Bezeichnung Negerkuss statt Schokokuss eine Beleidigung?

vom 16.05.2021, 10:29 Uhr

In einer Berliner Filiale eines Discounters gab es vor Kurzem einen Eklat, infolgedessen dann sogar der Filialleiter entlassen wurde. Was genau abgelaufen ist, wird von Artikel zu Artikel anders dargestellt, mal mehr mal weniger rassistisch. Aber darum geht es mir auch gar nicht, sondern eigentlich vielmehr um die Kernfrage, die diesem Eklat zugrunde liegt: Ist es eine Beleidigung aller Menschen mit einer dunkleren Hautfarbe, wenn ich diese schokoladenüberzogene Schaum-Süßigkeit Negerkuss statt Schokokuss nenne?

Ich gehöre noch zu der Generation, die als Kind einfach die Bezeichnung Negerkuss gelernt hat, ohne dass ich damit irgendetwas anderes als diese Leckerei verbunden habe. Ich habe sogar erst später gelernt, was Neger sein sollen und noch später, was das Wort wirklich in seinem ganzen Ausmaß bedeutet. Ich benutze es seitdem auch nicht mehr für farbige Menschen, noch nicht einmal in Gedanken.

Trotzdem schaffe ich es irgendwie nicht, mich an die neue Bezeichnung Schokokuss zu gewöhnen. Sie will einfach nicht in meinem Kopf haften bleiben. Und so könnte es mir auch in der Öffentlichkeit passieren, dass ich doch die veraltete Bezeichnung verwende. Nachdem ich von dem obigen Vorfall gelesen habe, habe ich mich aber auch gefragt, ob diese alte Bezeichnung allein (nicht in dem im obigen Artikel dargestellten tätlichen Zusammenhang) denn wirklich eine Beleidigung ist? Denn wenn man nur diese Leckerei nimmt, dann ist der Kuss ja süß, lecker und eigentlich nur positiv, abgesehen von den Kalorien.

Ich weiß, dass man diese Bezeichnung nicht mehr verwenden sollte, dass sie nicht korrekt ist. Da stehe ich auch voll dahinter und es ist meine Überzeugung, dass es keine Menschen erster, zweiter oder auch minderer Klasse gibt - wir sind alle gleich, wir sind alle Menschen. Es ist gut, dass es jetzt Schokokuss heißt, aber wenn keine weiteren Umstände dazu kommen, würde ich es auch nicht als Beleidigung auffassen, wenn meine oder ältere Generationen den älteren Begriff verwenden würden.

Wie seht Ihr es? Ist es schon eine Beleidigung, eine rassistische Äußerung, wenn ich mal den älteren Begriff verwenden würde? Wenn nichts anderes an Handlungen dazu kommen würde, wenn also insbesondere auch kein Mensch mit einer dunkleren Hautfarbe in der Nähe wäre? Wenn es also offensichtlich einfach aus dem mal erlernten Sprachgebrauch heraus passiert?

» SonjaB » Beiträge: 2698 » Talkpoints: 0,98 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Ich muss Dir ganz ehrlich sagen, dass mir diese ganze Diskussion um solche Bezeichnungen wirklich so auf den Sack geht, das kann sich keiner vorstellen. Ich bin im Übrigen mit den Bezeichnungen „Negerkuss“, „Zigeunerschnitzel“ oder „Sinti & Roma“ aufgewachsen. Ich kenne es auch nicht anders, aber bin durchaus stets bereit, mit Gewohnheiten zu brechen, wenn sie für mich nachvollziehbar wären.

Fangen wir mal mit der „Zigeunersoße“ an, die mittlerweile Paprikasauce heißt. Hier wird auf einmal aus der „Sinti & Roma“ Welt so getan, als wenn man sie damit beleidigt. Jahrzehnte war nichts und auf einmal wird jegliche Debatte genutzt, um darauf herum zu reiten, dass sich einige Wenige beleidigt fühlen. Im Ernst? Ich kenne niemanden der jemals die Begrifflichkeit „Zigeunersoße“ negativ im Kontext zu „Sinti & Roma“ gesehen hätte. Im Gegenteil, die dachten alle, dass diese Soße aus ihren Reihen stammt, sie diese erfunden hatten und deswegen so benannt wurde.

