Bei Seminaren Leute motivieren, die nur Zeit absitzen
Ich muss ja Seminare halten – manchmal zumindest. Nun ist etwas so, dass manche Teilnehmer wirklich nur ihre Zeit absitzen. Manche interessieren sich für die Themen und die machen auch gut mit, stellen Fragen usw. Das sind die tollen Teilnehmer. Aber es gibt eben auch welche, die betrifft das Thema einfach nicht und normalerweise müsste man sagen, dass es besser wäre, wenn man vorher fragt, wer sich für welches Thema interessiert und dann die Seminare entsprechend zuweist. Aber weil wir ja für jeden Teilnehmer Geld bekommen und es daher gewollt ist, dass alle Teilnehmer auch alle Seminare durchlaufen, ist es naturgegeben so, dass man ab und an Leute dabei hat, die es wirklich nicht interessiert.
Manchmal besteht eine Gruppe nur aus Interessierten. Manchmal ist einer dabei, der dann etwas uninteressiert wirkt und manchmal sind es aber auch mehrere in einer Gruppe, was dann auch die Stimmung in der Gruppe nicht unbedeutend positiv prägt. Mitunter fragen die mich dann, warum die diese Seminare machen müssen und ich weiß gar keine richtige Antwort. Ich kann ja nicht sagen, dass das eben wegen der Einnahmen so vorgeschrieben ist. Und ich habe bisher noch keine klare Strategie gefunden, was ich da mache. Ich gehe eigentlich immer wieder anders vor und probiere Neues aus, aber so richtig perfekt ist das alles nicht.
Ich habe etwa auf sehr praktische Inhalte gesetzt. D.h. ich habe die Theorie kurz erklärt und dann gab es dazu Übungsaufgaben, wo die Teilnehmer miteinander interagieren konnten und es ist wirklich oft eine schöne Gruppendiskussion entstanden. Aber genau bei dieser sehr praktischen Variante haben sich auch schon Leute beschwert, dass denen die praktischen Übungen zu albern seien und dass zu wenig Wissen vermittelt wird. Lasse ich aber das Praktische weg, ist es sehr trocken und man sieht den Leuten regelrecht an, dass sie sich langweilen.
Dann bin ich auch mal mit Gruppen bei einem Seminar Eis essen gegangen. Wir saßen dann also im Eiscafé anstatt im Seminarraum und ich habe dann dort mit denen ein wenig über das Seminarthema geredet. Das schienen manche zu mögen, andere nicht und es ist auch schwierig, dann die Gruppe irgendwie zu delegieren und dafür zu sorgen, dass das nicht in lauter Einzelgesprächen zwischen den Teilnehmern endet, sondern die mir zuhören.
Im Sommer, als es sehr warm war, bin ich mal mit einer Gruppe in den Park gegangen und wir haben uns dort auf die Bänke gesetzt. Aber auch hier war wieder das Problem, dass ich die Gruppe ohne Power Point schlecht koordinieren kann und dass es dann problematisch ist, im Freien, ohne visuelle Unterstützung, etwas zu erklären. Damals kam dann auch noch der geistig behinderte Gärtner dazu und mischte sich ein, was das Ganze etwas sprengte.
Dann hatte ich auch schon Seminare, da habe ich das Thema nur angerissen und die Teilnehmer haben so viel darüber diskutiert, dass ich gar nicht dazu kam, die anderen Inhalte noch weiter anzubringen. Die haben da aber scheinbar Freuden daran gehabt und daher habe ich die diskutieren lassen und habe ab und an mal Zwischenfragen gestellt, um alle doch noch ein wenig zu lenken. Aber das ist selten.
Und wenn einer gar nicht will, dann habe ich es auch schon einmal so gemacht, dass ich mit dem mal unter vier Augen geredet habe und ihm erlaubt habe, die Seminare zu schwänzen, aber er sollte dafür sorgen, dass das keiner merkt, denn in den Unterlagen habe ich ihn trotzdem immer mit eingetragen. Das darf ich ja eigentlich nicht, aber der wollte absolut nicht dabei sein und da wusste ich mir keinen anderen Rat.
Ebenso habe ich einige Zeit lang Kaffee zu den Seminaren serviert. Manche sind ja sehr müde, wenn das Seminar früh ist und da dachte ich, es sei eine gute Idee, Kaffee zu geben. Dafür habe ich den Kaffee, den die Mitarbeiter kostenlos gestellt bekommen, verwendet und irgendwann beschwerte sich die Haushälterin bei mir, dass ich den Kaffee, den der Chef für die Mitarbeiter bezahlt, für die Teilnehmer verwende und das ich das sein lassen soll. Danach gab es dann nur noch Tee und Wasser, denn was anderes war für die Teilnehmer nicht vorgesehen. Ich hab auch mal von daheim löslichen Kaffee mitgebracht, den haben die Teilnehmer aber als nicht schmackhaft genug kritisiert.
Nun hatte ich schon einmal die Idee, dass ich dann die Teilnehmer aufschreiben lasse, welche Fragen oder Probleme sie haben und ich das dann sammle und irgendwie für eine praktische Aufgabe verwende. Aber ich ahne da schon, dass es garantiert wieder Leute gibt, die sagen werden, sie hätten keine Fragen oder Probleme oder die da nicht mitmachen möchten bzw. das kindisch finden. Das ist echt schwer.
Wie kann man denn die Leute dazu bringen, dass sie alle Freude daran haben? Dass sie ihre Zeit da absitzen müsse, kann ich nicht ändern, das ist eben so. Aber es wäre doch schön, wenn die Leute Freude daran hätten und gern dabei wären.
