und Maßnahmen? Oder meint ihr, dass das nur Utopie und Wunschdenken ist und sich gar nicht realisieren lassen können wird, egal was man auch tut?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Unterschiede in der gesellschaftlichen Stellung wird es immer geben. Mir fällt hier als Gegenbeispiel spontan das Bild von Magritte ein, wo alle mit einen Anzug und Hut korrekt gekleidet sind, aber wie geklonte Menschen ohne eigene Individualität aussehen. Ganz ohne dem Maler hier eine Sozialkritik unterstellen zu wollen, was würde eine derartige Gesellschaft bedeuten? Gleichmacherei auf hohem Niveau? Das ist sicher nicht das Ziel einer Bildungsgerechtigkeit.

Der Gedanke der dahintersteckt, ist, dass eine Verschiedenheit in der beruflichen und gesellschaftlichen Stellung nur dann von anderen akzeptiert wird, wenn erkannt wird, dass dies durch Leistung entstanden ist. Die Realität sieht anders aus: Leider wird auch von denjenigen, die es im Leben trotz gleicher Bildungschancen nicht so weit gebracht haben, nicht etwa die Leistung anderer anerkannt, sondern dieser Umstand zum Anlass ständigen Neides und von Misshelligkeiten genommen.

Sozialneid ließe sich mit Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit alleine nicht unterbinden. Hier müsste ein ganz anderes Konstrukt Platz greifen. Eine ideologische Aufpfropfung von oben hilft hier überhaupt nicht. Das Experiment des Sozialismus ist ja gründlich gescheitert. Aber so etwas in der Art, was allgemeine Akzeptanz fände, würde zu einer besseren und konfliktfreieren Gesellschaft sicherlich beitragen können.

» Gorgen_ » Beiträge: 1152 » Talkpoints: 411,22 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


Ich denke, man sollte Gerechtigkeit nicht mit Gleichmacherei verwechseln. Natürlich wird es immer unterschiedliche Begabungen und Vorlieben in einer Gesellschaft geben, und Tätigkeiten und Qualifikationen, denen inhärent mehr Wert zugeschrieben wird als anderen, wie zum Beispiel Sport verglichen mit Kinderbetreuung.

Aber das heißt ja nicht, dass man sich deswegen achselzuckend zurücklehnen kann, weil einen der Zufall der Geburt jobmäßig auf die Füße hat fallen lassen, oder irgendwelche Zerrbilder an die Wand zu malen, dass dann auf einmal alle Banker oder Professoren werden und keiner mehr die Straßen teert. Nicht jeder findet einen Büro- und Anzugjob gleich geil und hat auch die Persönlichkeit, die man dafür braucht.

Und selbst wenn es nicht von heute auf morgen sowie hundertprozentig umsetzbar ist, dass die Tochter eines Straßenarbeiters oder der Sohn einer Verkäuferin genauso problemlos Zugang zu höherer Bildung und auch tatsächlich gut bezahlten Jobs hat wie der Nachwuchs von biodeutschen Akademikern mit Beziehungen in alle möglichen Kreise, so ist das auch kein Argument, sämtliche Bestrebungen in dieser Hinsicht hinzuschmeißen.

Der Weg dahin ist bestimmt lang und nicht einfach, aber jeder, der die Chance hat, seine Begabungen und Vorlieben auszuleben und nicht in eine Rolle gedrängt zu werden, die auf dem Geldbeutel seiner Familie basiert, ist für mich ein Gewinn für die Gesellschaft.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Was ich zum Beispiel ändern würde im Bildungssystem, wäre ein auf Modulen aufbauendes System, das jedesmal auch mit einem beruflich anerkannten Abschluss endete. Diese Abschlüsse würden dann Berufsqualifikationen enthalten, auf die die Wirtschaft und andere Bereiche erst eingeschworen werden müssten.

Viele Abiturienten, die vor der Entscheidung pro oder kontra Studium stehen, kommen letztendlich doch zu dem Entschluss, sich dann doch lieber für eine Berufsausbildung mit Lehre zu entscheiden, weil sie ahnen, dass sie, wenn sie im letzten Examen dann doch durchfallen, noch nicht einmal Anspruch auf Sozialhilfe hätten.

Und genau dies wurde ja auch versucht mit dem sogenannten "Zweiten Bildungsweg". Dann fragen Sie einmal die Professoren, wie diese Studierendengattung regelrecht rausgemobbt wird aus der Uni. Hier müsste doch der Hebel für die Abschaffung eines Zwei- oder sogar Mehrklassensystems angesetzt werden.

» Gorgen_ » Beiträge: 1152 » Talkpoints: 411,22 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



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