Anders als die „Zigeunersoße“ wäre der sogenannte „Negerkuss“ ja wirklich noch wesentlich heftiger als Beleidigung und irgendwo schon als Rassismus zu werten, wenn man es ganz genau nehmen würde. Doch auch hier habe ich niemals an eine dunkelhäutige Person gedacht, wenn ich mir die damaligen Schokoküsse gegönnt habe und das denke ich auch bis heute nicht! Hier kann ich es dennoch ein wenig nachvollziehen.

Ich finde solche Diskussionen um diese banalen Kleinigkeiten einfach vollkommen „blöd“, aber ich verstehe in dem Fall der „Negerküsse“ natürlich die andere Seite auch, wenn es für sie eine größere Bedeutung hat. Das möchte ich gerne klarstellen.

Es geht doch nicht darum, ob jemand „Negerküsse“ oder „Zigeunersoße“ sagt, sondern das, was der Typ oder die Tussi im Kopf hat und das restliche Verhalten im Kontext zu bewerten ist. Rassismus mag für viele bei solchen Bezeichnungen beginnen, aber das Problem sind die Menschen selbst und nicht solche „verharmlosenden“ Bezeichnungen.

Ich sage auch heute noch „Zigeunersoße“ und das ist einfach so. Ich höre im Handel auch nie irgendwas anderes. Noch nie. Von älteren wie jüngeren Generationen! Bei den „Negerküssen“ habe ich im Übrigen auch nie jemanden dies im Laden schreien hören, aber Mohrenkopfbrötchen usw. war eben für uns früher normal.

In dem geschilderten Fall trägt der „Negerkuss“ jedoch genau da Früchte, wie ich es eigentlich versuche hier aufzuführen. Nicht der Begriff an sich ist das Problem, sondern der Mensch, der dort bewusst neben einer dunkelhäutigen Person die Begrifflichkeit gezielt zur Provokation einsetzt und man sich dadurch genau denken kann, was er von dem Herren mit der anderen Hautfarbe im eigentlichen Sinne hält. Das ist das eigentliche Problem, welches sich aber durch eine veränderte Begrifflichkeit eben nicht lösen lässt!

Es wird sich nicht der Gedanke über manche „Sinti & Roma“, die sich hier in Duisburg, Essen & Co wie die letzte Sau benehmen nicht ändern, weil die „Zigeunersoße“ nun „Paprikasauce“ heißt sowie sich auch nichts am „Negerkuss“ ändern wird, wenn man dunkelhäutige Menschen verachtet und nicht hier im Land erbittet, nur weil ich das Dingen dann „Schokokuss“ nenne.

Ich verstehe, dass man sich nicht per se diskriminieren lassen möchte und muss man auch nicht. Das verstehe ich. Doch diese Begrifflichkeiten sind eben nicht das Problem, sondern die Menschen, die so etwas provokativ nutzen.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Ich kann eigentlich schon nachvollziehen, wieso man nicht gern möchte, dass ein Schokokuss "Negerkuss" genannt wird, wenn man sich die Geschichte der Sklaverei und der Ausbeutung der Schwarzen ansieht. Wenn ich dunkelhäutig wäre, würde mich die Bezeichnung wahrscheinlich auch anöden. Und weil ich mir das gut vorstellen kann und eigentlich niemanden kränken oder verletzten möchte, verzichte ich auch auf diese Bezeichnungen. Ist ja eigentlich auch nicht so schwer, und das Wort Schokokuss ist (für mich) überhaupt nicht problematisch. Also verwende ich es, und gut ists...

