Buch spannend finden, obwohl Ende allgemein bekannt ist?
Ich habe gerade das Buch "Mein Herz und andere schwarze Löcher" beendet. In dem Buch geht es um zwei Jugendliche, die sich durch ein Internetportal kennenlernen, weil beide die Absicht haben, sich umzubringen - letztendlich verlieben sie sich aber ineinander und entscheiden sich daher für das Leben.
Was sich vielleicht wie ein Spoiler anhört, ist keiner. Was passiert, steht im Klappentext und ist auch allgemein bekannt. Dass es ein Happy End gibt, ist also keine Überraschung. Ich muss sagen, dass ich das Buch dennoch sehr spannend fand, auch wenn ich von Beginn an wusste, wie es ausgeht. Dennoch gab es noch einen anderen Spannungsbogen im Buch, zudem ist die Geschichte auch einfach schön geschrieben. Könnt ihr ein Buch dennoch spannend finden, auch wenn das Ende allgemein bekannt ist?
Es gibt zahlreiche solcher Bücher, die im Prinzip mit der Offenlegung des Endes beginnen und die Geschichte danach sozusagen "von hinten aufrollen". Ein anderes bekanntes Beispiel ist das im Moment sehr umstrittene Werk "13 Reasons Why", wo ja auch schon von Anfang an bekannt ist, dass die Hauptfigur Suizid begangen hat.
Die Ansicht, dass am Ende eines Buches eine frappierende Enthüllung mit großer Überraschung stehen muss, kenne ich so ohnehin nur aus dem Kriminalroman-Genre, wo bis zuletzt gerätselt wird, wer der Mörder war. Bei den meisten anderen Kategorien an Literatur geht es viel mehr um die Dynamik zwischen den Charakteren, die persönlichen Entwicklungen dieser und die Plot Twists im Verlauf der Geschichte als um ein spektakuläres Ende.
Dementsprechend bin ich auch der Meinung, dass ein Ende mit Überraschungseffekt keine Voraussetzung für ein großartiges Buch ist und dass es vielmehr um den gesamten Inhalt, den Schreibstil und die Identifikation mit den handelnden Personen geht.
Ich habe vor Kurzem einen Thriller gelesen, der mit einem Mord beginnt. Das ist zunächst mal nichts ungewöhnliches in dem Genre, aber direkt wenn man das nächste Kapitel ließt weiß man, wer das Opfer sein wird und wer der Täter sein wird. Ich fand das Buch gerade deshalb spannend, weil man ja wissen will was vor der Mordszene passiert und wie die Charaktere überhaupt da hin gekommen sind.
Es gibt natürlich ein paar Beispiele von Büchern und Filmen, die nur dann wirklich gut funktionieren wenn man als Leser oder Zuschauer das Ende nicht kennt, aber ganz generell ist eine spannende Szene doch vor allem deshalb spannend weil sie gut geschrieben ist und nicht, weil man nicht weiß, was darauf folgt, oder?
Der vorerst geplante Suizid der beiden Hauptdarsteller ist ja nur mehr ein Nebenschauplatz. In der Geschichte geht es um die Liebe und die Entscheidung der Protagonisten, das Leben für die Liebe anzunehmen. Klingt irgendwie zuckersüß, daher kein Lesestoff für mich. Es geht also in diesem Roman nicht um den Spannungsaufbau ob und wann sie sich nun das Leben nehmen werden.
Es geht darum, wie zwei Menschen die große Liebe für sich finden und daher Ja zum Leben sagen.
Daher ist es wahrscheinlich wichtig, im Klappentext zu erwähnen, dass es eine Geschichte über die Liebe und das Leben und eben nicht über den Tod ist. Letzten Endes ist es ja ein Jugendbuch und es wäre fatal, würde der Tenor des Buches lauten"Sinn des Lebens ist der Tod". Denn Sinn des Lebens ist hier die Liebe. Kein schlechtes Buch für junge Menschen, die unter Depressionen leiden und hier vielleicht einen guten Ausgang erkennen können.
Ich habe vor einigen Jahren auch ein Buch gelesen, wo mir nach den ersten Seiten klar war, wie es enden wird. Dabei ging es um einen Teil deutscher Geschichte und da bin ich für viele Epochen recht gute Kenntnisse. Das hat aber dem Buch keinen Abbruch getan. Ich fand es spannend geschrieben, bis der Autor zum Finale kam.
Und selbst wenn es der Autor im Klappentext das Ende schon selbst verrät, ist es doch oft sehr interessant, wie es dazu kommt. Ich kenne zwar das genannte Buch nicht, aber so glatt und ohne Stolpersteine wird die Geschichte ja nicht verlaufen sein.
Ich habe auch mal so ein Buch gelesen, wobei das auch ein Roman war. Dieses Genre lese ich eher selten mal, aber dieser war wirklich gut geschrieben. Man wusste dass die Eltern des Erzählers gestorben sind und er sich alleine durch das Leben kämpft, nicht aber wie es dazu kam und wie er das alles so macht und was er macht. Das wurde dann im Buch sehr schön beschrieben. Ich mag solche Bücher eigentlich sehr, wobei sie dann auch durchdacht und gut geschrieben sein müssen. Das gelingt leider nicht jedem.
Der Weg ist das Ziel, so ist es meiner Erfahrung nach oft bei Unterhaltungsmedien. Für die hohe Kunst gelten wieder andere Regeln, aber wenn, egal ob in Büchern, Filmen, Spielen etc. eine schöne, lineare Geschichte nach einer seit der Antike verbreiteten Struktur erzählt wird, kommt es oft genug vor, dass sich für die geübte Leserschaft schon vor dem Ende abzeichnet, wie die Geschichte ausgeht.
Aber nicht jedes Genre ist so aufgebaut, dass die große Enthüllung am Schluss das Wichtigste darstellt. Ich würde sogar behaupten, dass das nur bei ganz bestimmten Erzählstrukturen zutrifft und dass traditionell schon immer interessanter war, wie sie sich am Schluss kriegen oder das Gute triumphiert, und weniger, ob die Geschichte gut ausgehen wird. Das trifft zwar nicht für jede Geschichte zu - es gibt auch experimentelle Formen und Werke, die gerade mit diesen Vorstellungen brechen oder die üblichen Regeln einfach ignorieren, aber YA-Bücher über Teenager, die sich im Internet kennenlernen, würde ich nicht gerade als experimentell ansehen.
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