Berufswunsch überdenken, wenn Karriere an Uni möglich?

vom 01.09.2016, 19:06 Uhr

Meine beste Freundin, die auf Lehramt studiert hat, hat eine glatte Eins bei ihrer Masterarbeit bekommen. Sie macht derzeit ihr Referendariat, ist sich aber nun doch unschlüssig, was sie machen soll. Eigentlich war es immer ihr großer Traum, Lehrerin zu werden, weshalb sie eben auch so lange studiert hat. Allerdings werden ihr nun doch nach und nach die Nachteile bewusst.

Hinzu kommt, dass ihr aufgrund ihrer herausragenden Leistung eine volle Promotionsstelle angeboten wurde. Ihre Dozenten hatten wohl gemeint, dass ihr eine große Karriere an der Uni bevorstehen würde und sie gut Chancen hätte, vorne in der Forschung dabei zu sein. Nun überlegt sie, was sie machen will, da sie sich die Chance auch nicht unbedingt entgehen lassen möchte.

Allerdings hatte sie nie an eine Karriere an der Uni gedacht und eben wirklich nur studiert, um Lehrerin zu werden. Würdet ihr euren Berufswunsch überdenken, wenn euch eine Karriere an der Uni bevorstehen würde? Was würdet ihr anstelle meiner Freundin machen?

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge



Da ich selbst Doktorand bin, kann ich Dir sagen, dass man damit keine großartige Karriere fährt. Nun promoviere ich extrern, aber auch wenn ich eine Promotionsstelle an der Uni bekommen hätte, dann hätte ich bei einer halben Stelle 1700 Euro brutto bekommen und bei einer vollen Stelle 3400 - das sind netto 2000. Das würde ich nicht als großartige Karriere bezeichnen. Du verhungerst nicht davon, aber 2000 netto sind für Akademiker keine großartige Karriere. Und als wissenschaftlicher Mitarbeiter muss man die ganzen Resteaufgaben machen und Studien am laufenden Band produzieren.

Die Betreuerin meiner Doktorarbeit ist dauergestresst. Sie hat eine Post-Doc-Stelle. Die fängt früh an zu arbeiten und hängt teilweise noch nach 20 Uhr an der Uni. Sie beklagt sich immer bei mir über ihre Arbeitszeiten. Zudem arbeite ich manchmal mit einem Doktoranden zusammen, der eine Stelle an der Uni hat. Wir haben etwa zusammen ein Buchkapitel geschrieben. Ich hatte meinen Teil fertig, er sollte seinen Teil machen. Da schrieb er dem Professor, dass er es nicht schafft und so viel zu tun hat. Der war echt kurz vorm Durchdrehen, da habe ich dann seinen Teil noch schnell geschrieben.

Und ich glaube nicht, dass die beiden so stressempfindlich sind. Die haben wirklich viel zu tun. Die sind extrem gestresst. Die stehen unter hohem Druck, immer alles schnell zu machen, schnell zu publizieren, viel zu schreiben usw. Ich denke, das macht nicht sonderlich viel Spaß.

Ich habe eine kleine Projektstelle an der Uni, aber in der Verwaltung. Das läuft alles entspannt und alternativ ab, weil wir eigentlich auch keine wirklichen Ergebnisse hervorbringen müssen. Das mag angenehm sein. Aber anhand der genannten Beispiele habe ich die Idee, mich weiter um eine Stelle in der Forschung zu bemühen, aufgegeben. Das würde ich mir nicht antun.

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »

Zuletzt geändert von Mod am 01.09.2016, 23:20, insgesamt 1-mal geändert. Zeige Beitragsversionen

Das mit dem Stress kann ich so bestätigen. Ich weiß aus eigener Erfahrung und auch aus Beobachtung, dass die Stellen in der Forschung an meiner früheren Uni eher begrenzt waren. Soll heißen, die waren immer projektgebunden. Ich kenne auch vereinzelt Menschen, die sind quasi wie Nomaden quer durch Deutschland gezogen und mussten alle 2-3 Jahre, also immer wenn das vorherige Projekt abgeschlossen und der Vertrag ausgelaufen ist, umziehen und woanders neu anfangen. Einer meinte sogar zu mir, das wäre richtig frustrierend, weil er eben auch eine Familie gründen und eine Immobilie kaufen wollte und das geht einfach nicht, wenn man immer nur Zeitarbeitsverträge bekommt.

Mag sein, dass der Job als Lehrerin nicht so pralle ist, aber wenn ich jetzt mit einer Stelle in der Forschung vergleiche, muss man da nicht alle 2-3 Jahre bangen, wo man als nächstes landen könnte. Sogar die Professorenstellen werden mittlerweile befristet. An meiner früheren Uni ist es so, dass die Professorenstellen für maximal 5 Jahre besetzt werden und dann wird jemand neues gesucht. Sogar die kriegen zunehmend Zeitverträge, da würde ich mir zweimal überlegen, ob ich das wirklich will.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich würde es von mehreren anderen Dingen abhängig machen. Denn wenn man ein Studium anfängt, dann hat man meistens noch andere Ziele und Wünsche als wenn man bereits weiter Fortgeschritten ist da sich ggf. auch die Lebensumstände geändert haben. So ist ein Kind eine große Veränderung und dort bietet sich eine Stelle in der Forschung der Uni nicht sonderlich an, da man immer mit Mehrstunden rechnen muss und nicht pünktlich nach Hause kommt um das Kind von der Krippe oder Schule abzuholen.

Zum anderen ist doch auch die Frage was dort alles gemacht werden soll oder was ihr in Aussicht stellt wird. Ist das Themengebiet für sie interessant und auch die Rahmenbedingungen in Ordnung, warum dann nicht also doch in diese Sparte wechseln? 2000 Euro für einen Akademiker ist nicht sonderlich viel, aber das geht anderen Bereichen ebenfalls so ohne Lehrer zu sein. Zudem meiner Auffassung nach die Lehrer im aktiven Schuldienst finanziell auch nicht sonderlich viel besser gestellt wären wenn ich mir das hier so anschaue von den nüchternen Zahlen her betrachtet.

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge



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