Bekleidungsordnung an Schule eingeführt
Jetzt ist es wohl doch offiziell und was oft diskutiert wurde ist in Baden-Württemberg - bzw. genauer: an einer Realschule (!) in Horb-Altheim - durchgesetzt worden. Dort sind über einen Elternbrief die Eltern darüber informiert worden, dass z.B. Hotpants oder Tanktops nicht mehr erlaubt sind und Schülerinnen die sich nicht an die Regel halten, lange Shirts zur Verfügung gestellt bekommen, um die Blöße zu verhüllen (siehe z.B. hier).
Ich finde es tatsächlich ungewöhnlich, dass das an einer Realschule passiert. Hier sind die Schülerinnen doch in der Mehrzahl deutlich jünger als 14. Wer in dem Alter "reizende" Kleidung anzieht, reizt nicht sondern wirkt eher witzig. Und die 1-2 Klassenstufen für die es entscheidend sein könnte, dürften doch kaum für echten Wirbel sorgen. Ich hätte eher gedacht, dass große Berufsschulen mit solchen Regeln kommen, weil hier einfach nicht mehr nur kleine Mädchen sind.
Glaubt ihr, um auf die Realschule zurück zu kommen, dass die Kinder sich wirklich freizügig kleiden, weil sie Angst vor einem Hitzeschock haben oder das tatsächlich auch 12-jährige versuchen, sich "interessant" zu machen. Aber sind 12-jährige Jungen wirklich bereit auch offen zuzugeben, dass sie sich für Mädchen interessieren? Oder würden Schüler aus den oberen Klassen offen wagen, sich an jüngere Schülerinnen ran zu machen? Ich dachte, dass das alles sich durch die Klassengemeinschaften regelt und niemand sich trauen würde. Allein auf Grund der Gefahr, hier von seinen Klassenkameraden entsprechende Kommentare zu erhalten.
Ist es wirklich schon so weit, dass das nicht einzelne Kinder betrifft, dass es notwendig wird, eine Regel aufzustellen? Ich kenne keine Kinder in dem Alter, daher weiß ich nicht, inwieweit es zu Hause auf Grund der Kleidung zu Ärger kommt. Aber ist das wirklich ein ernstes Thema in Familien oder eben eher ein Randthema (das natürlich auch behandelt werden muss - aber u.U. eben auch privat).
Nehmen wir einmal nackte Zahlen: Etwa 25 Prozent der 12 bis 14-jährigen Mädchen hatten bereits den ersten Geschlechtsverkehr, bei den Jungs sind immerhin fast 14 Prozent in dem Alter keine "Jungmänner" mehr. Petting ist bereits mit 11 Jahren bei den meisten ein "heißes" Thema. Zwischen 14 und 16 Jahren wird es dann noch heftiger, in dieser Zeit erleben mehr als 50 Prozent der Jugendlichen das erste Mal. Es ist also durchaus ein Thema.
Wobei Mädchen mit 11 oder 12 Jahren oft ein erwachsen sein wollen. Sie machen sich weniger einen Kopf, ob etwas sexy ist. Sie machen einfach das, was junge Frauen von Kindern unterscheidet. Sie probieren sich aus und sie finden über Irrungen und Wirrungen ihren Stil.
Aber wenn man das Sex-Thema mal ausblendet: Wie viel Haut an Schulen ist ok? Das ist eine Frage, die muss jede Schule mit sich selber ausmachen. Aber eigentlich ist eine Schule der Arbeitsplatz eines Schülers. Und zur Arbeit erscheint man nicht wie zur nächsten Pool-Party. Es kann durchaus im Interesse der Schule liegen, eine gewisse Ernsthaftigkeit, Respekt und Aufmerksamkeit über die Kleidung einzufordern und zu vermitteln. Und das ist sicherlich nicht so falsch.
Ich würde das Ganze auch weniger auf die sexuelle Ebene ziehen als auf eine Form der Seriosität und Abgrenzung von der Freizeit.
Sicherlich mag das Argument, dass etwaige Aufreizungen der Mädels gegenüber den Herren der Schöpfung nicht sein müssen, absolut nachvollziehbar sein. Aber ich habe eigentlich in meiner Jugend festgestellt, dass es keine Hotpants und bauchfreie Tops benötigt, um pubertierende Jungs um den Verstand zu bringen. Da taten auch lange, aber um die Brust eng sitzende Shirts mit minimalem Ausschnitt und enge Hosen ihren Dienst.
Insofern halte ich ein solches Verbot dahingehend für wenig sinnvoll. Dann müsste man schon zu nicht körperbetonter Kleidung greifen, um so etwas gänzlich zu verhindern. Ist jedenfalls meine Erfahrung, wenngleich die Schulzeit ja schon weit zurückliegt.
