Betriebe mit hoher Fluktuationsrate unseriös?
Ich bin seit kurzem in einer Arztpraxis eingestellt, wobei eine Kollegin von mir meinte, dass die anderen Kolleginnen genervt seien, weil schon wieder eine neue Kollegin (also ich) da wäre. In letzter Zeit hätten häufiger Kolleginnen gewechselt, sodass man immer wieder neu die Leute einarbeiten und sich an neue Menschen und ihre Eigenarten gewöhnen musste. Die Kolleginnen wären genervt davon und würden Mitarbeiter bevorzugen, die dann auch dauerhaft bleiben.
Ich sprach mit meinem Freund darüber, wobei er dann meinte, dass die Praxis ja nicht ganz "koscher" sein könnte. Seiner Meinung nach sind Arbeitgeber, die eine hohe Fluktuationsrate von Mitarbeitern haben, total unseriös und da müsste irgendetwas nicht stimmen, sonst wäre das nicht so. Er vermutet dann immer, dass entweder der Chef schrecklich ist oder die Bezahlung oder aber das Betriebsklima nicht ganz in Ordnung ist.
Wie ist das bei euch? Findet ihr, dass Betriebe mit hoher Fluktuationsrate von Mitarbeitern unseriös sind? Würdet ihr für jemanden arbeiten wollen, dessen Mitarbeiter ständig wechseln?
Ich habe in einem Betrieb meine Ausbildung gemacht, in dem sich die Mitarbeiter die Klinke in Hand gegeben haben. Unseriös war das absolut nichts. Es gab zig Gründe, warum Mitarbeiter freiwillig gegangen sind oder innerhalb der Probezeit gekündigt worden sind.
Oft lag es einfach an einer völlig falschen Vorstellung des Berufs. Dann kamen viele nicht mit den generell zwar mehr als fairen und gesetzlich völlig akzeptablen, aber eben ungewöhnlichen Arbeitszeiten zurecht. Im Gespräch klang das gut und durchaus attraktiv, in der Praxis war es dann doch zu belastend.
In vielen Fällen reichten schlichtweg die Qualifikationen, die Lernfähigkeit und das Engagement nicht aus. Dass der Betrieb nicht unseriös, der Chef nicht unerträglich und die Arbeitsbedingungen nicht unter aller Würde waren, sah man an den Mitarbeitern, die geblieben sind oder schon lange da waren. Die wollten nämlich gar nicht mehr woanders hin und waren sehr zufrieden.
Natürlich kann es sein, dass ein Unternehmen mit hoher Fluktuationsrate unseriös ist. Das kenne ich auch von einem Unternehmen, bei dem nach außen hin alles legal ablief, aber hinter den Kulissen Grauzonen nicht nur ausgenutzt wurden (was noch legal gewesen wäre), sondern Grenzen auch durchaus bewusst überschritten wurden. Als die Zeiten wirtschaftlich eher schlecht waren, war die Belegschaft recht stabil. Nachdem aber die Krise überwunden war, gaben sich die Mitarbeiter die Klinke in die Hand.
In einem anderen Unternehmen war es schlicht und ergreifend so, dass die Bewerber einfach unterschätzt hatten, was man in den entsprechenden Unternehmen auf den entsprechenden Posten leisten muss. Andere Bewerber wollten gleich viel mehr Verantwortung übernehmen und denen war die Einarbeitungsphase zu lang, die aber nun einmal nötig war um die komplexen Abläufe zu verstehen. Solche Unternehmen sind nicht unseriös, sie könnten aber daran arbeiten, die Abläufe transparenter darzustellen, das ist für beide Seiten entlastender.
Daneben gibt es aber auch einfach Branchen, die von Natur aus eine hohe Fluktuation aufweisen. Dazu gehört beispielsweise auch die IT-Branche. Unternehmen in diese Branchen sind ebenfalls nicht unseriös, die Entwicklungen im IT-Bereich entwickeln sich Technologien sehr schnell und die Interessen der Arbeitnehmer können sich daher auch ändern. Der Wechsel der Arbeitsstelle ist dann in der Regel eine unabdingbare Folge.
In meiner Branche ist es so, dass Unternehmen mit hoher Fluktuationsrate entweder zu schlecht bezahlen, die Chefs nichts taugen oder allgemein eine schlechte Personalpolitik haben. Wenn die Personalentscheider die Qualifikationen falsch einschätzen, dann führt das logischerweise zu einer hohen Fluktuation.
Genauso kann es laufen, wenn man die Mitarbeiter nicht vernünftig einarbeitet oder nicht die nötige Weiterbildung zukommen lässt. Das Problem ist, dass die Aufgaben so komplex sind, dass die Einarbeitung weit über die Probezeit hinaus geht und auch ein abgeschlossenes Studium nicht im Ansatz reicht, um ausreichend darauf vorzubereiten. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es aber wiederum fast keine Bewerber, die so gut passen, dass man sie mit wenig Einarbeitung einsetzen könnte.
Mitarbeiter werden also erst nach über einem Jahr überhaupt ansatzweise produktiv, davor kosten sie eigentlich mehr Einarbeitung als sie nützen. Eine hohe Fluktuation könnte also den Betrieb zum Stillstand bringen. Ein solcher Betrieb wäre also unbedingt zu meiden, egal ob er seriös ist oder nicht.
Allerdings ist das auch ein Spezialfall. In den meisten Jobs reicht ja eine relativ kurze Einarbeitungszeit, weil die Ausbildung allein schon sehr gut darauf vorbereitet.
Ich habe auch schon in Unternehmen gearbeitet, wo die Fluktuationsrate erhöht war, weil viele Mitarbeiter nicht mit dem Führungsstil des Chefs zurecht gekommen sind, welcher militärisch-diktatorisch war mit einer großen Portion Kontrollzwang und Anschiss, wenn nicht alles so läuft wie der Chef es haben wollte. Das hat die Mitarbeiter nervlich und psychisch ziemlich belastet, sodass manche teilweise schon nach vier Monaten hingeschmissen haben, weil es nicht mehr ausgehalten haben.
Nicht jeder Chef ist sich seiner Führungsverantwortung bewusst und manche versagen da auf ganzer Linie. Wenn dann aber noch dazu kommt, dass man sich selbst als Chef für unfehlbar ist und sämtliche konstruktive Kritik abschmetter und in den Mitarbeitern nur austauschbare Nummern sieht, gehen die Mitarbeiter einfach.
Ähnliche Themen
Weitere interessante Themen
- Schöne Blatt Pflanze für die Wohnung 1018mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Rubbelfeld · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Schöne Blatt Pflanze für die Wohnung
- Palmen für die Wohnung 2977mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Dreddi · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Palmen für die Wohnung
- Was kann man gegen eine tropfende Birkenfeige tun? 1832mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: helgak62 · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Was kann man gegen eine tropfende Birkenfeige tun?
- Verträgt Banane chemisches Anti Insekten Mittel? 1328mal aufgerufen · 1 Antworten · Autor: Wawa666 · Letzter Beitrag von Verbena
Forum: Garten & Pflanzen
- Verträgt Banane chemisches Anti Insekten Mittel?