Du hast so viel geschrieben, aber ich verstehe den Sachverhalt trotzdem ganz. Was für Seminare sind das genau? Erwachsenenbildung, nehme ich an, aber was für Leute werden da zu welchem Zweck in was genau ausgebildet? Das Ganze soll doch sicher auch für die Teilnehmer einen Sinn haben und nicht nur Einnahmen für deinen Arbeitgeber generieren.
Ich kenne aus meinem Berufsleben nur Anwenderseminare. Kurze Erklärung für die, die nicht wissen, was das ist: Wenn man von bestimmten Firmen Anwendersoftware kauft wird man zu Seminaren eingeladen wo dann die neuste Version vorgestellt wird und nach Feedback gefragt wird. Im Prinzip ist das also einfach Kundenpflege, denn je nach Größe der Firma darf man für Software schon mal einen sechsstelligen Betrag hinblättern, da lohnt es sich, wenn man sich um den Kunden bemüht.
Ich sehe auf solchen Seminaren schon Leute, die sich wesentlich mehr für das Hotel und das Essen als für das Seminar interessieren. Einige Leute werden da wahrscheinlich auch einfach von ihrer Firma hin geschickt weil sie gerade Zeit haben und nicht, weil sie irgendeinen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben.
Ich muss aber sagen, dass ich nicht finde, dass es zu den Aufgaben des Vortragenden gehört, erwachsene Menschen zu bespaßen. Ein durchschnittlich intelligenter Mensch, der sein Studium erfolgreich abgeschlossen hat, muss doch in der Lage sein einem Vortrag zu folgen. Sicher gibt es Vorträge, die arg langweilig sind, aber auch hier würde ich bei einem durchschnittlich intelligenten Erwachsenen voraussetzen, dass er genug Erziehung genossen hat um sich die Langeweile nicht anmerken zu lassen.
Generell denke ich aber, dass du es nie allen recht machen kannst, vielleicht musst du dich ein Stück weit einfach von diesem Anspruch an dich selber verabschieden. Das würde mir aber auch schwer fallen, weil ich schon eher perfektionistisch veranlagt bin. Und ein bisschen mehr Autorität wäre vielleicht auch nicht schlecht, das ist dein Seminar und keine basisdemokratische Veranstaltung. Jemand findet deine praktischen Aufgabe albern? Willkommen im realen Leben, wo nicht alles noch seinen Wünschen funktioniert und wo sich überhaupt nichts ändert, wenn man sich wie ein bockiges Kleinkind verhält.
Du hast sehr viel mit den Teilnehmern versucht zu machen und kaum etwas hat wirklich mal was gebracht. Vielleicht hat schon jemand mal gesagt, dass ihm die Zeit, die er bei dir absitzen muss zu schade ist, dass er lieber weiter schlafen möchte. Das könnte ich mir sehr gut vorstellen, nachdem, was du schreibst. Es sind bestimmt Menschen aller Altersgruppen, die mit verschiedenen Kenntnissen ausgestattet sind. Diese Menschen sollten in Gruppen gemäß ihrer bisherigen Tätigkeit sinnvoll weiter gebildet werden. Wenn man alle wahllos zusammen würfelt und sagt, das musst du jetzt lernen und es steckt kein Sinn dahinter, dann sitzen alle nur ihre Zeit ab und sind dann froh, wenn sie bescheinigt bekommen, dass sie teilgenommen haben.
Auch wenn du dir noch so viel Mühe gibst, diesen Haufen zusammen gewürfelter Menschen bekommst du nicht unter einen Hut. Manche sind froh, das eine oder andere neu zu lernen, aber die meisten sagen sich, wozu? Mein Geld bekomme ich so oder so. Den Mist, den sie mir hier vorsetzen brauche ich nicht zum Arbeiten.
Ich kenne diese Aussagen von Kunden. Da wurde zum Beispiel ein ehemaliger Bezirksdirektor in einen Computerkurs geschickt. Der hat sich totgelacht. Aber die Kurse müssen eben besetzt werden, ob es den Menschen irgendwann etwas bringt oder nicht. Das Geld ist da für die Kurse, also werden sie gemacht, so einfach ist das.
Nicht du bist es, die es nicht schafft, sondern das System ist es, was falsch durchgezogen wird. Das aber kann nur an der Spitze geändert werden. Solange genügend Geld da ist und das alles einigermaßen funktioniert, wird nichts geändert. Denn man sorgt ja für die Leute und gibt ihnen Aufgaben, egal ob die richtig sind oder falsch. Danach wir leider nicht gefragt. Das ganze System muss dringend überarbeitet werden und mit dem Geld sinnvolle Seminare geschaffen werden, die jedem etwas bringen. Dann wird es auch dir Freude machen. Du wirst jemanden nicht dazu bringen, Freude an etwas zu haben, was er nicht einsieht für sein Weiterkommen. Er wird nur sauer sein, dass er deswegen früh aufstehen und zu dir kommen muss. Nimm's nicht tragisch und probier nichts weiter mehr aus. Es wird dir nichts bringen.
Ich verstehe ehrlich gesagt dein Problem nicht so wirklich. Es ist ja nicht so, dass deine Bezahlung davon abhängig ist, wie gut die Teilnehmer gelaunt sind und wie motiviert sie mitmachen. Es kann dir also völlig egal sein, ob die Teilnehmer sich alle für das interessieren, was im Seminar besprochen wird oder nicht. Du solltest dagegen lernen, dass dein Selbstwert nicht von der Reaktion der Teilnehmer auf dein Seminar abhängig gemacht wird und an deinem Selbstwertgefühl arbeiten. Dich nimmt so eine Bagatelle deutlich weniger mit, wenn du innerlich stabil bist.
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