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» lascar » Beiträge: 4482 » Talkpoints: 792,20 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Ich reagiere nicht so empfindlich und emotional auf Produktbezeichnungen wie diese, aber ich gehöre nun mal auch nicht den entsprechenden Bevölkerungsgruppen an, die dadurch vielleicht in gewisser Art und Weise herabgewürdigt werden. Zwar denke ich durchaus, dass man solche Namen verwenden und sich trotzdem politisch korrekt und respektvoll in seinem Handeln verhalten kann, aber nachdem es doch immer wieder solche Diskussionen und Empörungen darüber gibt, kann man meiner Meinung nach auch einfach auf die Begriffe verzichten und keine unnötige Kränkung riskieren.

Wenn ich die Süßigkeiten kaufe, dann sage ich meistens „Schaumkuss“ oder „Schokokuss“ dazu, oder ich verwende den Markennamen „Dickmanns“, bei dem auch jeder weiß, was gemeint ist. Letzterer klingt in meinen Ohren zwar auch nicht wirklich wertungsfrei, aber beschwert hat sich darüber bisher noch niemand, den ich kenne.

» MaximumEntropy » Beiträge: 8472 » Talkpoints: 838,29 » Auszeichnung für 8000 Beiträge



Ich sehe das ganz pragmatisch. Der Sprachgebrauch verändert sich, die Gesellschaft verändert sich, manchmal sogar zum Positiven. Und ich selber habe auch eine gewisse Idealvorstellung von meinem Charakter und meiner Persönlichkeit, der ich versuche nahezukommen.

Und zu dieser Idealvorstellung von einem höflichen, rücksichtsvollen, aufgeklärten Menschen des 21. Jahrhunderts passt es eben ganz schlecht, bockig, ignorant und arrogant auf Begriffen und Bezeichnungen der Vergangenheit zu beharren, nur weil ich als weißes, biodeutsches cishet Toastbrot davon nicht betroffen sein kann. Ich maße mir nicht an, anderen Leuten herablassend vorzuschreiben, welche sprachlichen und kulturellen Auswüchse sie gefälligst hinzunehmen haben. "Schaut mich an! Ich empfinde das N-Wort auch nicht als beleidigend! Und mich haben schon viele Leute so genannt - Moment mal."

Für mich hat die Verwendung dieser Begriffe auch gar nichts mit dem tatsächlichen oder vermeintlichen Charakter der Personengruppen zu tun, die damit ein Problem haben oder gar mit den Vorurteilen, die die weiße Mehrheit ihnen aufgehängt hat. Und ich verstehe auch nicht, was daran so weh tun soll, wenn sich ein paar wenige Begriffe aus der Sprache verabschieden, weil sie im Laufe der Zeit einen Bedeutungswandel hin zur Diskriminierung erfahren haben oder einfach immer schon fies, gemein und geschmacklos waren, und es die Mehrheit nur nie interessiert hat.

Ich kann es mir nur so erklären, dass entweder der kindliche Trotzkopf vorherrscht oder das Hirn schon so klein und eingetrocknet ist, dass für Veränderungen und Anpassungen kein Platz mehr bleibt. Und Leute, die mit 30, 40 oder 50 noch mit dem Fuß aufstampfen oder ihre mangelnde Empathie/ihr atrophiertes Denkorgan wie ein Banner vor sich her tragen, haben bei mir sowieso verloren. Und Paprikasoße mag ich sowieso nicht.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Ich persönlich halte es für ein Zeichen von störrischem Beharren in Kombination mit mangelnder Empathie, wenn man unbedingt die bisherigen Bezeichnungen weiter verwenden möchte, selbst wenn man weiß, wie kränkend sie auf andere Menschen wirken. Besonders ärgerlich finde ich es, wenn man stattdessen noch ein "Seid doch nicht so empfindlich" hinterher schiebt. Bei manchen Leuten kann ich da nur Trotz vermuten, gepaart mit einem "Ich lasse mir nicht vorschreiben, welche Worte ich benutzen soll", ohne sich mit den Hintergründen auseinandersetzen zu wollen.