Ich sehe die Schule auch eher als einen Raum zur Vorbereitung auf das Arbeitsleben, wo eine gewisse Seriosität und ein gewisses Niveau gewahrt sein sollte. Deswegen finde ich es gar nicht falsch, wenn man sagt, dass ein gewisses Maß an Bedecktheit zu wahren ist. Ich kenne jedenfalls niemanden, der mit gerade brustbedeckendem Oberteil und etwas zu breitem Gürtel im Beruf auftauchen würde - jedenfalls nicht bei den gängigen Berufen, die wohl die allermeisten Mädels anstreben dürften.
An meiner ehemaligen Schule - einem Gymnasium - gab es eine Kleiderordnung. Wobei das allerdings eine Schule war, die nur teilweise staatlich finanziert wurde und ein angeschlossenes Internat hatte, da ist so etwas vielleicht üblicher als an staatlichen Schulen.
Wenn das Thema zur Sprache kam ging es bei uns nie um "reizende Kleidung" sondern um die Tatsache, dass Schule nun mal keine Freizeit ist und bestimmte Sachen später im Beruf eben auch nicht erlaubt sein werden. Wenn du als Anwältin in Hotpants und bauchfreiem Oberteil auftauchst brauchst du wahrscheinlich keine Angst haben, dass sich jemand an dich "ran" macht, aber Klienten wirst du in dem Outfit wohl eher wenige gewinnen.
Ich fand das als Schülerin nur einschränkend, wenn es wirklich extrem heiß war, aber hilfreich ist das im Berufsleben jetzt schon. In meinem Job gibt es nämlich keine Dresscodes, aber ich weiß instinktiv, was bei den aktuellen Temperaturen noch akzeptabel ist und was ich besser nur in der Freizeit trage.
Traurig finde ich schon die gleichgeschalteten Denkweisen, die hier durchkommen und man die Schule eben nicht mehr als Bildungseinrichtung sieht, sondern als Trimmstation für eine spätere wirtschaftliche Verwertung. Der Mensch zählt wohl nur, wenn er wirtschaftlich etwas zum Bruttosozialprodukt beitragen kann. Alles andere zählt hier nicht? Und so was kommt beim Thema Kleiderordnung ans Licht.
Davon habe ich auch bereits gelesen und war schon ziemlich entsetzt, dass das heutzutage noch ein Thema zu sein scheint. Wobei sowas früher noch normal war. Meine Mutter erzählte mir, dass zu ihrer Schulzeit Mädels wieder nach Hause geschickt wurden, wenn sie offensichtlich geschminkt waren.
Ich finde es, wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, ganz normal, dass man sich in dem Alter ausprobieren will und würde die Jugendlichen nicht daran hindern. Ich bin zwar nie bauchfrei in die Schule gegangen, habe mich dafür aber phasenweise ziemlich stark geschminkt. Andere Mädels, wenn auch schon mit 16, 17, sind manchmal in High Heels und/oder Kleidern zur Schule gekommen, die eher wie lange Tops aussahen und gerade mal den Hintern verdeckt haben.
Ich fand vieles schon grenzwertig (Stichwort "attention whores"), aber Ärger von Lehrern gab es damals nicht. Auch hatte ich nicht den Eindruck, dass ausgerechnet diese Mädels von Jungs besonders viel Beachtung bekamen oder diese irgendwie ablenkten. Die pubertierenden Idioten haben auch bei den "züchtig" gekleideten Mädels Titten- und Ärschevergleiche angestellt.
Außerdem frage ich mich, wie solche Kleidung den Schulfrieden gefährden soll. Müssen die Mädchen Angst vor Übergriffen der Jungs haben? In dem Fall liegt das Problem eher bei der Erziehung der Jungs und nicht bei den Mädchen.
derpunkt hat geschrieben:Traurig finde ich schon die gleichgeschalteten Denkweisen, die hier durchkommen und man die Schule eben nicht mehr als Bildungseinrichtung sieht, sondern als Trimmstation für eine spätere wirtschaftliche Verwertung. Der Mensch zählt wohl nur, wenn er wirtschaftlich etwas zum Bruttosozialprodukt beitragen kann. Alles andere zählt hier nicht? Und so was kommt beim Thema Kleiderordnung ans Licht.
Wieso wird durch eine Kleiderordnung eine Schule nicht mehr in erster Linie als Bildungseinrichtung gesehen? Genau das, finde ich, gehört zu einer umfassenden Bildung eben auch dazu. Es kann nicht alleiniger Sinn der Schule sein Menge und Auswahl x an Wissen an die Schüler zu vermitteln.
