Bewusst vor einem Vortrag nicht über den Redner informieren?
Ich besuche zur Zeit viele Vorträge an der Volkshochschule, da die Karte, mit der man solche Veranstaltungen bei uns kostenlos unbegrenzt besuchen kann, wegen Corona dieses Semester noch verlängert wurde. Normalerweise schaue ich vorher nach, wer der Vortragende ist. Dieses Mal habe ich mich ganz kurzfristig entschieden, dort hinzugehen und vorher nicht recherchiert.
Es ging um den Psychoanalytiker C. G. Jung. Der Vortrag hat mir sehr gut gefallen. Der Vortragende war kompetent und man bekam wirklich ein Verständnis von der Theorie und Lust, sich weiter damit zu beschäftigen. Obwohl es nur anderthalb Stunden waren, brachte der Dozent sehr viel Wissen abwechslungsreich und mit vielen Aspekten rüber.
Zuhause habe ich dann über den Mann recherchiert. Ich war dann ein bisschen enttäuscht, weil er kein Diplom-Psychologe oder gar Psychiater war, sondern "nur" Heilpraktiker, aber mit wohl angefangenem Medizinstudium und Weiterbildungen an der C. G. Jung-Akademie in Zürich. Wenn ich mich vorher informiert hätte, dann wäre ich wahrscheinlich mit Vorurteilen beladen gewesen und hätte dem Vortrag nicht so objektiv folgen können. Er war nämlich wirklich gut und kein bisschen esoterisch angehaucht, sondern sehr rational.
Ist es vielleicht sogar besser, wenn man sich vorher nicht über Dozenten und Kursleiter informiert, um nicht mit Vorurteilen hineinzugehen? Wie macht ihr das? Möchtet ihr vorher wissen, welche Kompetenzen ein Dozent hat? Oder geht ihr lieber vorurteilsfrei in einen Kurs und beurteilt den Kurs objektiv, ohne Wissen über die Ausbildung und den Beruf des Vortragenden?
Ich denke, dass es davon abhängig ist, ob man den Redner bereits kennt oder nicht. Grade dann, wenn man regelmäßig zu solchen Veranstaltungen geht, dann kennt man bestimmte Redner schon und weiß, ob einem die Art des Vortrages gefällt oder nicht. Wenn sie einem nicht gefällt oder man aus den Vorträgen des bestimmten Redners nichts mitnehmen kann, dann bringt es einem auch nichts, wenn man in dem Vortrag sitzt und total genervt ist. Mir wäre also hier der Überraschungsfaktor zu groß.
Ich muss aber sagen, dass ich die Redner auch nicht recherchieren würde. Es gibt Sachen, die man nicht im Internet finden kann, nur weil jemand wie du geschrieben hast, “nur” Heilpraktiker ist und kein Arzt, heißt es nicht, dass er keine qualitativ hochwertigen Vorträge zum Thema Medizin halten kann. Dementsprechend würde ich hier ganz offen an die Sache rangehen und wäre gespannt, ob man mir neues Fachwissen und neue Sichtweisen vermitteln kann oder nicht.
Dementsprechend würde ich es also eher davon abhängig machen wer der Redner ist und danach entscheiden, ob ich dort hingehe oder nicht. Wenn ich den Redner kenne und seine Vortragsweise mag, weil er es vielleicht auch schafft trockene Themen sehr gut rüber zu bringen, dann würde ich mich vielleicht trotzdem auf etwas Neues einlassen, was mich eigentlich nicht so ganz ansprechen würde. Deswegen bin ich eher ein Fan davon, dass der Redner auch bekannt gegeben wird.
Ich würde in jedem Fall vorher zumindest kurz recherchieren, welche Gestalt mich mit ihren Weisheiten bespaßen wird. Wer mit Vorträgen an der Volkshochschule sein Geld verdient, kann die ganze Bandbreite von "fachlicher Koryphäe" bis "hat ein paar Bücher zu dem Thema gelesen und langweilt sich daheim" abdecken. Viele können sich auch sehr gut vermarkten und sich als absolute ExpertInnen darstellen, obwohl sie in Wirklichkeit nur zusammengewürfelte Kalenderweisheiten absondern.
Gerade wenn ich von einem Thema wenig bis keine Ahnung habe, und der Mensch vorne sich gut verkauft und ein seriöses Gesicht aufsetzt, kann mir die Person ja quasi alles einreden. Nicht jeder Quatsch ist für Außenstehende sofort als solcher zu erkennen und "rational" ist auch hoch relativ. Deswegen möchte ich vorher schon gerne zumindest wissen, wo die Person ihre Berechtigung hernimmt, mir wunder was zu erzählen und ob besagte Person bei wissenschaftlichen Themen auch die wissenschaftliche Methode vertritt und nicht laut ihrer Homepage nebenbei Heilsteine vertickt, oder zu Kolonialzeiten das letzte Mal in dem Land war, über das sie referiert.
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