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» lascar » Beiträge: 4482 » Talkpoints: 792,20 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Das Kuriose daran ist, dass sich die betroffenen Bevölkerungsgruppen oft gar nicht daran stören. Es sind sehr oft irgendwelche politischen Gruppierungen die finden, dafür kämpfen zu müssen, obwohl sie oftmals überhaupt nichts mit diesen Menschen zu tun haben. Diese Art Bevormundung ist von farbigen Menschen oder Sinti und Roma aber gar nicht mal sehr gern gesehen, denn in gewisser Weise stellt auch dies eine Art von Rassismus dar. Tendenziell sagen diese Menschen, dass sie auch für sich selber sprechen können.

So gibt es ja auch diesen Herrn aus Nigeria, der Eigentümer des Kieler Restaurants "Zum Mohrenkopf" ist. Er hat selber diesen Namen gewählt und nicht übernommen. Es gab einige Angriffe auf ihn, aber er weigert sich standhaft, seinen Laden umzubenennen. Stattdessen äußert er, diesen Namen gewählt zu haben, weil er stolz auf das ist, was er ist: ein "Mohr", was sprachwissenschaftlich auch gar kein Schimpfwort ist. Nicht wenige Sinti oder Roma haben die gleiche Haltung und bezeichnen sich bewusst als "Zigeuner".

"Neger" ist etwas anderes und ganz sicher keine schöne Bezeichnung. Das Wort ist aber auch schon seit Jahrzehnten verpönt und schon lange nicht mehr sehr gebräuchlich, daran zu arbeiten ist vielleicht keine schlechte Idee. Aber man kann es mit der Überregulierung auch übertreiben und sollte irgendwann mal die Kirche im Dorf lassen. Die betroffenen Leute brauchen keine selbsternannten Sprachwächter, die für sie sprechen und wollen diese Anmaßung größtenteils auch nicht.

» Paulie » Beiträge: 554 » Talkpoints: 0,24 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Paulie hat geschrieben:Tendenziell sagen diese Menschen, dass sie auch für sich selber sprechen können.

Wobei ich schon den Eindruck habe, dass die Menschen durchaus für sich selbst sprechen und häufig sehr wohl möchten, dass diskriminierende Begriffe nicht weiter verwendet werden. Natürlich gibt es sicher auch einige Leute, denen die Begriffsverwendung egal ist (so wie der erwähnte Restaurantbesitzer aus Nigeria), aber solange es viele Menschen eben doch kränkt, spricht doch nichts dagegen, die Begriffe nicht zu verwenden.

Sollten sich viele Betroffene tatsächlich durch diese Begriffsthematik bevormundet fühlen, können sie das ja ebenfalls artikulieren. Wenn die Meinung überwiegen sollte, dass auch sie eigentlich die verwendeten Worte nicht diskriminierend oder verletzend finden, kann man den Umgang damit ja revidieren. Der Umgang mit Begriffen wandelt sich natürlich, und es kann in einigen Jahren wieder anders aussehen als heute, aber bis es soweit ist, werde ich mich rücksichtsvoll verhalten und die umstrittenen Worte nicht verwenden. Davon bricht mir kein Zacken aus der Krone.

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» lascar » Beiträge: 4482 » Talkpoints: 792,20 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Ich würde es jetzt nicht unbedingt als rassistische Beleidigung interpretieren wenn jemand aus alter Gewohnheit heraus einen Begriff verwendet, den heute viele als rassistisch empfinden. Wenn man die Person darauf aufmerksam machen würde, würde sie selber sicher auch verstehen, warum der Begriff nicht mehr verwendet werden sollte.

Andererseits frage ich mich halt immer warum das 2021 tatsächlich immer noch ein Thema ist. Es gibt Menschen, die sich von diesem Begriff beleidigt fühlen und die haben mir absolut nichts getan. Warum muss ich dann darauf bestehen diesen Begriff weiterhin zu verwenden? Was habe ich denn gewonnen wenn ich andere Menschen grundlos verletze? Es kann doch nicht so schwer sein einen Begriff durch einen anderen zu ersetzen, ich habe es schließlich auch geschafft mehrere Fremdsprachen zu lernen.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


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