Für mich gehört zu einer guten Schulbildung, dass Schüler den Spaß an Lernen und Wissenserwerb kennen lernen, dass sie lernen, wie man selbstständig Wissen erarbeitet, dass sie ein Verständnis entwickeln, wie eine Quelle einzuordnen ist, dass sie fähig sind, ein Problem aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.
Dazu kommen dann aber noch andere Fähigkeiten wie ein solides Basiswissen in vielen Sparten, das es erlaubt, bei Bedarf sehr selbstständig darauf aufzubauen. Auch Durchhaltevermögen, die Auseinandersetzung mit unbeliebten Inhalten, Selbstorganisation und Zeitmanagement sollten in der Schule vermittelt werden.
Natürlich darf auch der soziale Bereich nicht zu kurz kommen. Wie man sich Mitschülern und Lehrern gegenüber verhält, wie man allgemein andere behandelt und ein gewisses Maß an Höflichkeit wahrt, das gehört auch dazu. Und tatsächlich gehört dazu auch, wie man sich anzieht, wenn man eben nicht mit Freunden seine Freizeit verbringt.
Und das absolut nichts mit Kaderschmiede oder Trimmstation zu tun. Das sind alles Fertigkeiten, die einem das gesamte Leben erleichtern. Ob man mit dieser Grundlage Hausfrau oder -mann, Straßenkehrer, Verkäuferin, Anwalt oder Nobelpreisträger wird, das ist doch vollkommen unerheblich. Man hat einfach ein gutes Rüstzeug für sein Leben erhalten, auf das man jeden Tag zurückgreifen kann.
In Würzburg gibt es diese Einschränkungen ja bereits an einem Gymnasium. Für mich macht da die Schulform auch keinen Unterschied. Meiner Meinung nach ist es eine Frechheit Kinder so einzuschränken. Es sollte jeder das tragen dürfen, was er mag und was er von den Eltern erlaubt bekommt.
Sicherlich können Hotpants bei irgendwelchen Perversen falsche Signale setzen, aber das kann man bei den falschen Leuten immer. Gerade auch das Argument, dass Jungen dadurch abgelenkt sind finde ich mehr als haltlos. Jungs stehen doch auch auf Mädchen, die einen engen Rollkragenpullover an haben und können sich dadurch vielleicht weniger konzentrieren. Es ist auch irgendwie die Frage, ob diese Kinder dann auch im Schwimmbad zukünftig verhüllt sein müssen.
Gerade wenn es draußen sehr warm ist, dann kann ich es verstehen, dass man eine kurze Hose oder einen kurzen Rock tragen will und das sollte man dann dem Kind auch gönnen. Die Kinder haben auch immer früher Sex, aber das kann man doch nicht durch Kleidung beeinflussen, sondern muss mit den Kindern reden.
Ich würde meine Tochter immer auch in kurzen Hosen zur Schule schicken. Das ist doch bei Jugendlichen im Sommer ein ganz normales Bild auf den Straßen und warum sollte eine Jugendliche mit 16 beispielsweise keine Hotpant tragen dürfen, aber 2 Jahre später ist es dann in Ordnung. Den Sinn dahinter verstehe ich nicht. Kurze Kleidung ist in meinen Augen vor allem praktisch.
cooper75 hat geschrieben:Wieso wird durch eine Kleiderordnung eine Schule nicht mehr in erster Linie als Bildungseinrichtung gesehen?
Weil ich hier auf die Frage zur Kleiderordnung wenigstens zwei Mal bei drei Antworten lesen musste, dass "im Beruf" ja auch nicht jeder und jede alles tragen darf. Das ist richtig. Aber genau das macht den Unterschied aus: hier geht es um Schule! Und wenn Schule eben nicht als Konditionieranstalt verstanden wird, darf oder kann der Brückenschlag zur "Berufswelt" nicht gemacht werden. Denn es ist egal, wie man sich später im Beruf verstellen muss (traurig genug) - die Schule darf nicht zu einem Ort verkommen, an dem genau dieses (verlogene) Verstellen erlernt werden soll.
Ramones, nur weil etwas ein ganz normales Bild auf den Straßen ist, heißt es nicht, dass immer und überall in Ordnung ist. Auf der Straße und in der Freizeit ist nicht in der Schule. Eine kurze Hose, bei der der Hintern bedeckt ist, ist auch kühl, die paar Zentimeter machen wohl wenig aus.
Wenn das Elternhaus entsprechend ist, dann ist es kein Problem, den Kindern zu vermitteln, was später ok oder eben unpassend ist. Aber nicht jedes Kind hat so ein Elternhaus. Warum soll es solche Dinge also nicht wenigstens in der Schule lernen und als Selbstverständlichkeit erachten?
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